Einleitung
Wir leben in einer einzigartigen Zeit, in der es Tausende von Büchern auf dem Markt darüber gibt, wie wir unsere medialen Begabungen entwickeln können. In jeder größeren Stadt oder online finden wir Einrichtungen, die uns versprechen, uns in ihren Kursen übersinnliche Fähigkeiten zu vermitteln. Im Fernsehen treten bekannte Hellseher, Wahrsager oder gar »Geisterjäger« auf, und beliebte Zeitschriften und andere Medien erwecken den Eindruck, dass wir relativ leicht mediale oder intuitive Kapazitäten entfalten können. In unserer westlichen Zivilisation haben wir daraus bereits ein millionenschweres Business gemacht.
Dennoch ist es wunderbar, dass wir in diesem Zeitalter leben. Die alten despektierlichen Stereotypen wie die wahrsagende Zigeunerin oder der Hellseher als Teufelsanbeter verblassen als bestimmende Elemente unseres kulturellen Erzählmotivs, wir fühlen uns zunehmend wohler mit dem Unerklärlichen, dem Spirituellen und dem Medialen. Unsere Gesellschaft entwickelt sich mehr und mehr von einer, die auf dem Materialismus basiert (also sich darüber definiert, was man sehen, anfassen und betasten kann), hin zu einer, die gleichzeitig sowohl materialistisch orientiert ist als auch spirituelles Interesse zeigt. Viele von uns wollen sensitiver, wacher und bewusster dafür werden, was auf mehreren Ebenen in unserem Umfeld geschieht.
Aber wo bleiben da diejenigen unter uns, die gar nicht medialer werden wollen, weil sie es bereits sind und ihre empfängliche Natur vielleicht nicht verstehen oder nicht wissen, wie sie mit ihren Fähigkeiten umgehen können? Manche sehen, spüren oder fühlen möglicherweise mehr als der sogenannte Durchschnittsmensch und haben damit vor allem das Gefühl, überfordert zu sein. Unabhängig davon, ob man von Natur aus sensitiv oder medial ist oder solche Gaben erst entwickelt hat, kann es sein, dass einem das »Handwerkszeug« fehlt, um seine medialen Fähigkeiten zu verstehen und sinnvoll mit ihnen zu arbeiten. Da der primäre Fokus unserer äußerlichen Kultur darauf gerichtet ist, mediale Fähigkeiten zu erwerben, steht also jenen von uns sehr wenig Information zur Verfügung, die möglicherweise verzweifelt versuchen durchzuhalten, während sie bereits mediale und spirituelle Sensitivitäten erleben, mit denen umzugehen ihnen schwerfällt.
Diese Menschen wollen sich nicht mit ihren Fähigkeiten auseinandersetzen, oder sie leugnen sie, denn sie erleben während ihrer Kindheit, ihrer Teenagerzeit und im Erwachsenenalter starke Gefühle und machen heftige Erfahrungen. Manche sind verärgert und weisen die Tatsache von sich, dass sie mehr als andere spüren. Eventuell gehören sie einer Glaubensgemeinschaft oder einer religiösen Ausrichtung an, die Probleme mit Sensitivität und Medialität hat, oder sie sind geschockt darüber, dass sie mehr von der Welt sehen und spüren als andere. Sie suchen vielleicht nach Möglichkeiten, die Überflutung mit spirituellen Reizen zu unterbinden, sodass sie sich auf ihre »normale« Alltagsexistenz konzentrieren können. Sie suchen sich ihre Informationen nicht danach aus, ob sie dabei helfen, neue Talente zu entwickeln, sondern ob sie den Umgang mit den bereits vorhandenen Gaben erleichtern.
Viel von der breiten Palette an inzwischen angebotenen Informationen basiert auf Fehlinformationen und ist für Menschen mit medialen Fähigkeiten nicht hilfreich. Das bedeutet, dass sich viele von ihnen an niemanden wenden können und oft in einem Zustand der Überforderung, Angst und mangelhaften Alltagsbewältigung leben. Die meisten spirituellen Gemeinschaften, Hellseher- und Medienschulen und Bücher befassen sich wie gesagt mit den Möglichkeiten des Erlernens von Medialität. Es gibt nur sehr wenige Informationen für diejenigen, die ganz real mit ihrer Sensitivität und Medialität zu kämpfen haben. Stattdessen wird vor allem die Illusion verbreitet, es sei ganz wunderbar, mediale Fähigkeiten zu besitzen.
Dieses Buch wendet sich also nicht an diejenigen, die mediale Fähigkeiten erst noch erwerben wollen. Es soll vielmehr ein umfassender Leitfaden darüber sein, wie man mit medialen Fähigkeiten und Sensitivität umgeht, wenn sie sich bereits offenbart haben. Als Menschen mit einer übersinnlichen Veranlagung müssen wir nicht lernen, wie man Außersinnliches wahrnimmt. Wir müssen verstehen, was wir bereits erleben, um gesunde Grenzen für unsere Fähigkeiten zu entwickeln und zu lernen, mit unseren Kapazitäten zu arbeiten, sodass wir mediale und zugleich normal funktionierende Menschen mit einem Alltags-, Familien- und Berufsleben sein können.
Dieses Buch will Ihnen dabei helfen, das Wesen medialer Fähigkeiten zu verstehen ebenso wie die Art und Weise, in der sie sich entwickeln. Und es will Ihnen zeigen, wo auf dem Spektrum der Sensitivitäten und medialen Fähigkeiten Sie sich befinden. Vor allem aber wird es Ihnen die Grundwerkzeuge und Praktiken an die Hand geben, die es Ihnen ermöglichen werden, sinnvoll und zum Nutzen aller mit Ihren medialen Fähigkeiten umzugehen.
