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Nationale Identität im Szenesport. Ziehen professionelle Snowboarder und Skateboarder ihre Szenezugehörigkeit der nationalen Identität vor?

AutorTim Vogelmann
VerlagDiplomica Verlag GmbH
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl146 Seiten
ISBN9783961460540
FormatPDF
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis29,99 EUR
Szenesportarten als informelle Sportkulturen weisen im Gegensatz zu organisierten Leistungssportarten alternative Szenewerte (Individualismus, Szeneengagement, Freiheit, Lebensstil, Abenteuer, Zusammengehörigkeitsgefühl, Flowgefühl, Rebellion) und eine alternative Organisationsstruktur auf. Die sportsoziologische Literatur erwähnt zudem, dass Szenesportler dazu neigen, ihre Szenezugehörigkeit der nationalen Identität vorzuziehen. Diese These wurde jedoch bisher nicht empirisch überprüft, was in dieser Studie am Beispiel professioneller Snowboarder und Skateboarder geschieht. Es wird der Frage nachgegangen, ob die Szenesportler als nationale Stellvertreter in Erscheinung treten wollen bzw. ob sie bei internationalen Wettkämpfen ihre Szenezugehörigkeit der nationalen Identität vorziehen. Die Beantwortung dieser Frage ist von gesellschaftlicher Relevanz, da sich ein Großteil der Jugendlichen mindestens einer Szene zugehörig fühlt. Auch politisch ist die Antwort interessant, da der deutsche Staat einerseits durch eine gezielte Spitzensportförderung innerhalb der deutschen Bevölkerung eine nationale Identitätsstiftung zu erzielen versucht; andererseits kann aus der starken Ausprägung einer nationalen Identität Nationalismus mit mitunter gefährlichen Folgen erwachsen.

Tim Vogelmann, M.A., wurde 1984 in Hamburg geboren. Sein Studium im Bereich Sportmanagement und -soziologie an der Universität Bielefeld schloss der Autor 2017 ab. Während seines Studiums sammelte der Autor umfassende Erfahrungen im Bereich der Boardsportarten (Snowboarden, Skateboarden, Surfen). So arbeitete er viele Saisons als Snowboardlehrer, Freerideguide und Freestyletrainer in der Schweiz und Österreich, bewegte sich in der indonesischen und französischen Surfszene und arbeitete zudem ehrenamtlich als Skateboardtrainer. Hierbei lernte er die Sportszenen von innen kennen, was ihn dazu motivierte, sich dem Thema des vorliegenden Buches zu widmen.

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Leseprobe
Kapitel 3 Methodik: Um das dargestellte Forschungsinteresse auf angemessene Weise bearbeiten zu können bietet sich eine qualitativ-rekonstruktive Vorgehensweise an. Denn in Abgrenzung zu standardisierten quantitativen Verfahren hat das in vorliegender Studie relevante Vorgehen nicht den Anspruch, einen möglichst hohen Grad an Repräsentativität zu gewähren, vielmehr steht eine möglichst ganzheitliche Erfassung des Gegenstandsbereichs, sowie die subjektiven Sichtweisen der Szenesportler im Vordergrund (vgl. Helfferich 2011: 21). Zudem hätte eine repräsentative Umfrage bei dem Forschungsinteresse in Bezug auf die Szenesportart Snowboard wenig Sinn gemacht, da die Grundgesamtheit (mit insgesamt erst sechs Männer bzw. zwei Frauen aus Deutschland, welche an den olympischen Spielen in einer Freestyle-Snowboard Disziplin teilgenommen haben) sehr gering ausfällt. Bei der Szenesportart Skateboard lässt sich die Grundgesamtheit an deutschen Skateboardprofis, welche für eine Teilnahme an den olympischen Spielen 2020 in Frage kämen, nur schätzen, sie dürfte bei rund 20 Fahrern liegen. Für die vorliegende Studie wurde mit drei deutschen Snowboardprofis und zwei deutschen Skateboardprofis ein leitfadengestütztes qualitatives Interview durchgeführt. Bei qualitativen Verfahren wird nach Hintergründen und Funktionsmechanismen gesucht, 'um damit zu erklären, »warum« und »wie« ein Phänomen entstanden ist und wie man es deuten und verändern kann' (Friebertshäuser 2009: 707). Anhand von rekonstruktiver Analyseverfahren werden dann neue Hypothesen und Theorien generiert (vgl. ebd.: 701). Dabei richtet sich das Erkenntnisinteresse derartiger Verfahren auf 'die Rekonstruktion von Konstruktionen [sowie] Selbst- und