2 Entwicklung und Implementierung von Kompetenzmanagementsystemen
In der Online-Druckerei »Druckfrisch« hat die Geschäftsführung Interesse an der Entwicklung und Implementierung eines Kompetenzmanagements bekundet. Nach Lektüre und entsprechender Beratung wird zunächst der klassische Ansatz skizziert: Aus der Strategie wird ein Kompetenzmodell erarbeitet, um dann sukzessive einzelne Instrumente des Personalmanagements aufzubauen und zudem ein eigenes IT-Instrument zu etablieren, welches die Kompetenzen erfassen und dokumentieren kann. Schnell wird klar, dass die vorhandenen Ressourcen an Zeit und Personal in der Druckerei hierfür nicht ausreichen. Auch kann sich die Geschäftsführung schwer vorstellen, noch so lange auf erste Ergebnisse zu warten. Dennoch besteht der Anspruch die Kompetenzentwicklung nicht wie bislang v. a. dem Zufall zu überlassen. