Funktion bedeutet im Wesentlichen Zweck. Wenn wir das Wort Funktion benutzen, meinen wir, dass etwas einen Zweck hat. Angewendet auf sportliches Training, sprechen wir von zweckgebundenem Training. Die Idee zu funktionellem Training oder funktionellen Übungen stammt ursprünglich aus der Sportmedizin. Wie so oft haben die Überlegungen und Übungen aus der Rehabilitation ihren Weg über die Physiotherapie und das Athletiktraining in den Kraftraum zurückgelegt. Der Grundgedanke: Übungen, die einen Athleten wieder gesund machen, könnten auch die besten Übungen zum Beibehalten und Verbessern der Gesundheit sein.
Seit der ersten Anwendung im Sport ist das Konzept des funktionellen Trainings von vielen Athleten und Trainern missverstanden und falsch etikettiert worden. Begriffe wie »sportartspezifisch«, die implizieren, dass bestimmte Bewegungen und Bewegungsmuster spezifisch für einzelne Sportarten wären, wurden verwendet, um die Konzepte des funktionellen Trainings zu beschreiben. Aber: Sportartspezifisches Training findet mit dem Athleten auf der Matte, der Bahn und dem Platz statt, wohingegen wir im Fitnesstraining daran arbeiten, den Sportler allgemein und in einzelnen Bereichen zu verbessern. Funktionelles Training ist deshalb eher allgemeines sportliches als sportartspezifisches Training.
Obwohl wir uns in diesem Buch auch mit den Details sportartspezifischer Anpassung beschäftigen, ist es wichtig zu verstehen, dass sich die meisten Sportarten mehr durch Ähnlichkeiten als durch Unterschiede auszeichnen. Aktionen wie sprinten, schlagen, springen und sich seitwärtsbewegen kommen in vielen Sportarten vor. Ein Sportgeneralist ist davon überzeugt, dass Schnellkrafttraining in allen Sportarten ähnlich ist. Schnell ist schnell, egal, ob wir American-Football-Spieler oder Fußballer trainieren. Das Core-Training für Golfer unterscheidet sich nicht von dem für Tennisspieler. Tatsächlich variieren Schnellkraft- und Core-Training von Sportart zu Sportart nur minimal.
Im funktionellen Training betrachten wir die Gemeinsamkeiten von Sportarten und stärken sie. In meinem Trainingszentrum haben wir bemerkenswert ähnliche Programme verwendet, um Goldmedaillengewinner sowohl im Judo als auch im Eishockey zu trainieren. Wenn Sie die Programme gesehen hätten, wäre Ihnen zuerst aufgefallen, dass sich die Programme alle ähnelten, auch wenn die Athleten völlig unterschiedlich zu sein schienen.
Drei Fragen, um funktionelles Training zu definieren
Damit wir uns dem Konzept des funktionellen Trainings annähern und es besser verstehen können, sollten wir uns zunächst ein paar einfache Fragen beantworten:
1. Wie viele Sportarten werden im Sitzen absolviert?
Soweit ich weiß, sind es nur ein paar wenige Sportarten, wie etwa Rudern. Wenn wir diese Grundvoraussetzung akzeptieren, wissen wir, dass Muskeltraining im Sitzen für die meisten Sportarten nicht funktionell wäre.
2. Wie viele Sportarten finden in starrer Umgebung statt, in der die Stabilität von außen kommt?
Die Antwort muss »keine« lauten, denn Sport findet in Stadien oder auf Spielfeldern statt. Der Athlet kümmert sich selbst um seine Stabilität, er wird nicht von außen gestützt. Angesichts dieser Tatsache kommen wir darauf, dass die meisten Trainingsmaschinen per Definition nicht funktionell sind, weil sie die Last für den Athleten stabilisieren. Befürworter des Maschinentrainings können vorbringen, dass es sicherer sei, aber es gibt eine klare Abwägung für die relative Sicherheit im Kraftraum. Zwar führt das Maschinentraining in der Theorie zu weniger Trainingsverletzungen, allerdings birgt auch der Mangel an propriozeptivem Input (interne Rückmeldungen des Körpers über Körperstellung und Bewegung) und Stabilisation die viel größere Gefahr, dass es im Wettkampf häufiger zu Verletzungen kommt.
