1Wann können Sie anfangen?
»Wenn du denkst, dass du zu klein bist, um Einfluss zu haben, dann versuch mal, mit einem Moskito ins Bett zu gehen.«
Anita Roddick
»What you won’t let be, won’t let you be.«
Debbie Ford
Wir bewerben uns oft zu spät
Lange Zeit dachte ich, die Herausforderungen bei der Bewerbung beginnen mit der Bewerbung. Viele Ratgeber meinen das auch und setzen bei Stellensuche, Anschreiben, Lebenslauf und Zeugnissen an. Über die Jahre belehrten mich meine Seminarteilnehmerinnen und Coaching-Klientinnen eines Besseren – an dieser Stelle meinen ausdrücklichen Dank an Sie alle!
! Wichtig
Die Probleme mit der Bewerbung beginnen lange vor der Bewerbung. Manchmal viel zu lange vorher …
Betrachten wir ein schönes Gegenbeispiel: Jelina. Sie ist 32, hat Kind und Mann und sagt während des Telefon-Coachings: »Ich schaue mich gerade um. Es werden in der Branche interessante Stellen angeboten.« Ich gebe zu bedenken: »Aber Sie sind doch erst vor 15 Monaten befördert worden!« Jelina schweigt einen Augenblick.
Dann meint sie: »Ja und? Es schadet niemandem, wenn ich mich jobmäßig auf dem Laufenden halte. Gucken kostet nichts. Vor einem Klamottenkauf gehe ich doch auch online oder in die City zum Schaufensterbummeln! Warum also nicht beim Job?«
Wenn auch Sie dieser Meinung sind, wenn auch Sie ohne zu zögern sofort eine Bewerbung losschicken, sobald Sie ein Angebot entdecken, mit dem Sie sich verbessern können – Gratulation! Blättern Sie bitte weiter bis zum Kapitel »Was zu tun ist: Zwischenzeugnis«. Sie blättern nicht? Dann geht es Ihnen wie den meisten Frauen, die sagen:
Eigentlich wollte ich schon lange was anderes machen!
Ich hatte nie vor, so lange auszusetzen. Aber jetzt dauert die Familienphase bereits … Jahre!
Manchmal frage ich mich: Warum bin ich noch hier? Ich hatte früher mal ganz andere Träume und Vorstellungen!
Dieser Job frustriert mich schon lange!
! Übung
Was sagen, denken, fühlen Sie schon (viel zu) lange? Bitte notieren Sie den Gedanken. Ein reflektierter Gedanke wirkt stärker handlungsleitend als ein flüchtiger Gedanke – und das Aufschreiben ist eine besonders starke Form der Reflexion. Fühlen Sie sich frei für jedwede Formulierung:
Was Sie notiert haben oder denken, beschreibt ein zentrales Problem bei der Bewerbung. Auf diesen Stolperstein treffen fast alle von uns lange vor der eigentlichen Bewerbung.
! Achtung
Wir halten zu lange in Jobs, Positionen, Aufgabenbereichen oder Firmen aus, die uns eigentlich nicht entsprechen – oder uns quälen.
Andere sind immer noch in der Familienphase, obwohl das nie so geplant war. Oder hängen in einer Beziehung fest, die sie – nicht nur in der beruflichen Mobilität – einschränkt. Oder wollten nach einer Trennung, einer Scheidung oder dem Auszug der Kinder eigentlich längst wieder ins Arbeitsleben einsteigen. Haben sie das gemacht? Leider oft und lange nicht.
! Tipp
Sehen Sie sich spätestens dann nach etwas Neuem um, wenn Sie mit der aktuellen beruflichen Situation deutlich unzufrieden sind und keine Aussicht auf Besserung besteht. Das sind Sie sich schuldig. Sie sollten nicht zu lange zögern, sondern zügig aktiv werden.
Wenn das alle Frauen machen würden, wären wir nicht hier zusammengekommen. Was tun Frauen stattdessen? Wir kritisieren. Uns.
Selbstkritik fesselt, Reframing befreit
Wir halten oft zu lange aus in unbefriedigenden Jobs, quälenden Beziehungen, unerquicklichen Situationen, einseitigen Freundschaften, nervigen Vereinen, auf langweiligen Partys … Natürlich ist uns das unterschwellig bewusst! Meist mehrmals die Woche. Was machen wir dann?
Wir machen uns Vorwürfe.
Natürlich in bester Absicht! Wir wollen uns ja motivieren. Also denken wir impulsiv: Wann gebe ich mir endlich einen Ruck? Oder: Warum kriege ich einfach nicht den Hintern hoch? Was ist das? Viele halten solche Fragen für hilfreich. Erst beim zweiten Hinschauen erkennen und fühlen wir, dass sie bereits eine leise, aber fürs Selbstwertgefühl schädliche Abwertung enthalten. Wenn wir so etwas zu einer guten Freundin sagen würden, würde die säuerlich reagieren. Noch deutlicher wird die unbewusste, unabsichtliche und unreflektierte Selbstabwertung bei Gedanken und inneren Monologen wie: In meinem Alter krieg ich doch keinen Job mehr! Oder: Mit meiner Qualifikation ist eben kein Blumentopf zu gewinnen.