Weltdeutungen' der Befragten (ebd.). In Anlehnung an den symbolischen Interaktionismus wird nach Helfferich (2011: 22) davon ausgegangen, dass die soziale Wirklichkeit, 'immer schon interpretierte, gedeutete und damit interaktiv hergestellte und konstruierte Wirklichkeit' ist. Wie bereits erwähnt geht qualitative Sozialforschung davon aus, dass Menschen die Welt im Zusammenhang mit ihrer subjektiven Lebenswelt verstehen und ihr in diesem Rahmen einen Sinn geben (Helfferich 2011: 23). Nach Kleemann et al. (2013: 15) wird dabei zwischen drei forschungsrelevanten Sinnebenen unterschieden: Der subjektiv intendierte Sinn, die universal gesellschaftlichen Sinnmuster, sowie die gruppen- bzw. milieuspezifischen Deutungs- und Wissensbestände. Im Rahmen vorliegender Studie interessieren insbesondere die gruppen- bzw. milieuspezifischen Deutungs- und Wissensbestände, welche für die Szenenidenitäts- bzw. nationale Identitätskonstruktion von Bedeutung sind. Bezüglich der Forschungsfrage soll in diesem Fall das Verstehen der Szenesportler verstanden werden und versucht werden, anhand von Einzeläußerungen das zugrunde liegende 'Muster oder Konzept' zu identifizieren, da dieses wiederum Ausdruck der jeweiligen Lebenswelt ist (vgl. Helfferich 2011: 22). Helfferich bezeichnet dies als 'Verstehen zweiten Grades' (ebd.: 23). Der Zugang zu dem Sinn der Forschungssubjekte wird erlangt, da Sinn durch Kommunikationssituationen, wie bspw. qualitative Interviews, interaktiv hergestellt wird. Die Kommunikation als Rahmen zur Konstruktion von sozialem Sinn zählt zu den drei Grundprinzipien qualitativer Sozialforschung (vgl. Helfferich 2011: 24, 80). Um zu verhindern, dass der Forscher die eigenen Interpretations- und Deutungsmuster in die der Beforschten hineinprojiziert, sollte strikt dem, für qualitative Forschung unerlässlichen, Prinzip der Offenheit nachgekommen werden. Im Rahmen qualitativer Forschung sorgt (paradoxerweise), weniger Eingriff für mehr Kontrolle (vgl. Bohnsack 2010: 20). Da in vorliegender Studie Daten mittels für qualitative Forschung typischen Interviews erhoben werden, muss darauf geachtet werden, dass die Befragten das Thema in ihrer eigenen Sprache und ihrem eigenen 'Symbolsystem', sowie innerhalb ihres 'Relevanzrahmens' zum Ausdruck bringen können (Bohnsack 2010: 20). Hierbei ist es wichtig, dass der Forscher dem Interviewpartner auf 'gleicher Ebene' begegnet und von ihm akzeptiert wird, damit sich der Interviewpartner öffnen kann. Diese Vorgehensweise sollte schon beim Anschreiben der potentiellen Interviewpartner angewandt werden, da der erste Kontakt sonst vielleicht gar nicht zustande kommt. So gibt Spale (2015: 102ff.) in Bezug auf die Szenesportforschung an, dass die Nähe des Forschers zur Thematik und die Befolgung der Szenewerte wichtig ist. Wenn die Szenewerte missachtet werden oder die szenespezifischen Kenntnisse ungenügend sind, werden dem Forscher Einblicke und Zugang zum Wissen der Kernmitglieder der Szene, zu welchem die Skateboard- und Snowboardprofis gehören, verwehrt. Für den Forscher bedeutet dies, dass er eine eigene Position und Identität innerhalb der Szene mit entsprechenden Beziehungen und Kontakten zur Szeneelite bilden muss, wenn diese nicht schon vorhanden ist. Nur wenn man als Teil der Szenekultur wahrgenommen wird, kann man das Vertrauen der interviewten Experten gewinnen. Der Autor vorliegender Studie führt die untersuchten Szenesportarten selber aus. Daher wurde bei der Email Anfrage eine Bildreferenz des Forschers bei der Ausübung der Szenesportarten beigelegt. Ferner wurde bei der Interviewanfrage per facebook darauf geachtet, dass das Profilbild des Forschers diesen als Szenesportler zeigt. Ferner musste sich der Forscher seiner Szenekontakte bedienen und kontaktierte Gatekeeper, um an die Interviewpartner zu gelangen, da insbesondere die Skateboarder teilweise nicht auf die ersten Anschreiben reagierten. Das Verhalten des Forschers scheint die gewünschte Wirkung erreicht zu haben und er wurde als Szeneanhänger von den Interviewpartnern akzeptiert . Die Szenenähe des Forschers hat Vorteile, birgt aber dafür umso mehr die