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Die Inka

Geschichte und Kultur

AutorBernd Schmelz
VerlagKohlhammer Verlag
Erscheinungsjahr2013
Seitenanzahl144 Seiten
ISBN9783170234994
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis16,99 EUR
The Inca continue to fascinate us today. The book presents their unique history from its beginnings to the conquest by the Spaniards in the 16th century. The book also presents the sources and the research methods used. It provides a comprehensive insight into their state, social and religious structures as well as into everyday life and festivals. It includes the many research findings in recent years, particularly among the provinces of the Inca Empire, and makes them accessible to a wider audience. This brilliantly written and easy to understand book includes everything there is to know about the state and society, urban planning and architecture and precursor cultures.

Prof. Dr. Bernd Schmelz is Scientific Director of the Hamburg Museum of Anthropology and Professor of Latin American Studies at the University of Hamburg.

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Leseprobe

2 Geschichte der Inka


2.1 Mythologie der Inka


Die Inka pflegten wie alle anderen Völker des Andengebietes eine ausgeprägte orale Tradition. Nach ihrer eigenen Überlieferung waren sie ursprünglich nicht mehr als eine Gruppe verwandter Familien, die nach Cuzco eingewandert waren. Als mythischen Ursprungsort sahen sie Pacaritambo an, das 100 Kilometer südlich von Cuzco lag. Ihren Staat und damit ihre Macht rechneten sie nach unserer Zeitrechnung bis etwa 1200 n. Chr. zurück. Dies war für die Staatsideologie sehr wichtig, da damit eine machtvolle Entwicklung der herrschenden Dynastien demonstriert wurde. Der Ursprung wurde auf einen göttlichen Willensakt zurückgeführt und damit die Verbindung zu den Göttern hergestellt. Deshalb kommt der inkaische Mythe eine wichtige Bedeutung für Selbstverständnis und Selbstbild der Inka zu.

Ihr Mythos erzählt, dass die Sonne, die als Gott verehrt wurde, ein Paar aus dem Wasser des Titicacasees steigen ließ: Manco Capac und Mama Ocllo. Der Gott beauftragte das Paar mit einer Wanderung, um einen Ort zu finden, an dem sie ein Zentrum für ein mächtiges Reich gründen konnten. Die Sonne übergab ihnen einen Stab aus Gold, der ihnen helfen sollte, den richtigen Ort auf der Welt zu finden. Manco Capac und Mama Ocllo, die in Begleitung einer Gruppe von Gefolgsleuten waren, unternahmen einen langen Marsch nach Norden. Als sie in Pacaritambo ankamen, fanden sie eine Höhle, wo sie die Nacht verbrachten. Am nächsten Morgen ordnete Manco Capac an, den Ort zu besiedeln. Dann setzten sie ihren Weg fort und kamen zum Berg Huanacaure, im Tal von Cuzco. Dort blieb der Stab im Boden stecken, das Zeichen, das sie erwartet hatten, um ihr Reich zu gründen. Sie teilten der dortigen Bevölkerung mit, dass sie die Abgesandten ihres Vaters, der Sonne seien. Sie unterrichteten sie in der Kunst des Webens, im Maisanbau, in der Herstellung von Terrassen und Bewässerungskanälen sowie in den Geheimnissen des Kriegswesens.

Nach dieser Erzählung waren Manco Capac und Mama Ocllo die großen Kulturbringer in der Region von Cuzco. Durch die Mythe wird demonstriert, dass die ursprüngliche Bevölkerung von Cuzco durch die Inka eine Reihe von typisch andinen Kulturelementen annahm. Aus archäologischen Befunden wissen wir jedoch, dass es in dieser Region bereits vor den Inka wichtige kulturelle Entwicklungen gegeben hat. Elemente wie Architektur, landwirtschaftliche und handwerkliche Fertigkeiten sowie religiöse und weltanschauliche Vorstellungen standen bereits in viel älteren Traditionen.

