III BIOGRAPHIE
DAS LEBEN DES HEILIGEN BRUDER KONRAD VON PARZHAM
Pfarrer Hans Striedl schreibt, der Steckbrief des Bruder Konrad sei enttäuschend einfach.48 Für den postmodernen Karrieremenschen mag das geradlinig verlaufene Leben des Kapuziners in der Tat unspektakulär klingen, vor allem im Hinblick auf die Frage, was er denn in seinem Leben „geleistet“ habe. Die Fakten und Erzählungen über diesen doch außergewöhnlichen Menschen können helfen, ihn näher kennenzulernen.
1 Familie Birndorfer
Drei Tage vor dem Weihnachtsfest im Jahr 1818 kam auf dem Venushof zu Parzham kurz nach Mitternacht ein Junge zur Welt. Noch am selben Tag wurde er in der Pfarrkirche St. Wolfgang von Pfarrer Josef Lind getauft.49 Der Eintrag im Taufbuch von St. Wolfgang lautet: „Johann Evangelist, lebendgeboren; Hebamme Katharina Haas; Vater Bartholomäus Birndorfer, Bauer, kath., auf dem Venussengut zu Parzham; Mutter Gertraud Niedermayerinn, dessen Eheweib; geboren 22. Dezember 12 Uhr nachts, getauft eodem die 9 Uhr früh in Wolfgang von Josef Lind (Pfarrer); Pate Johann Hofer, Bauer auf dem Pfandlgut zu Aicha, Karpfham.“50
Die Birndorfer (Pierndorffer, Pyrndorffer, Pürndorffer), zu deren Geschlecht Johann zählt, sind frühestens 1379 als Rottaler Geschlecht bezeugt.51 Sie gehörten bis 1704 zum mittelalterlichen Bauernadel, der seinen Stammsitz in Birndorf (Pfarrei Karpfham) hatte.52 Bis heute ist diese Familie nicht ausgestorben.
Georg Birndorfer, aus einer Sägemühle in Bayerbach stammend, heiratete 1767 Barbara Venus vom Venushof in Parzham, wo das Paar sein Leben lang den Hof bewirtschaftete. Auf diese Weise kam der Name „Birndorfer“ auf das Gut und wurde weitergegeben durch Bartholomäus, den Sohn der beiden. Er heiratete als 26jähriger die fünf Jahre jüngere Gertraud Niedermayer aus dem nahegelegenen Kindlbach. Ihre beiden Großmütter waren Schwestern gewesen, sodass für die Hochzeit am 24. Juli 1800 der kirchliche Dispens erforderlich war.53 Als Traupriester wirkte Vikar Thomas Zängl, als Trauzeuge der Schulmeister Nachreiner.54
Am 22. Dezember 1818 brachte Gertraud nun ihr elftes Kind zur Welt.55 Von den zehn Geschwistern, die Johann demnach hätte haben müssen, waren vier bereits im Kindesalter gestorben. Es waren dies das zweite Kind Josef und das dritte Kind Gertraud, die beide im Alter von drei Monaten verstarben. Georg und Gertraud (fünftes und achtes Kind) lebten ebenfalls nur einige Monate.
Ein Stammbaum56 kann einen Überblick über die Familienverhältnisse verschaffen:
- Maria (1800 - 1858)
- Josef (1801 - 1802)
- Gertraud (gest. 1803 im Alter von 2 Monaten)
- Josef (1804 - 1863)
- Georg (gest. 1805 im Alter von 4 Monaten)
- Theresia (1806 - 1893)
- Bartholomäus (1808 - 1854)
- Gertraud (gest. 1809 im Alter von 2 Monaten)
- Gertraud (1812 - 1885)
- Georg (1815 - 1892)
- Johann Evangelist (1818 - 1894)
- Anna (1820 - 1875)
Maria, die Erstgeborene erblickte am 7. Dezember 1800 das Licht der Welt. Sie heiratete 1836 Johann Eichinger. Bis 1911 waren ihre Nachkommen in Besitz des Venushofes. Ihr Bruder Josef wurde 59 Jahre alt (21. Februar 1804 - 23. März 1863). Die zweite Tochter, Theresia, starb nur ein Jahr vor Bruder Konrad. Bartholomäus erlebte die Jahre zwischen 1808 und 1854. Vor Johann kamen noch Gertraud (3. Dezember 1812 - 8. April 1885) und Georg (4. April 1815 - 27. März 1892). Das zwölfte und letzte Kind war Anna. Sie starb kurz vor ihrem 55. Geburtstag.57
Die zehnköpfige Familie samt ihren Knechten und Mägden sei „eine Hochburg wahrer Gottesfurcht und Frömmigkeit, Arbeitsamkeit und Nüchternheit“58 gewesen, ja ein „Heiligtum echten christlichen Familienlebens“59. Ein Zeugnis dafür ist die Wallfahrt der Mutter 1803 nach Maria Hilf in Passau.60 Nach zwei Fehlgeburten wandte sich die Frau um Hilfe an die Mutter Gottes, wie es ihr Pfarrer Thomas Zängl von St. Wofgang empfohlen hatte.
