Einführung
Von König Ludwig XIV. von Frankreich, dem Sonnenkönig, wird erzählt, dass er jedes Mal die Fenstervorhänge zuziehen ließ, wenn ein Trauerzug an seinem königlichen Palast vorüberfuhr.
Von Goethe sagt man, er habe nur äußerst ungern an einer Beerdigung teilgenommen, weil er nicht auf den eigenen Tod aufmerksam gemacht werden wollte.
Professor Karl Heim schreibt:
»Der Tod gleicht einer Lawine, deren dumpfes Rollen die Talbewohner mit Schrecken hören. Die Lawine kommt näher und näher. Alles droht sie unter sich zu begraben. Alles, was sich ihr entgegenstellt, droht sie zu vernichten! Man sucht sie aufzuhalten durch Stangen, die man in den Boden einrammt, durch Bretter, die man daran befestigt. Solche Stangen und Bretter, die den Tod aufhalten sollen, sind alle unsere Bemühungen, Leben zu erhalten! Durch die wertvollen öffentlichen Fürsorgen wird ein Heldenkampf gekämpft gegen Armut und Krankheit. Die medizinische Wissenschaft arbeitet fieberhaft, um kostbares Leben noch so lange als möglich zu erhalten. Es ist immer ein Triumph, wenn es wieder einmal durch eine Operation oder durch ärztliche Mühe und Kunst gelingt, Menschen, die schon eine sichere Beute des Todes zu sein schienen, noch auf Jahre hinaus am Leben zu erhalten. Aber zuletzt hat der Tod doch das letzte Wort über alle Menschen.
In hundert Jahren ist kein Einziger von uns mehr am Leben – wir fühlen dunkel, dass der Tod, der auf uns zukommt, uns ins Zentrum unseres Seins trifft. Das, was dem ganzen Weltprozess das Gepräge gibt, ist die Tatsache, dass der Tod doch zuletzt über alles siegt.«
Solange es Menschen auf Erden gibt, besteht auch der Glaube an ein Fortleben des Menschen nach dem Tode in irgendeiner Form, auch bei allen Heiden, Götzenanbetern und Gottesleugnern. Auch wer nicht an den einen Schöpfergott glaubt, kann sich mit einer letzten Sinnlosigkeit des Lebens nicht abfinden! Die Religionsgeschichte der außerchristlichen Völkerwelt lehrt, dass sich bei allen Völkern von der frühesten Vorzeit an bis auf den heutigen Tag der Glaube an die Unsterblichkeit des Menschen findet. Die Eskimos und die Schwarzen, die Amerikaner und die Chinesen, die alten Griechen vor Christi Geburt und die alten Römer haben alle den Unsterblichkeitsglauben. Von dem Fortleben des Menschen nach seinem Tode singen ihre Gesänge und reden ihre heiligen Bücher. Ihre Sitten und Gebräuche sind ein Zeugnis von diesem Glauben.
In den Jahren 1794–95 gab Christian Wilh. Flügge, Repetent bei der Theol. Fakultät in Göttingen, seine »Geschichte des Glaubens an Unsterblichkeit, Auferstehung, Gericht und Vergeltung« heraus (erschienen bei Crusius, Leipzig). In der Vorrede schreibt er: »Ich übergebe hier den Freunden des historischen Religions-Studiums einen Versuch, den wichtigsten Gegenstand des menschlichen Denkens und Forschens, die Geschichte des Glaubens an die Fortdauer nach dem Tode, in ihrem ganzen Umfang zu bearbeiten.«
Flügge stellte darin die Unsterblichkeitsvorstellungen aller damals bekannten Religionen dar. Wir haben hier wohl den ersten Versuch eines solchen Nachweises.
Runze in dem 24 Bände umfassenden Werk »Realenzyklopädie für protest. Theologie und Kirche«:3 »Die Vorstellung von der Unvergänglichkeit (des Menschen) wurde von den Kultur-Völkern des Altertums in mannigfacher Weise auf die Seele des Menschen bezogen« (die ja unsterblich ist).