Zumeist geht man davon aus, dass Mythen auf einem gewissen historischen Kern beruhen. Auch von anderen Völkern des Andengebietes wissen wir, dass sie eine ausgeprägte mündliche Überlieferung in Hinblick auf ihre Herrscherdynastien hatten. Namen und Abfolgen bedeutender Persönlichkeiten wurden oft über viele Generationen hinweg weitergegeben. Insofern kann man davon ausgehen, dass die von den Inka überlieferten Namen ihrer früheren Anführer korrekt weitergegeben wurden. Ihre Taten waren sicherlich zu deren Ruhm ausgeschmückt.

Manco Capac gilt demnach als der mythische Begründer des Inkareiches. Als Sohn des Sonnengottes, intip churin (»Sohn der Sonne«), hatte er göttlichen Status. Als Inka im eigentlichen Sinne wurden die Herrscher und ihre Nachkommen, die ihre Abstammung auf Manco Capac als mythischen Gründer der Dynastie zurückführten, bezeichnet. Mama Ocllo war die Schwester und Frau von Manco Capac. Diese familiäre und partnerschaftliche Verbindung bei den Herrschern wurde auf ein göttliches Gebot zurückgeführt. Diese Schwesternheirat bei Herrschern gab es auch bei anderen Völkern in den Anden.

Abb. 1: Der Sohn eines Inka–Herrschers prostet als Heerführer dem Gott Sonne zu. Zeichnung von Felipe Guaman Poma de Ayala.

Einige Chronisten, wie z. B. Pedro Cieza de León, Felipe Guaman Poma de Ayala und Juan Betanzos, überlieferten noch eine andere mythische Erzählung über den Ursprung der Inka. Demnach soll es in der Nähe von Cuzco, auf dem Berg Tamputoco, drei Fenster oder Höhlen gegeben haben. Aus diesen kamen drei ethnische Gruppen hervor: Die Maras, die Tampus und die Ayar. Aus einer der Höhlen, genannt Capac Toco, kamen vier Brüder: Ayar Uchu, Ayar Cachi, Ayar Auca und Ayar Manco. Sie wurden von ihren Schwestern Mama Rahua, Mama Cora oder Ipacura, Mama Huaco und Mama Ocllo begleitet. Gemeinsam begannen sie mit der Suche nach einem geeigneten Ort, wo sie sich niederlassen konnten.

Ihren Weg unterbrachen die Geschwister manchmal für eine Zeit und widmeten sich der Saat und der Ernte, bevor sie weiterzogen. Als sie sich in Guaynacancha aufhielten, wurde Mama Ocllo schwanger. Dort verblieben sie bis zur Ernte und setzten dann ihren Weg fort. Bei ihrem nächsten Halt in Tamboquiro wurde Sinchi Roca, der Sohn von Mama Ocllo und Ayar Manco geboren. Mit der Zeit entstand Neid zwischen den Brüdern und auch Furcht vor Ayar Cachi, der besondere magische Fähigkeiten entwickelt hatte. Mit Hilfe seiner Schleuder konnte er mit einem einzigen Schuss Berge umstürzen und Schluchten bilden. Die Brüder verständigten sich und baten Ayar Cachi zum Berg Tamputoco zurückzukehren, um einige Gegenstände abzuholen, die sie dort vergessen hätten. Als er dort ankam, trat er in die Höhle ein, um den Auftrag zu erfüllen. Er konnte aber nicht mehr heraus, da der Neid seiner Brüder den Eingang mit einem riesigen Stein verschlossen hatte.

Die Brüder setzten ihren Weg ohne Ayar Cachi fort und hielten am Berg Huanacaure an. Dort flog Ayar Ucho, dem Flügel gewachsen waren, zur Sonne, um eine Botschaft abzuholen. Die Anweisung war, dass Ayar Manco der Anführer der Brüder sein sollte. Bei der Ankunft auf der Erde verwandelte er sich jedoch auf dem Berg Huanacaure in einen Stein.

Die Brüder setzten ihre Suche fort und beschlossen, zwei Stäbe aus Gold zu schleudern und da wo sie stecken blieben, sollte ihr endgültiger Aufenthaltsort sein. Ein Stab blieb an einem Ort namens Huaynapata stecken. Daraufhin befahl Ayar Manco seinem Bruder Ayar Auca voranzuziehen und sich den Menschen jenes Ortes vorzustellen. Ayar Auca begann den Flug und beim Berühren der Erde von Huaynapata verwandelte er sich ebenfalls in Stein. Eine weitere Legende sagt, dass an jenem Ort später der Tempel coricancha errichtet wurde. Ayar Manco soll hart mit der Bevölkerung der Gegend gekämpft haben, bis es ihm gelang, sie zu beherrschen und endgültig Besitz von Cuzco zu nehmen.