Vielleicht fällt uns das beim vorherrschend unsanften Umgangston in Gesellschaft, Familie, Arbeitsleben und Beziehung nicht mehr so auf – aber unser Selbstwertgefühl bemerkt es: Das alles sind abwertende Formulierungen. Sie schädigen unser Selbstwertgefühl und damit unsere Motivation. Wir schädigen damit (unabsichtlich) unser Selbstbewusstsein. Und das ist pures Gift – in jeder Lebenslage, aber insbesondere bei Bewerbungen. Je geringer Ihr Selbstwertgefühl ist, desto unwahrscheinlicher wird, dass Sie sich in nächster Zeit bewerben und dadurch tatsächlich verbessern.
! Wichtig
Für eine Bewerbung, die zum gewünschten Job führen soll, ist ein gewisses Maß an Selbstbewusstsein nötig.
Unser Selbstbewusstsein bauen wir jedoch unbewusst ab, indem wir uns mit Selbstvorwürfen antreiben wollen: Jetzt stell dich nicht so an und bewirb dich endlich! Manche Frauen stellen sich daraufhin tatsächlich nicht mehr so an und verändern ihre berufliche Situation. Das ist schön, kommt aber eher selten vor. Denn viele Frauen machen sich seit Monaten oder gar Jahren Selbstvorwürfe – und das nützt ihnen rein gar nichts.
! Achtung
Selbstvorwürfe funktionieren als Motivation spätestens bei der zweiten oder dritten Wiederholung. Wenn Sie sich dagegen etwas schon x-fach oder die sprichwörtlichen hunderte Male gesagt haben und es passiert immer noch zu wenig – probieren Sie eine andere Motivationstechnik.
Es gibt deren viele. Ich möchte Ihnen das Reframing empfehlen, das Umdeuten (wörtlich: etwas in einen anderen Rahmen hängen). Auch Ute nutzte es. Monatelang ging sie ihrer Clique auf die Nerven mit ihrem ewigen: »Ich komm einfach nicht in die Gänge!« Irgendwann machten sie die Freundinnen darauf aufmerksam, dass die ständige Wiederholung dessen sie auch nicht weiterbringe. Sie war entrüstet: »Aber es stimmt doch! So ist es doch tatsächlich! « Da sprach sie ein großes Wort gelassen aus.
! Wichtig
Tatsachen sind wichtig. Einstellungen sind wichtiger.
Anders ausgedrückt: Nicht die Situation an sich bestimmt, wie Sie mit ihr umgehen. Vielmehr hängt Ihr Handeln stark davon ab, wie Sie über die Situation denken und sprechen.
! Tipp
Wir können Situationen oft nicht beeinflussen, auch nicht, wie wir uns darin fühlen. Aber wir können immer ändern, wie wir über Situationen denken und reden. Und damit ändern wir letztendlich auch unsere Gefühle.
Ich fragte Ute, was sie sich in Situationen denkt, in denen sie erfolgreich in die Gänge kommt. Spontan sagte sie: »Das ist einfach. Ich denke: Das hast du doch so oder so ähnlich alles schon mal gemacht!« Das nennt man ein Reframing, eine Umdeutung: Es geht darum, einen hinderlichen Gedanken durch einen konstruktiven zu ersetzen.
Damit sind keine Hurra-Gedanken der Marke »Tschakka! Du schaffst es!« gemeint. Konstruktiv ist ein Gedanke nur dann, wenn Sie selbst ihn für glaubwürdig halten, er Ihnen entspricht und wenn er Sie Ihrem Ziel näher bringt. Also zum Beispiel nicht: Sich mit drei Kindern wieder zu bewerben – da stellt dich doch keiner ein! Sondern: Andere Mütter haben es geschafft, also schaff ich das auch. Oder Ich schreib mal zehn Bewerbungen – erst danach habe ich Grund, mich zu beklagen. Oder ganz mutig: Wer einen Haushalt führen kann, kann auch eine Abteilung führen. Welche Formulierung passt zu Ihnen?
Machen Sie sich so lange Gedanken, bis einer davon passt. Mit der Betonung auf machen: Gedanken passieren zwar oft unbewusst, aber frau kann auch ganz bewusst nachdenken. Machen Sie sich Gedanken zur Bewerbungsmotivation! Was denken Sie bislang? Und was würden Sie reframend stattdessen lieber denken?
ARBEITSHILFE ONLINE
Übung
Probieren Sie so lange Formulierungen aus, bis eine passt. Sie können das entweder ganz spontan und frei oder mit...