Graf in dem großen Sammelwerk »Die Religion in Geschichte und Gegenwart«: 4 »Der Unsterblichkeitsglaube der Religionen spricht sich in mannigfachen Vorstellungen aus. In den primitiven Religionen wird das Leben nach dem Tode vielfach als modifizierte (abgeänderte) Fortsetzung des irdischen Lebens verstanden, wie die Bestattungsgebräuche und Totenkulte zeigen.«
C. W. Ceram in seinem Buch »Götter, Gräber und Gelehrte«:5 »Der Sinn des ägyptischen Pyramidenbaues entspricht der religiösen Grundvorstellung, dass der Weg des Menschen kontinuierlich (d.h. fortdauernd) über seinen leiblichen Tod hinaus weiterführe bis in alle Ewigkeit …, wenn dem Verstorbenen die rechten Bedingungen der Existenz mitgegeben werden. Zu dieser Existenz gehört alles, was die Existenz des irdischen Lebens begleitet hatte …«
Eberhard Zellweger in »Was wissen wir vom ewigen Leben«:6 »Seit dem Ende des 18. Jahrhunderts hat man systematisch alle Völker der Erde auf ihre Unsterblichkeitsvorstellungen hin abgesucht. Tatsächlich ist nie ein Stamm entdeckt worden ohne eine bestimmte Anschauung des Jenseits. Sie kann von Furcht oder Hoffnung erfüllt sein. Vorhanden ist sie auf jeden Fall. Leugnung der anderen Welt ist nie ursprünglich, sondern immer Frucht nachträglicher kurzsichtiger und oberflächlicher Überlegung.«
Dr. Kurt Koch in »Unser Leben nach dem Tode«:7 »Man hat bis jetzt noch kein Volk entdeckt, das nicht in irgendeiner Form an ein Weiterleben nach dem Tode gedacht hat. Der Völkerkundler Prof. Frobenius meinte eine Zeit lang, die Zwergbevölkerung in Südafrika, die Pygmäen, hätten keinen Totenkult. Diese Meinung musste korrigiert werden. Es ist dem Menschen geradezu angeboren oder ins Herz gegeben, dass er sich mit der Existenz des Menschen nach dem Tod befasst.«8
Ein so allgemeiner Glaube, wie es der Glaube an die Unsterblichkeit des Menschen ist, kann nicht aus einer Selbsttäuschung oder einer Verirrung des menschlichen Denkens herkommen. Die ganze menschliche Denkart treibt den Menschen dazu. Der Mensch kann wohl dieses Denken unterdrücken, aber er kann es nicht ausrotten.
Auf Grund unserer Erfahrungen in Gesprächen und an Sterbebetten müssen wir immer wieder feststellen, dass die Vorstellung »Mit dem Tode ist alles aus« im tiefsten Grunde niemanden befriedigt. Im Gegenteil, sie macht das Rätselwort »Tod« immer noch schrecklicher:
Der französische Schriftsteller Emile Zola: »Der Tod liegt immer im Hintergrund unserer Gedanken (er meinte sich und seine Frau), und oft, sehr oft in der Nacht, wenn ich zu meiner Frau, die auch nicht schläft, hinüberblicke, fühle ich, dass sie auch daran denkt. So liegen wir beide wach, ohne von dem zu reden, woran wir denken. Ach, und dieser Gedanke ist schrecklich!«
Jean-Paul Sartre, der französische Philosoph: »Es ist widersinnig, dass wir überhaupt geboren werden. Es ist widersinnig, dass wir sterben müssen.«
Arthur Schopenhauer: »Wenn Gott diese Welt geschaffen hätte, so möchte er (Schopenhauer) nicht dieser Welt Gott sein! Das Menschendasein mit all seinem Jammer würde ihm das Herz zerreißen. Es wäre besser, dieses Leben wäre nie, nie gewesen.«
Der nüchterne Menschenverstand braucht sich nicht anzustrengen, wenn er sagt: Der Tod kann nicht das Letzte sein! Die Sinnlosigkeit, die Zwecklosigkeit, das Nichts kann nicht der Sinn des Menschendaseins und des Schöpfungsdaseins sein. Wenn Gott Himmel und Erde geschaffen hat (und Er hat Himmel und Erde geschaffen), dann mag das einen Sinn haben, dann muss ein Plan darin liegen. Jeder Mensch, der arbeitet, hat ein Ziel mit seiner Arbeit. Der Maurer, wenn er ein Haus bauen soll, arbeitet nicht sinn- und planlos darauf los, sondern das fertige Haus, das bezugsfähige Haus, ist Sinn und Ziel seiner Arbeit. Und so wie er schaffen auch der Schneider, der Schreiner, der Bäcker, der Maler usw. Ohne Sinn, ohne Ziel, planlos arbeitet niemand.
So hat auch Gott nicht sinnlos Himmel und Erde geschaffen, sondern Er hat mit Himmel und Erde etwas vor, hat einen Plan mit der gesamten Menschheit. Gott will nicht den Tod, die Vernichtung, das Nichts. Er will, dass der Mensch lebe! Gott ist nicht ein Gott der Toten, sondern der Lebendigen. Auch dein Leben hat einen Sinn – hat göttlichen, ewigen Sinn!
Der Schmerz, die Angst, diesen Sinn verfehlt zu haben, bedrängt am Ende viele, die diesen Sinn ihr Leben lang leugneten. Es gibt eine Gewissenserfahrung der Sterbenden. Professor Adolf Köberle in seinem Buch »Menschliche Fragen und göttliche Antworten«:9 »Hugo von Hofmannsthal hat in seinem Spiel ›Der Tor und der Tod‹ in edler Sprache zum Ausdruck gebracht, was die Gewissenserfahrung aller Sterbenden ist. Das Ende macht reif in der Erkenntnis und bang in der Verantwortung. Wie der Tod ins Gemach tritt und mit dem Edelmann Claudio zu reden beginnt, da erscheinen im Halbdunkel an der Wand, von den Geigenstrichen des unheimlichen Spielers gerufen, die Mutter, die Geliebte, der Jugendfreund, die der ästhetische Genießer einst gequält, betrogen und zur Seite gestoßen hat. Der zum Abschied Aufgeforderte, der die Tage bisher nur müßig spielerisch gepflückt hatte, erkennt, wie sehr er sich an den vor ihm Dahingegangenen verschuldet hat, wie es für ein Wiedergutmachen unwiederbringlich zu spät ist. Theoretisch...