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E-Book

Zum Glück

Glaube und gelingendes Leben

AutorMichael Roth
VerlagGütersloher Verlagshaus
Erscheinungsjahr2011
Seitenanzahl272 Seiten
ISBN9783641064273
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis8,99 EUR
- Eine bestechende Phänomenologie des Glücks - verständlich und unterhaltend geschrieben

Was hat die Theologie zum Glück zu sagen? Eine Frage, die sofort misstrauisch macht: Hat sie dazu überhaupt etwas zu sagen? Geht es in Glaube und Theologie nicht vor allem um Moral, um die »Freude am Gutsein« - ganz lustlos und unspaßig?

Keineswegs! Michael Roth erschließt den Glauben als einen Lebensvollzug, der den Menschen befähigt, sich im Hier und Jetzt ganz von der Wirklichkeit bestimmen zu lassen - und gerade so Glück zu erleben.

Bestechend!

Michael Roth, geb. 1968, Dr., Studium der Theologie in Tübingen und Bonn, ist seit 2007 Professor für Systematische Theologie (apl.) in Bonn.

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Leseprobe
Kapitel 7 Ist Glück möglich? (S. 148-149)

Unbestritten scheint die Einsicht zu sein, dass alle Menschen nach Glück streben. Was jedoch folgt aus dieser Einsicht für die Realisierung des menschlichen Glücks? Einige scheinen der Auffassung zu sein, dass sich aus der Einsicht in das allgemeine Streben nach Glück bereits ein »Recht auf Glück« ableiten lasse. So steht in der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung von 1776: »Wir halten folgende Wahrheiten für selbstverständlich: dass alle Menschen gleich geboren werden; dass sie von ihrem Schöpfer mit gewissen unveräußerlichen Rechten ausgestattet worden sind, darunter Leben, Freiheit und das Streben nach Glück (»pursuit of happiness«); dass zur Steigerung dieser Rechte Regierungen eingesetzt sind unter den Menschen und sie ihre rechtmäßigen Vollmachten von der Zustimmung derjenigen herleiten, die sie regieren […].«

Wird hier nur das Streben nach Glück zu den unveräußerlichen Menschenrechten gezählt, so geht in diesem Punkt die nur wenige Wochen vor der Unabhängigkeitserklärung beschlossene Verfassung des Staates Virginia ein Stück weiter: Dort heißt es, zu den angeborenen Rechten des Menschen gehöre auch das »Streben nach Glück und Sicherheit und Recht, beides zu erreichen …« Hier kann man wohl tatsächlich von einem verfassungsmäßig verbrieften Recht auf Glück sprechen.

Die von der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung in vieler Hinsicht stark inspirierte französische Erklärung der Menschenrechte von 1789 hingegen zählt zwar Freiheit, Eigentum, Sicherheit und Widerstand gegen Unterdrückung zu den unveräußerlichen Rechten, nicht aber das Streben nach Glück. Schon gar nicht ist von einem »Recht auf Glück« die Rede1. Auch Sigmund Freud steht einem »Recht auf Glück« skeptisch gegenüber: So formuliert er, dass das Programm des Strebens nach Glück »überhaupt nicht erfüllbar [ist], alle Einrichtungen des Alls widerstreben ihm; man möchte sagen, die Absicht, dass der Mensch ›glücklich‹ sei, ist im Plan der Schöpfung nicht erhalten«2. In der Tat: Aus der Einsicht, dass es zum Wesen des Menschen gehört, nach Glück zu streben, folgt keineswegs, dass das Streben nach Glück auch zu seinem Ziel kommt. Inwiefern der Mensch gar ein »Recht auf Glück« hat, bleibt gänzlich fraglich.

Nun bleibt auch hinsichtlich unserer Einsicht, dass Glück im Bestimmt-Werden erlebt wird, fraglich, ob das Streben nach Glück zu seinem Ziel kommt. Vor allem unsere Überlegungen im vorangegangenen Kapitel haben gezeigt, dass es keineswegs so selbstverständlich ist, loszulassen und von den Dingen des Daseins bestimmt zu werden. Die Angst, sich im Los-Lassen zu verlieren und mit solchen Tendenzen der Wirklichkeit mitgerissen zu werden, die uns auf eine ungute – suchtvolle – Weise bestimmen, führt zu Lebensentwürfen, die das Leben als Ganzes zu umgreifen suchen und uns damit vor den Anmutungsqualitäten der Gegenwart abschließen.

Ich werde im Weiteren der Frage nach der Möglichkeit des Glücks nachgehen, indem ich zunächst noch einmal mit einer Zusammenfassung unserer bisherigen Überlegungen einsetze.

7.1 Unterbrechung unseres Strebens – Eine Zwischenbilanz


Bereits in unseren »Beobachtungen zum Glück«, in denen wir Facetten des Phänomens in den Blick genommen haben, die uns bereits bei einem ersten – ganz unsystematischen – Nachdenken über das Glück begegneten, sind wir auf die Unverfügbarkeit des Glücks gestoßen4. Glück kommt als etwas in den Blick, das wir zwar selbstverständlich von unserem Leben verlangen, sich gleichzeitig aber unserem direkten Zugriff zu entziehen scheint.

Es scheint sich in nicht kontrollierbarer Weise »einzustellen« oder eben »auszubleiben«. Ferner zeigte dieses erste tastende Nachdenken, dass das Glück nicht nur unsere Pläne und Strategien, das größtmögliche Glück zu erreichen, durchkreuzt, sondern sich sogar gerade dann einzustellen scheint, wenn wir nicht auf der Suche nach Glück sind. Gerade daher haben wir von dem Glück als »Nebeneffekt« gesprochen5; denn ganz offenkundig erreichen wir das Glück nicht, wenn wir es zum Ziel unserer Handlungen machen.

Der weitere Gang der Überlegungen hat den Grund für die Beobachtung der Unverfügbarkeit des Glücks und seine Rolle als Nebeneffekt deutlich werden lassen: Glück stellt sich nicht ein, wenn wir das Glück als Handlungsziel haben, sondern nur dann, wenn wir Dinge tun, weil es so oder so ist, sie zu tun6. In den Situationen des Sich-bestimmt-sein-Lassens wird Glück erfahren – nur hier, und zwar das ganze Glück7! Wir haben daher jedem Versuch, das »gelingende Leben« gegen das »nur« episodische Glückserlebnis oder das »wahre« Glückserlebnis gegen das »bloße« Wohlergehen auszuspielen, eine entschiedene Absage erteilt: Wenn wir in einer einzelnen Episode Glück erleben können, dann ist das Glück in seiner Fülle tatsächlich präsent.

Und umgekehrt: Das glückliche Leben ist nie anders präsent als in dem einzelnen situativen Glück. Wir haben ein glückliches Leben, wenn wir in der Lage sind, situatives Glück zu erfahren. Diese Beobachtungen haben die Gegenwart in den Fokus unserer Aufmerksamkeit gerückt8; denn das Erleben von Glück verlangt, dass wir uns in der Gegenwart aufhalten und uns von ihr bestimmt sein lassen. Dieses Bestimmt-Werden durch die Gegenwart ist nicht zu verwechseln mit einem Sich-Verlieren in der Gegenwart, wie es uns in den unterschiedlichen Formen des Suchtverhaltens begegnet.
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