2.2 Mythologische Erzählungen und archäologische Befunde


Die archäologische Forschung hat sich in den letzten Jahren verstärkt mit mythischen Erzählungen beschäftigt. Ziel ist es, historische Kerne herauszuarbeiten oder auch zu widerlegen. Ausgrabungen südlich von Cuzco ergaben, dass die Inka schon um das Jahr 1000 n. Chr. in dieses Gebiet eingewandert sein müssen. Frühe inkaische Keramik belegt diese Einwanderung und die Ausdehnung des Inkareiches. Kriege und Konflikte sind bisher jedoch kaum nachweisbar, so dass man eher von gegenseitigem Austausch und Handel sprechen muss. Für die Zeit um 1400 stellten die Archäologen größere Veränderungen in der Siedlungsweise und in der materiellen Kultur fest. Es ist der Beginn des sogenannten imperialen Stils der Inka.

Sehr ausgeprägt lässt sich dies anhand der Tonwaren feststellen. Die keramischen Produkte änderten sich von einer eher einfachen Machart hin zu einer hochwertigen mehrfarbigen Ware mit den für die Inka typischen Formen. Besonders bekannt wurden große Gefäße, die Amphoren gleichen. Diese, aríbalo genannt, hatten einen nach außen geschwungenem Ausguss und Griffe, die manchmal Lamaköpfen nachempfunden sind. Auch kunstvoll bemalte Holzbecher (kero) und sehr fein gearbeitete Textilien waren ab dieser Zeit besonders typisch für das kunsthandwerkliche Schaffen der Inka. Ihre Arbeiten in Ton, Metall, Holz und Stein zeugen in ihrer Klarheit und Eleganz für ein ausgeprägtes ästhetisches Gefühl.

2.3 Entstehung und Entwicklung des inkaischen Reiches


Bereits in den Quellen des 16. und 17. Jahrhunderts wird über den Ursprung des Inkareiches spekuliert. Nach Felipe Guaman Poma de Ayala liegt Cuzco dort, wo es vor den Inka eine Siedlung namens Acamama gab, zwischen dem Fluss Huatanay und dem Fluss Tullumayo. Dort hätten die Lares, die Poques und die Huallas gesiedelt. Sie hätten heftigen Widerstand gegen die inkaische Vorherrschaft geleistet. Auch andere Gruppen wie die Alcavizas, die Copalimaytas, die Ayamarcas und die Culumchimas hätten die inkaische Vormachtstellung nicht so einfach akzeptiert. In vielen Auseinandersetzungen und auch durch das geschickte Eingehen von Bündnissen setzten sich die Inka nach und nach durch. Mit der Zeit konsolidierten sich immer mehr als die Ethnie, die die Gegend um Cuzco beherrschte. Heute geht man davon aus, dass die inkaische Herrschaft in Cuzco um das Jahr 1200 begann.

Die Ausweitung des Herrschaftsgebietes war mit einer gewissen Eroberungspolitik verbunden. Die Übergänge von einfachen Raubzügen, bei denen Beute gemacht und von den Besiegten Tribut eingefordert wurde, bis hin zu einer dauerhaften Unterwerfung waren vermutlich fließend. Je größer das Herrschaftsgebiet wurde, desto aufwendiger wurden die Mechanismen der Kontrolle und Verwaltung. In diesem Stadium war es notwendig, Verwaltungsfunktion und Sicherheit sicherzustellen, der Anfang des inkaischen Staates ist daher gerade in diesen beiden Anforderungen zu sehen.

Ursprünglich waren die Inka wie ihre Nachbarn in Form eines Häuptlingstum oder Kazikentum, wie man diese politische Organisationsform in Bezug auf das Andengebiet nennt, organisiert. Ein Kazike war...

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