In welcher Form auch immer sich Ihre individuellen Gaben manifestieren – wir benötigen alle die gleichen Grundfähigkeiten, um sie zu handhaben. Ob wir nun ein wenig sensitiver sind als die durchschnittlichen Menschen oder ein hochmediales Individuum, in jedem Fall können wir lernen, wie wir in der richtigen Art und Weise auf uns achtgeben. Dieses Buch konzentriert sich auf die Kompetenzen, die benötigt werden, um mit jedweden medialen Fähigkeiten umzugehen.
Was bedeutet »seine Medialität leben«? Dafür gibt es ein breites Spektrum von Definitionen, aber meiner Meinung nach bedeutet es Folgendes: Unabhängig von unserer spirituellen Natur oder davon, wie medial oder sensitiv wir sein mögen, sind wir dafür bestimmt, das Wunder unseres physischen Körpers ganz und gar zu spüren und die Freude, die Leidenschaft und die ganze Bandbreite menschlicher Erfahrungen zu empfinden, die unser Leben für uns bereithalten kann. Selbst wenn wir die medialsten und sensitivsten Menschen der Welt sind, können wir doch lernen, unsere Fähigkeiten so einzusetzen, dass wir uns sogar in die tiefsten Alltagsniederungen und an die finstersten Orte begeben und unbeeinträchtigt daraus hervorgehen können (oder zumindest minimal beeinträchtigt und nach dieser Erfahrung mit einem Verständnis dafür, was eine angemessene Eigenfürsorge bedeutet).
Unsere Bestimmung ist es, Beziehungen, Freunde und eine Gemeinschaft zu haben. Viele sensitiv und medial veranlagte Menschen sind mit ihrer Disposition jedoch derart überfordert, dass sie sich zurückziehen aus der physischen Welt als Ort des Erdrücktwerdens, des Chaos, der komplizierten Gefühle und anderer Energien, mit denen sie sich auseinanderzusetzen haben. Das muss jedoch nicht so sein.
Manche medialen und sensitiven Menschen fixieren sich auf die Bezeichnung »sensitiv«. Sie nehmen dann an, dies bedeute, dass ihr Leben nicht die Aspekte enthalten könne, die zum Alltag »normaler« Menschen gehören. Nun mag es ja sein, dass übersinnlich Begabte in vielen Fällen einen anderen Lebensweg beschreiten als »Otto Normalverbraucher«, aber meist sind sie einfach nur ungeschult. Ihnen fehlt das richtige Verständnis ihrer wahren Natur. Sie haben nicht gelernt, wie sie in einem ausgewogenen Verhältnis angemessen für ihre Grundbedürfnisse sorgen und trotzdem ihre außergewöhnlichen Fähigkeiten einsetzen können.
Es ist so wie mit jedem Werkzeug: Je häufiger und intensiver Sie mit Ihren Fähigkeiten arbeiten, desto mehr direkte Erfahrungen sammeln Sie, die für eine Veränderung Ihres Lebens und für Ihre Interaktion mit Ihrer Sensitivität und Medialität erforderlich sind. Es ist möglich, einen Weg der Freude zu beschreiten und sich dessen gewahr zu werden, wer man auf seinen tiefsten Ebenen ist – sensitiv in einer Welt zu sein, die es in aller Regel nicht ist, und dennoch über die Fähigkeit zu verfügen, auf hohem Niveau zu funktionieren.
Warum ich dieses Buch geschrieben habe
Als ich noch jünger war, hatte ich kaum eine Vorstellung davon, was Medialität ist. Meine Familie bezeichnete mich als »künstlerisch«, meine Freunde und Erzieher als »sensibel«, während ich mich selbst als Freak betrachtete, der seine Andersartigkeit im Vergleich zu den übrigen Menschen in der Furcht verbergen musste, sie könnten herausfinden, dass mit mir irgendetwas nicht stimmte. Die Vorstellungen, die ich in jenem Alter von Medialität hatte, bestanden in einer alten, auf dem Jahrmarkt Tarotkarten legenden Frau oder in den professionellen Jenseitsmedien und Wahrsagern, wie sie in Filmen und mittlerweile in Talkshows und dergleichen dargestellt werden. Die hier präsentierten Wahrsager und Medien entsprachen nicht dem, was ich war oder sein wollte, und nur selten machte jemand von ihnen einen vertrauenswürdigen Eindruck auf mich. Aber selbst wenn ich sie als kompetent oder authentisch eingeschätzt hätte, konnte ich sie doch nicht anrufen und um Rat fragen.
An meinem ersten Tag als freiberuflich praktizierende Anbieterin von Reiki und Thai-Bodywork wurde mir schließlich klar, was mit mir »nicht stimmte«. Es war einer jener Augenblicke, in denen überdeutlich und unwiderruflich klar wird, womit man es zu tun hat. Ich hatte vorher schon bemerkt, dass ich sensitiv bin. Aber weil ich so sensitiv war, änderten sich meine Stimmung und meine Energie ständig, und ich hatte keinen Begriff davon, wer ich wirklich war. Als Resultat meiner Überforderung empfand ich mich als von meinem physischen Körper getrennt und reagierte nicht wie viele andere auf Reize wie Schmerz, Gefühle oder spirituelle Erfahrungen. Dies bedeutete, dass ich kein grundlegendes Verständnis davon hatte, wer ich war, und nie...