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Mundart und 'Heimat to go'. Der Dialekt als identitäts- und kulturstiftendes Medium

AutorSarah Schöbel
VerlagStudylab
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl107 Seiten
ISBN9783668483828
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis34,99 EUR
In Deutschland kommt man immer wieder mit verschiedenen Dialekten in Berührung. Aus einer außenstehenden Perspektive fallen dabei Unterschiede zwischen den verschiedenen Regionen auf, speziell im Umgang der Menschen mit ihrem Dialekt. Besonders intensiv erscheint die Beziehung der Menschen mit ihrem Dialekt in Altbayern, weshalb sich dieses Buch auf jenen Teil des dialektalen Südens Deutschlands beschränkt. Interessant ist dabei nicht nur die Nutzung des Dialekts seitens seiner Sprecher im Alltag, sondern auch dessen Bewertungen durch die Wissenschaft, Medien und 'Nicht-Sprecher' aus anderen Regionen Deutschlands. Wie wird der Dialekt von wem bewertet? Welche Assoziationen, Stereotype und Vorurteile sind mit ihm verbunden? Aber auch der soziale Aspekt spielt eine Rolle: Machen Dialektsprecher Unterschiede im Umgang mit anderen Dialektsprechern, beziehungsweise solchen, die kein Bairisch sprechen? In welchem Zusammenhang steht der Dialekt also mit sozialer In- und Exklusion? Und inwiefern spielt er eine Rolle für die Identität der Sprecher? Die Autorin konzentriert sich bis auf einzelne Abschnitte, die zur Einbettung in einen historischen Kontext notwendig sind, vor allem auf die gegenwärtige Dialektsituation in Altbayern. Insgesamt soll so ein umfassendes Bild der aktuellen Nutzung, Bewertung und Bedeutung des bairischen Dialekts innerhalb und außerhalb Bayerns gezeichnet werden. Aus dem Inhalt: - Heimat; - Identität; - Sprachbarrieren; - Bairisch in den Medien; - Dialektwirkung; - Stereotype

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Leseprobe

2 Definitionen und Historisches


 

Um an das Thema heranzuführen und dieses einzugrenzen, sollen in diesem Kapitel zunächst häufig benutzte sprachwissenschaftliche Fachbegriffe erläutert und ein kurzer Abriss über die Geschichte des Dialekts gegeben werden. Auch die Definition von „Bairisch“ und das Verbreitungsgebiet dieses Dialekts wird eine Rolle spielen.

 

2.1 Begriffserklärung: Dialekt – Umgangssprache – Standardsprache


 

Das Wort Dialekt geht zurück auf das griechische Wort dialektos (διάλεκτος) und kann sowohl mit „Unterhaltung“ als auch mit „Redeweise“ übersetzt werden[13]. In seiner ursprünglichen Bedeutung bezieht sich das Wort also noch nicht auf die Erscheinungsform regionaler Sprache. Diese kam in Deutschland erst im 16. Jahrhundert auf und wurde durch Luther gefestigt: „Es sind aber in Teutscher Spraach viel Dialecti/ unterschiedene art zu reden/ daß offt einer den anderen nit wol verstehet“[14]. Der Begriff „Mundart“ entstand etwa zeitgleich und wurde, wie auch heute noch, synonym zu „Dialekt“ verwendet[15]. Abgrenzungen oder Ersetzungsversuche der beiden Begriffe, beispielsweise durch Jacob Grimm oder erneut in der Zeit des Nationalsozialismus, konnten sich nicht durchsetzen[16]. Der Dialekt wird von Peter Wiesinger, auf dessen Definitionen ich mich stützen möchte, weiterhin unterteilt in „Basisdialekt“ und „Verkehrsdialekt“[17]. Die nächsthöheren Ebenen, sind „Umgangssprache“ und schließlich „Standardsprache“, wobei allerdings nicht von klar abgegrenzten Rändern ausgegangen werden sollte:

 

