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E-Book

Gelassenheit

Sich dem Strom des Lebens überlassen

AutorKurt Tepperwein
VerlagBooks on Demand
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl288 Seiten
ISBN9783743105386
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,49 EUR
Kurt Tepperwein öffnet in diesem Buch den Blick für eine größere Präsenz, nach deren Gesetzen sich das Leben richtet. Er zeigt, wie wir es schaffen, mit dem Leben zu kooperieren. Wir lernen, zu erkennen, was uns an einem sinnerfüllten Leben hindert, wie wir mit Angst und Schuldgefühlen richtig umgehen und Dinge und vor allem Personen loslassen, wenn sie uns nicht gut tun. So vermeiden wir, mit dem Kopf gegen die Wand zu rennen. Wir können mit Zuversicht die Dinge geschehen lassen und der Zukunft entgegensehen.

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Leseprobe

I. Alten Ballast abwerfen


Was hindert uns an einem sinn- und
zweckerfüllten Leben?


Durch die Gegenwart Gottes in mir,

die ich bin und die durch mich wirkt als Ich,

mache ich mir die folgenden Worte bewusst:

»Ich bin das Wissen um die rechte Absicht,

die ihren Zweck erfüllt.

Ich bin das Kunstwerk, das durch Leben

sich gestaltet.

Ich bin das Geheimnis der Schöpfung.

Ich bin das heilige Gebet auf meinen Lippen.

Ich bin die sich selbst enthüllende Offenbarung.«

In jedem Menschen liegt die tiefe Sehnsucht verankert, sein Leben mit einem höheren Sinn und Zweck zu verbinden. Gelingt ihm dies nicht, ist er frustriert und fällt in aller Regel einer mehr oder weniger starken Sucht anheim, die nichts anderes ist als ein Synonym für eine nicht vollendete Suche. So hat das neuhochdeutsche Sprachgefühl denn auch das etymologisch unklare Wort »Sucht« mit »Suche« in Verbindung gebracht.

In jedem Menschen liegt also die tiefe Sehnsucht begründet, dass sein Leben, das er Tag für Tag lebt, einen Sinn macht, dass es einem Zweck dient. Doch nur vergleichsweise wenigen gelingt es, das tägliche »Tagwerk« mit einem höheren Sinn und Zweck zu verbinden. Die meisten beschränken ihr Dasein, salopp gesprochen, auf »Futtersuche und Paarung« und ein paar wenige sinnliche Freuden. Bei jenen sinnlichen Freuden, hinter denen wir im Allgemeinen her sind, handelt es sich aber fast immer nur um reflektierende. Und doch schaffen wir diese semantische Verbindung zwischen »Sinn« und »Sinnlichkeit«.

Das Kamasutra, das indische Lehrbuch der Liebe, das bereits im 4. Jahrhundert n. Chr. von dem hinduistischen Gelehrten Vatsyayana geschrieben wurde, offenbart, dass uns unsere »Sinne« in der Tat mit unserem »Sinn« verbinden können. Dann nämlich, wenn wir unsere Sinnenverbundenheit nicht einsetzen, um uns zu »sinnessüchtigen« Konsumenten »irgendwelcher« Reize zu degradieren, sondern unser Sehen, Tasten, Fühlen, Schmecken, Riechen einem größeren Prozess weihen. Jene Reflexion, die wir eigentlich suchen und die wir auch finden können, vermittelt uns nämlich eine Referenz zu einer inneren Qualität, die es zu entwickeln gilt.

Wenn wir erkennen, dass unser Wunsch nach Süßem dem gilt, sich durch die »richtige« geistige Haltung auf die »Süße des Lebens« einzuschwingen, und das Bedürfnis nach Spiritus einer Sehnsucht nach einem Geist ganz anderer Art entspricht, dann begreifen wir auch, dass unser Wunsch nach Zärtlichkeit uns dazu ermuntern soll, zart und zärtlich(er) mit uns selbst – und den anderen – umgehen zu können. Was uns an einem sinnerfüllten Leben hindert, ist die fehlende Rückverbindung (= re-ligio[n]) zu dem, was »da draußen« geschieht, mit inneren Werten, ebenjenem »Sinn(en)zusammenhang«.

Leben wir in jenem Sinn(en)zusammenhang, wird das Äußere die Erfüllung des Inneren, so wie die Musik, die aus dem Radio tönt, Resultat einer präzisen Einstellung unseres Empfängers ist. Unerfüllte Menschen verhalten sich wie Radiohörer, die – aus welchen Gründen auch immer – nicht »den ›richtigen‹ Sender« eingestellt haben.

Der Unterschied zwischen einem sinn(en)erfüllten und einem sinnlosen Leben findet sich somit in erster Linie nicht in dem, was wir erleben. Er findet sich in unserer inneren Haltung. Ob wir als von unseren Sinnesreizen und Bedürfnissen gejagter Jäger durchs Leben hetzen oder uns die Mühe machen, durch die »richtige« innere Haltung das, was »da draußen« geschieht, mit unserem Inneren fein abzustimmen und so in Gelassenheit und Harmonie mit unserem Selbst zu leben, liegt an uns.