Wie es damals Sitte war, betete die Familie dreimal täglich den „Engel des Herrn“, auch draußen auf dem Feld und abends kniend. Vom 29. September (Michaelitag) bis Ostern betete man jeden Samstagabend einen Rosenkranz;61 an den letzten Tagen der Karwoche täglich sogar drei.62 Sowohl gemeinsames, als auch privates Gebet gehörte ganz selbstverständlich zum Alltag.
Aber auch die tätige Nächstenliebe war der Familie ein Anliegen. An die Haustüre klopfende Notleidende und Handwerksburschen versah man mit Gaben, nicht ohne allerdings zuerst ein Vaterunser zu erbitten.63 Eben diese Tätigkeit führte später der Birndorfer Hansl im Kloster in Altötting 41 Jahre lang mit Ausdauer und Hingabe aus.
Ein Knecht der Familie Birndorfer bestätigte, dass im ganzen Bezirk keine derartige Familie zu finden sei, „... so fromm und zurückgezogen und friedlich“.64 Diese Atmosphäre konnte nicht allein der Grund für Johanns außerordentliche Religiosität gewesen sein, denn wie Winklhofer richtig bemerkt, wuchs auch seine jüngere Schwester Anna in diesem Milieu auf, erreichte aber nicht die Heiligkeit des Bruders.65
2 Kindheit
Als 5jähriger besuchte Johann zum ersten Mal mit seinem Vater das Kapuzinerkloster in Altötting. Der Bauer und seine Frau hatten beschlossen, den Mönchen eine Fuhre Mehl und Fleisch zu bringen. Sogleich nutzte der kleine Junge die Gelegenheit, vor der Muttergottesstatue zu beten. Zum Andenken erhielt er vom Guardian des Klosters einen Rosenkranz, den er Zeit seines Lebens in Ehren hielt.66
Sowohl von außen durch sein Elternhaus als auch von innen durch sein eigenes Bedürfnis gewöhnte er sich früh an, zu beten. Dabei kehrte er im Juni 1824 von einer Nachmittagsandacht in St. Wolfgang bis zum Abend nicht nach Hause zurück. Die anderen Kinder, mit denen er aufgebrochen war, waren längst wieder bei ihren Familien. Besorgt machten sich die Eltern auf die Suche nach ihrem Sohn. Da er manchmal nach den Gottesdiensten noch länger in der Kirche blieb, um alleine zu beten, hofften sie, ihn in der Pfarrkirche zu finden. Diese Vermutung bestätigte sich nicht. In der Holzkapelle bei Birnbach entdeckte die Mutter dann den Jungen. Er war beim Beten eingeschlafen und erzählte ihr nun von einem wundersamen Traum, in dem die Mutter Gottes ihm goldene Äpfel zu essen gegeben hätte.67
Eine augenfällige Parallele ergibt sich hier mit den Augenzeugenberichten späterer Jahre. Nikolaus Hartwanger besuchte als 16jähriger Student 1862 den Fünf-Uhr-Gottesdienst in der Gnadenkapelle. Wie immer ministrierte Bruder Konrad. Im Seligsprechungsprozess berichtete der spätere Redemptoristenbruder: „Auf einmal beobachtete ich, wie die Glut seiner inneren Andacht nach außen sich offenbarte, feurig glänzende Kugeln stiegen aus seinem Munde zum Gnadenbilde empor. Das sah ich mehrere Male. Einmal sah ich den Diener Gottes in einem glänzenden Nebelschleier gehüllt. Aus seinem Munde flogen feurige, glänzende Funken aufwärts.“68 Diese außergewöhnliche Erscheinung bezeugten mehrere Menschen. Ein Kapuzinerpater, der Bruder Konrad nicht kannte, eine „gottesfürchtige Jungfrau“69, die in den Jahren 1879 und 1880 ebenfalls drei bzw. fünf goldene, feurige Kugeln zum Gnadenbild emporsteigen sah.70
Ab 1825 musste Johann zur Schule. In Weng, zu Fuß etwa eine halbe Stunde von Parzham entfernt, unterrichtete ihn Franz Xaver Nachreiner, der Trauzeuge seiner Eltern, der ihm auch bestätigen konnte, er habe „in allen Fächern einen rühmlichen Fortgang genommen.“71 Der Unterricht fand im Mesnerhaus statt.
Auf dem Weg dorthin betete Johann den Rosenkranz. Seine Schulkameraden folgten seinem Beispiel, so dass berichtet wird, die Leute aus dem Dorf hätten öfters eine kleine Kinderprozession beobachten können.72 Zwistigkeiten unter den Kindern konnte er nicht ertragen, so versuchte er bei solchen Gelegenheiten stets zu schlichten. Gelang ihm dies nicht, mied er die Streitenden.73 Flüche aus dem Mund seiner Kameraden trafen seine Liebe zu Gott derartig, dass er niederkniete und Gott um
Vergebung für die Sünde bat.74 Nicht oft war dies der Fall, denn in seiner Gegenwart zeigten sich die Menschen von ihrer besten Seite und wagten kaum, Gott zu lästern.75
Schon zu dieser Zeit erahnten die Menschen die Besonderheit des kleinen Jungen. Manche behaupteten: „Der Birndorfer Hansl ist ein Engel“, während andere schon zu dieser Zeit munkelten, er werde bestimmt ein Heiliger.76 Auffallend ist, dass er von Kindesbeinen an die Stille und Zurückgezogenheit suchte und sich eher als...