Der Basisdialekt ist ländlich stark lokal gebunden und deshalb entwicklungsgeschichtlich der konservativere Dialekt, der von der einheimischen, wenig mobilen, verkehrsmäßig hauptsächlich auf den Wohnort beschränkten Bevölkerung im alltäglichen privaten Gespräch unter Bekannten gesprochen wird und damit eine geringe kommunikative Reichweite besitzt.[18]

 

Der Verkehrsdialekt ist gegenüber dem Basisdialekt bereits regional verbreitet, indem er durch den Verkehr von den städtischen Zentren auf das umgebende Land übertragen wird und deshalb über eine größere kommunikative Reichweite verfügt. Entwicklungsgeschichtlich handelt es sich deshalb um den moderneren Dialekt, der wegen seines stadtnahen Charakters auch mehr Prestige genießt. Er wird daher von der einheimischen, aber mobilen, […] Landbevölkerung im alltäglichen, privaten bis halböffentlichem Gespräch mit Familienangehörigen und mit bekannten und unbekannten Leuten etwa gleicher sozialer Stellung [vor allem der mittleren und jüngeren Generation] gesprochen.[19]

 

Die Umgangssprache besitzt […] auf Grund der verbleibenden sekundären dialektalen Merkmale zwar noch eine deutliche regionale Bindung, verliert aber durch ihre standardsprachlichen Anteile den intimen Charakter des Dialekts. Dadurch eignet sie sich auf dem Land zum sprachlichen Umgang mit Höhergestellten, und wird vor allem in Städten […], überhaupt zur alltäglichen Sprache der mobilen mittleren und höheren Sozial- und Bildungsschichten der Geschäftsleute, Beamten usw.[20]

 

Im Objektbereich „Sprache“ bildet die Standardsprache die mündliche Realisierung der Schriftsprache. […] Die Abhängigkeit der Standardsprache von der allgemein anerkannten Schriftsprache führt überall zu ihrem öffentlichen und offiziellen Gebrauch in der Schule, in der Kirche und bei verschiedenen öffentlichen Anlässen, so daß sie von allen Systemschichten die größte kommunikative Reichweite besitzt. Ihre private und halböffentliche Verwendung ist dagegen regional und sozial sehr unterschiedlich, indem bekanntlich hierin der Norden dem Süden vorangeht und die gebildeten oberen Schichten mehr dazu neigen als die unteren.[21]

 

Es bleibt, darauf hinzuweisen, dass diese Einteilung nicht allgemeingültig ist und von vielen Sprachwissenschaftlern abweichend vorgenommen wird, auch die Anzahl der einzelnen „Stufen“ variiert dabei[22]. In dieser Arbeit werden vor allem die Begriffe „Dialekt“ und „Standardsprache“ eine Rolle spielen, wobei letzterer synonym zu „Hochdeutsch“, bzw. „Hochsprache“, verwendet werden wird.

 

2.2 Hochsprache und Dialekt – Ein historischer Überblick


 

2.2.1 Deutschland


 

Um eine sprachliche Varietät als Dialekt wahrnehmen zu können, muss ein Gegenpol, eine Hoch- oder Standardsprache bestehen. Diese entwickelte sich aus der aufkommenden Schriftlichkeit heraus. Bis zur Erfindung des Buchdrucks war auch die geschriebene Sprache stark regional geprägt, im ausgehenden Mittelalter setzte dann eine Veränderung ein: Die Bibelübersetzung Luthers wurde vor allem in den protestantischen Gebieten als Vorbild für eine neue deutsche Standardsprache genutzt. Gerade in Niederdeutschland wurde dieses Deutsch ähnlich einer Fremdsprache erlernt, da hier der Unterschied zwischen Dialekt und Hochsprache besonders groß war. Von dort aus breitete sich das neue Hochdeutsch dann über ganz Deutschland aus, was durch verschiedene Entwicklungen, wie die Einführung der allgemeinen Schulpflicht gegen Ende des 18. Jahrhunderts, sowie eine einsetzende Verstädterung und höhere Mobilität als Auswirkungen der Industrialisierung gefördert wurde. Es reichte allein aus wirtschaftlichen Gründen nicht mehr aus, sich regional verständigen zu können, die überregionale Standardsprache gewann zunehmend an Bedeutung. Zum Ende des 19. Jahrhunderts war die Entwicklung der standardisierten Schriftsprache weitgehend abgeschlossen, die Presse und im 20. Jahrhundert dann die neuen Medien Radio und Fernsehen verbreiteten diese Sprache auch in ländlichen Gebieten.

