In diesem Kapitel wird zunächst die nationale Ebene der Fiskalpolitik (auch Finanzpolitik genannt) näher beleuchtet. Dies geschieht in drei Schritten: Zunächst wird der Haushalt eines Staates mit seinen wichtigsten Einnahme- und Ausgabekategorien näher beleuchtet. Daran schließt sich ein Abschnitt zum Thema Staatsverschuldung an, in dem unter anderem die in der Finanz- und Wirtschaftskrise immer wichtiger gewordenen Begriffe „Defizit“ und „Schuldenstandsquote“ näher beleuchtet werden. Den Abschluss bildet ein Abschnitt über die Bedeutung der nationalen Fiskalpolitik für den nationalen Gütermarkt.
2.1.1 Der Staatshaushalt
Kern des Staatshaushalts ist ein Vergleich von Staatseinnahmen (StE) und Staatsausgaben (StA).
Um die fiskalischen Möglichkeiten eines Staates zu kennen, ist es unerlässlich eine Vorstellung von einem Staatshaushalt und seinen einzelnen Ausgabenpositionen zu haben. Dies wird im vorliegenden Abschnitt geleistet, und zwar anhand der Klassifikation der Finanzstatistik des Sektors Staat, wie sie die europäische Statistikbehörde Eurostat ausweist (Eurostat 2016). Durch die Nutzung dieser Quelle sind gleichzeitig Vergleiche einzelner Positionen zwischen verschiedenen Staaten der EU möglich.
Im Kern der Betrachtung des Staatshaushalts stehen der Vergleich von Staatseinnahmen (StE) und Staatsausgaben (StA). Wenn gilt
StE = StA(1)
dann liegt ein sogenannter ausgeglichener Haushalt vor. Dies bedeutet, dass der Staat seine Ausgaben mit gleich großen Einnahmen finanziert. Typischerweise werden sich StE und StA aber unterscheiden, sodass der Staat entweder Gewinne (bei StE > StA) oder Verluste (bei StE < StA) macht. Man spricht in diesen Fällen einmal von einem fiskalischen Überschuss oder Defizit.
Auf der Einnahmenseite des Staates bestehen die Staatseinnahmen aus fünf Unterkategorien: Steuern (T), Empfangene Sozialbeiträge (SoB), Marktproduktion (MP), Vermögenseinkommen (VE) und Sonstige Erträge (SoE).
StE und StA sind aber keine homogenen Blöcke, sondern bestehen aus verschiedenen Unterpositionen. Wenden wir uns zunächst der Einnahmenseite eines Staates zu. Laut europäischer Klassifikation kann ein Staat auf fünf verschiedenen Wegen Einnahmen generieren. Diese sind:
Steuern (T)
Empfangene Sozialbeiträge (SoB)
Marktproduktion (MP)
Vermögenseinkommen (VE)
Sonstige Erträge (SoE)
Damit ist die Einnahmenseite des Staates definiert als:
StE = T + SoB + MP + VE + SoE(2)
Doch was steckt genau hinter den einzelnen Positionen und wie sehen diese im Falle der 28 Staaten der EU aus? Dies wird im Folgenden näher beschrieben, wobei wir lediglich auf die ersten vier Ausgabekategorien einen genaueren Blick werfen wollen, da es sich bei den sonstigen Erträgen, um eine Sammelkategorie von Einnahmepositionen handelt, die sich zu keiner sonstigen Einnahmegröße hinzurechnen lassen.
Die wichtigste Einnahmequelle des Staates sind seine Einnahmen durch Steuern (T). Das Wesen einer Steuer ist, dass deren Höhe einseitig vom Staat festgesetzt wird und der Zahlung keine direkte Gegenleistung gegenübersteht. Es wird zwischen den drei Steuerarten Indirekte Steuern (IT), Direkte Steuern (DT) und Kapitalertragsteuern (KT) unterschieden. Zusammen bilden die Aufkommen dieser drei Arten die gesamten Steuereinnahmen eines Staates.
T = IT + DT + KT(3)
Der Unterschied zwischen direkten und indirekten Steuern liegt darin, wer die Steuern letztendlich abführt.
Dabei besteht der wesentliche Unterschied zwischen direkten und indirekten Steuern darin, wer die Steuerschuld letztendlich an den Staat abführt. Bei direkten Steuern ist dies der Steuerschuldner selbst. Typische Beispiele hierfür sind die Einkommenssteuer oder die Körperschaftssteuer, die jeweils direkt vom Arbeitnehmer beziehungsweise dem Unternehmen zu zahlen sind. Demgegenüber werden indirekte Steuern von einem Dritten an den Staat abgeführt. Dieser Dritte überwälzt die Steuer typischerweise auf den eigentlichen Steuerschuldner. Ein Beispiel hierfür sind alle Umsatz- und Verbrauchssteuern wie zum Beispiel die Mehrwertsteuer, die Stromsteuer, die Tabaksteuer oder die Branntweinsteuer. Die Überwälzung auf den Steuerschuldner erfolgt hierbei durch einen Aufschlag auf den zu zahlenden Preis. In den europäischen Statistiken wird zudem die Kapitalertragssteuer separat ausgewiesen, obwohl es sich streng genommen um eine direkte Steuer handelt. Quantitativ ist ihr Anteil an den gesamten Steuereinnahmen aller 28 EU-Länder aber vernachlässigbar, wie Abbildung 2-1 zeigt. Demnach machten die Steuereinnahmen aus der Kapitalertragssteuer im Jahr 2016 gerade einmal rund 1 Prozent der gesamten Steuereinnahmen aus. Die verbleibenden 99 Prozent verteilen sich hingen relativ gleichmäßig auf indirekte (50 Prozent) und direkte Steuereinnahmen (49 Prozent).
Abb. 2-1 Steuereinnahmen nach Kategorien in der EU-28
Sozialbeiträge implizieren eine explizite Gegenleistung des Staates, meist zu einem späteren Zeitpunkt.
Die zweite Einnahmekategorie von Staaten spiegeln die empfangenen Sozialbeiträge (SoB) wider. Beiträge stellen deshalb eine eigene Einnahmekategorie dar, weil mit ihnen, im Gegensatz zu Steuereinnahmen, eine explizite Gegenleistung verbunden ist. So berechnet sich zum Beispiel aus der Höhe der...