3. Wie viele sportliche Fertigkeiten beruhen auf einer eingelenkigen isolierten Bewegung?
Die Antwort ist wieder »keine«. Funktionelles Training konzentriert sich, wenn immer es möglich ist, auf Bewegungen mehrerer Gelenke. Vern Gambetta und Gary Gray, zwei anerkannte Experten für Functional Training, sagen hierzu: »Eingelenkige Bewegungen, die einen speziellen Muskel isoliert beanspruchen, sind als unfunktionell zu bezeichnen. Funktionelle Bewegungsformen integrieren immer mehrere Muskeln und Muskelgruppen gleichzeitig.« (Gambetta und Gray, 2002, Absatz 13)
Auf der Grundlage dieser Antworten können wir uns darauf einigen, dass funktionelles Training überwiegend aus Übungen besteht, bei denen der Sportler mit beiden Füßen auf dem Boden steht und – mit wenigen Ausnahmen – nicht von einem Kraftgerät unterstützt wird. Widerstand gegen funktionelles Training kommt oft in Gestalt von Sätzen wie: »Das haben wir doch immer so gemacht.« Lee Cockrell hält in seinem Buch Creating Magic treffend dagegen: »Was aber, wenn wir es immer falsch gemacht haben?«
So funktioniert Functional Training
In grundlegender Anwendung bereitet das funktionelle Training einen Athleten auf das Ausüben seiner Sportart vor. Im Gegensatz dazu bedeutet funktionelles Training nicht, einen Athleten mit einer speziellen Sportart auf eine andere Sportart vorzubereiten. Das wäre Cross-Training. Viele akademische Krafttrainingsprogramme verwechseln die beiden und trainieren beispielsweise Basketballer, als wären sie gleichzeitig auch Powerlifter und Gewichtheber.
Andererseits finden im funktionellen Training viele Konzepte Anwendung, die zum Trainieren von Schnelligkeit, Kraft und Explosivität entwickelt wurden – mit dem Ziel, die sportliche Leistung des Athleten zu verbessern und seine Verletzungsanfälligkeit zu minimieren. Werden also Übungen aus Sportarten wie der Leichtathletik oder dem Powerlifting übernommen, so ist auf einen intelligenten Übertrag auf den Athleten zu achten, anstatt auf einen blinden Transfer von einer Sportart auf die nächste zu setzen. Ein gutes Trainingsprogramm mischt sorgsam Konzepte und Erfahrungen aus der Sportmedizin, der Physiotherapie und dem Leistungssport, um für einen bestimmten Athleten das beste Szenario zu schaffen.
Im funktionellen Training lernt der Sportler, mit seinem eigenen Körpergewicht zu arbeiten, die Übungen ähneln damit in gewisser Weise den im frühen 20. Jahrhundert populären Turnübungen. Der Trainer setzt am Anfang nur das Körpergewicht als Widerstand ein und strebt nach Haltungen, die dem Sportler einleuchten.
Funktionelles Training integriert durch einseitige und einbeinige Übungen auch Balance und Propriozeption (Körperbewusstsein) in den Trainingsprozess. Gambetta und Gray (2002, Absatz 8) stellen fest: »Funktionelle Trainingsprogramme versetzen den Athleten gewollt in eine instabile Lage. Der Sportler muss reagieren und mit gezielten Bewegungen Stabilität wiederaufbauen.«
Funktionelles Training dient der Entwicklung von Schnelligkeit, Kraft und Explosivität, um die sportliche Leistung zu verbessern und die Verletzungshäufigkeit zu reduzieren.
Die einfachste und beste Methode zum Einbringen von Instabilität ist die Aufforderung an einen Athleten, eine Übung auf einem Bein zu absolvieren. Funktionelles Training nutzt einbeinige Übungen, die das Gleichgewicht fördern, um die Muskeln so zu entwickeln, wie sie im Sport eingesetzt werden. Das simple Erzeugen von Kraft unter schwerer Last auf zwei Beinen ist für die meisten Athleten unfunktionell.
Funktionelles Training basiert auf Übungen wie Kniebeugen und Ausfallschritten sowie Zugund Drückbewegungen. Es lässt sich am besten als ein Kontinuum von Übungen beschreiben, das den Sportler lehrt, sein eigenes Körpergewicht auf allen Bewegungsebenen zu kontrollieren.
Ein letzter wichtiger Punkt: Funktionelles Training trainiert Bewegungen, nicht Muskeln. Es legt keinen Wert auf die Überentwicklung von Kraft in einer bestimmten Bewegung. Stattdessen liegt der Schwerpunkt auf dem Gleichgewicht zwischen Druck- und Zugkraft und zwischen kniedominanter (Quadrizeps, Gesäßmuskeln) und hüftdominanter Hüftstreckung (Oberschenkelrückseite, Gesäßmuskeln).
Die Wissenschaft hinter dem funktionellen Training
Wer das Konzept des funktionellen Trainings verstehen möchte, muss sich zunächst mit einem neuen Erklärungsmodell für Bewegungsabläufe befassen. Dieses wurde in den 1990er-Jahren von dem Physiotherapeuten Gary Gray in seinen Kursen über Bewegungsketten eingeführt. Gray warb um eine neue Sicht auf die Muskelfunktion, die nicht auf den hergebrachten Definitionen von Beugung, Streckung, Adduktion und Abduktion beruhte, sondern auf kinetischen Ketten und funktioneller Anatomie.
Früher lehrte uns...