Unser Körper ist auch eine Art Navigationsinstrument. Mithilfe der »richtigen« Einstellung können wir jeweils die »Wellen« empfangen, die unserer inneren Ausrichtung entsprechen. Indem wir unsere geistige Einstellung mit dem Fluss des Lebens in Einklang bringen, können wir uns jeweils auf die Ströme einschwingen, die uns im Innen wie im Außen Sinn- und Zweckerfüllung bescheren. Es sind nicht die Objekte, die uns Sinn(en)erfüllung geben, sondern der Geist, der Spirit, der durch sie repräsentiert wird.

Ein Leben in Gelassenheit erleben wir frei von Sucht und Vermeidensängsten als Möglichkeit der ständigen Rückverbindung zu den eigenen Ressourcen. In letzter Konsequenz finden wir gelebte Gelassenheit in dem Jesuswort:

»Solches habe ich mit euch geredet, dass ihr in mir Frieden habet. In der Welt habt ihr Angst; aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden.«2

Doch bis dahin ist es ein längerer Weg. Zwischen einem Dasein als »gejagter Jäger« und einem selbsterfüllten und damit sinnerfüllten Leben liegt eine gewisse »Durststrecke« von »vierzig Tagen Wüste«. Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen. Licht und Schatten unseres menschlichen Daseins wollen gleichermaßen durchlebt werden – üben wir also gemeinsam.

Die Ausrichtung unserer Ambitionen auf eine erfülltere Ebene als jene der stressgeplagten »Futtersuche« ist ebendas Trachten nach dem Einen, das aber ein gewisses Verstehen des Weltengesetzes, die Chinesen nennen es »Tao«, braucht, damit unsere Ambitionen uns auch die äußere Fülle bescheren, die wir suchen.

Zwischen Sucht und Fülle liegt eine Phase des Zurücknehmens von all dem, woran wir uns gebunden haben, bei dem wir an modernen Götzen kleben, die eigentlich doch nur unerkannte und verschleierte Repräsentanten des einen Geistes hinter der Form sind.

Selbst geschaffene Fixierungen, die das freie Fließen des Lebens und damit ein sinn- und zweckerfülltes Leben behindern, können sein:

  • ganz bestimmte Menschen oder Menschentypen,
  • ganz bestimmte Zeitpunkte in unserem Leben,
  • ganz bestimmte Wohnorte oder Plätze,
  • ganz bestimmte Tätigkeiten oder Verhaltensweisen,
  • ganz bestimmte Dinge, Hilfsmittel, Instrumente.

Jede Fixierung hindert uns an einem sinn- und zweckerfüllten Leben. Wichtig ist es, sich dies bewusst zu machen, denn Selbsterkenntnis ist bekanntlich der erste Weg, etwas zu ändern.

Wenn wir nicht wissen, in welchen Fixierungen wir gefangen sind, können wir uns ganz einfach fragen: Wer oder was löst allein durch sein Dasein oder sein Nichtdasein ganz bestimmte Emotionen in uns aus?

Hierbei ist es nicht wichtig, ob die Emotionen, die durch moderne Götzen, Fixierungen und »selbst- oder fremdgeladene Objekte« ausgelöst sind, von uns als positiv oder als negativ eingestuft werden, ob sie Liebe, Hass, Ablehnung oder Freude in uns auslösen.

Um nicht an jenen Objekten zu »kleben«, sondern im Leben »gelassen« agieren zu können, müssen wir die Energie, die Ladung, die wir auf sie gelegt haben, wieder ins Fließen bringen.

Wann immer etwas bei uns starke emotionale Reaktionen auslöst, sollten wir uns bewusst machen, dass es sich um ein »selbst- oder fremdgeladenes Objekt« handelt, eine Art »Tretmine«, die wir zu entschärfen haben. Wie aber lösen wir die Ladung von diesen Objekten wieder auf? Nun, am besten geht dies in der betreffenden Situation selbst.

Übung: In eine »geladene Situation« gehen

Gehen Sie in Ihrer Vorstellung bewusst in eine Situation, die für Sie geladen ist, die Begegnung mit einem Menschen, einem Ort, einer Verhaltensweise, aber nur so weit, wie Sie es gut verkraften können. Seien Sie in der Situation. Spüren Sie die Emotionen, die diese Sinnesempfindungen in Ihnen auslösen, den Klang, den Geruch, das, was Sie sehen, riechen, schmecken, fühlen.

Und dann halten Sie inne. Spüren Sie in sich hinein. Erleben Sie, wie Ihr Körper-Energie-System zu dem, was Sie erfahren, »resoniert«. Dehnen Sie sich in dieser Erfahrung aus. Erleben Sie diese Reaktion Ihres Körpers isoliert von Ihrer äußeren Erfahrung, so wie ein Wissenschaftler oder ein Zeuge eines Vorfalls die Sache beschreiben würde. Damit distanzieren Sie sich von dem Erlebten, und die »Ladung« kann sich auflösen. Sie haben sich ein Stück Gelassenheit zurückerobert.

Durch Zurücknahme der Ladungen und »Zeugesein« können Sie sich im Alltag mehr und mehr Freiheit erobern, wobei es für dieses Verfahren keine Rolle spielt, ob die »Ladungen«, die Sie angesichts der Menschen, Orte, Situationen erleben, durch Sie selbst oder von außen gekommen waren.

Der große Philosoph Sokrates (470–399 v. Chr.) ist ein Beispiel für die perfektionierte Fähigkeit des »Zeugeseins«. Er ward angeklagt, weil er die Götter des Staatskults nicht anerkenne, neue Gottheiten einführen wolle und die Jugend...

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