 

Die Schriftsprache wandelte sich auf diese Weise von regional zu national, die gesprochene Sprache machte hingegen eine etwas andere Entwicklung durch. Während man sich vor allem im niederdeutschen Sprachraum an der Schriftsprache orientierte, herrschte im Süden – geprägt durch das Bildungswesen der Jesuiten – noch bis ins 18. Jahrhundert hinein Latein als einzige überregionale Bildungssprache vor. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts setzte sich jedoch auch hier im Zuge der Aufklärung, verbunden mit der Idee des Nationalstaats, der mitteldeutsche Standard durch[23].

 

Als erste Anleitung zum „richtigen“ Sprechen entstand 1898 das Werk „Deutsche Bühnenaussprache“ von Theodor Siebs, angeregt durch die Forderung einer einheitlichen Aussprache der Schauspieler beim Aufführen klassischer Tragödien[24]. Später folgten das „Wörterbuch der deutschen Aussprache“ (1960) und das Aussprachewörterbuch des DUDEN-Verlags (1974)[25].

 

Eine gegenseitige Beeinflussung von Dialekt und Hochsprache erfolgte vor allem durch die Wanderungsbewegungen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, ausgelöst durch Militärdienst, Vertreibungen und Flucht. Auch die mündliche Sprache wurde zusätzlich nachhaltig durch Radio und Fernsehen beeinflusst[26]. Das Ergebnis ist bis heute eine überwiegende Diglossie, bei der jeder Sprecher sowohl einen Dialekt als auch die Standardsprache beherrscht. In welchen Fällen ein Code-Switching[27] erfolgt oder wie ausgeprägt beide Formen sind, ist regional und individuell verschieden. Dabei sollte jedoch bedacht werden, dass es sich nicht um ein bi-poliges Modell, sondern eine „Skala […] mit vielen Zwischentypen einer Zweisprachigkeit“[28] handelt. Eine komplett vereinheitlichte Standardsprache war und ist in Deutschland auch bei Berufssprechern nicht vorhanden[29].

 

2.2.2 Bayern


 

Die Entwicklung des bairischen Dialekts im Vergleich zur Hochsprache ist mit einer Art Wellenbewegung zu vergleichen. Zunächst befand sich das Bairische in einem Aufwärtstrend: Die Bajuwaren[30] wurden im Anschluss an die große Völkerwanderung sesshaft und der Sprachkontakt somit reduziert, was zu einer stärkeren Differenzierung des bairischen Dialekts gegenüber anderen führte. Auch die „admonitio generalis“ Karls des Großen von 789, in der die Nutzung der Volkssprache im kirchlichen Umfeld angeordnet wurde, verhalf dem Bairischen zu einem Aufschwung[31]. In der bäuerlichen Gesellschaft reichte ein regionsspezifischer Dialekt aus, überregionale Verständigung war nicht notwendig[32]. Ihren vorläufigen Höhepunkt erreichte die Dialektwelle im 15. Jahrhundert, als innerhalb Bayerns die Sprecher der einzelnen Dialekte aufgrund mangelnder Verstehbarkeit untereinander nicht mehr miteinander kommunizieren konnten[33]. Daraufhin setzten, wie auch für Gesamtdeutschland beschrieben, die Tendenzen zu einer standardisierten Schriftsprache ein, die sich auch auf die mündliche Sprache auswirkte. Der Dialekt brach ein, war zum Teil sogar verpönt[34]. In den späten 1970er Jahren erlebte er jedoch eine Art Renaissance und ist auch heute wieder sehr beliebt unter den Sprechern. Einen Überblick über die heutige Situation des Dialekts in Bayern gibt eine Umfrage des Instituts...

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