Schwierigkeit, sich als Interviewer im Spannungsfeld zwischen Vertrautheit und Fremdheit zu bewegen. Das heißt, dass der Forschende sein eigenes Denken und die für ihn als selbstverständlich geltende Normalität zurückstellen muss. Damit einher geht der Umgang mit dem weiteren Grundprinzip der ständigen Reflexivität der eigenen Position und des eigenen Verstehensprozesses (vgl. Helfferich 2011: 24). Neben diesen Grundprinzipien qualitativer Forschung sind eine Reihe ethischer Prinzipien zu beachten. Darunter fallen der Datenschutz, und der Umgang mit den dem Forscher anvertrauten Inhalten (vgl. Friebertshäuser 2009: 704). Für die Bearbeitung derartig qualitativ angelegter Projekte gibt es unterschiedliche Vorgehensweisen zur Datenerhebung und Datenanalyse. Folgend werden die, für die vorliegende Studie relevanten, Verfahren der Datenerhebung (Leitfadeninterview) sowie der Datenanalyse (qualitativ, deduktive Inhaltsanalyse) vorgestellt. 3.1 Datenerhebung: Um im Rahmen vorliegender Studie via Interviews Daten zu erheben, wurden, wie bereits angedeutet, im Vorfeld einige Vorbereitungen getroffen. Für die Art und Weise der Kontaktaufnahme zu einem Feld eignen sich verschiedene Methoden. Da bereits dieser Schritt, die Informanten zu gewinnen, die Auswahl des empirischen Materials mitbestimmt, wurde er schriftlich festgehalten (vgl. Wohlrab-Sahr 2008: 72f.). Im Rahmen der vorliegenden Studie wurden die Interviewpartner direkt per Email oder, wenn nicht verfügbar, per facebook angeschrieben. Teilweise wurde sich, wie bereits erwähnt, eines Gatekeepers bedient. Da die Präsentation im Rahmen des Erstkontaktes bereits die spätere Textproduktion im Interview in erstaunlicher Weise vorsteuert, wurden die Informationen für diese erste Kommunikation schriftlich vorformuliert. Inhaltlich wurden bei der Präsentation des Projektes zwar gewisse Informationen über die Interessen und Ziele des Projektes angegeben, dennoch wurden bzgl. der genauen Fragestellung nicht zu viel Informationen gegeben, da sich die Interviewpersonen sonst im Vorfeld Gedanken machen und im Interview vorgefertigte Reflexionen präsentieren könnten. Zudem wurde bereits an dieser Stelle deutlich gemacht, um was für eine Art von Interview es sich handelt, wieso ausgerechnet diese Personen geeignete Interviewpartner darstellen und was im Anschluss an das Interview mit den Daten geschieht (vgl. Kruse 2014: 258f.). Für die vorliegende Studie wurden qualitative offene Leitfadeninterviews entwickelt, deren methodologische Erstellung und Anwendung im folgenden Unterkapitel genauer erläutert werden. 3.1.1 Das Leitfadeninterview: Leitfadeninterviews gehören zu den am meisten verwendeten Interviewformen qualitativ rekonstruktiver Sozialforschung. Bei Leitfadeninterviews wird das Gespräch mittels eines Leitfadens in gewisser Weise vorstrukturiert, sodass der Interviewverlauf den vorher festgelegten Interessen des Interviewers folgt. Daher wird dieser Interviewform häufig vorgeworfen, zu wenig offen bzw. zu lenkend zu sein. Der Interviewer läuft Gefahr, nicht auf die subjektiven Relevanzsysteme des Interviewten einzugehen und dessen monologisches Rederecht ggf. zu brechen (vgl. Kruse 2014: 213f.). Innerhalb der qualitativen Sozialforschung gibt es allerdings keine Interviewform, die uneingeschränkt nicht strukturierend ist. Um diesen Vorwürfen entgegenzuwirken, ist eine gute Vorbereitung des Leitadens und der Interviewsituation obligatorisch (vgl. Helfferich 2011: 215). Hierbei spielt die Umsetzung bzw. kommunikative Grundhaltung des Interviewers eine bedeutende Rolle. Der Interviewer sollte Fragen und Stimuli so offen und erzählgenerierend wie möglich gestalten, flexibel mit dem Leitfaden umgehen, als auch sich bzw. sein Relevanzsystem möglichst in den Hintergrund verlagern. Zur Prüfung einer öffnenden bzw. erzählgenerierenden Wirkung der erstellten Leitfragen, wurde im Rahmen der vorliegenden Forschung ein Probeinterview mit einem Amateur Skateboardfahrer durchgeführt, welches zeigte, dass die Fragen durchaus erzählgenerierende Wirkung zeigten (vgl. Kruse 2014: 216).
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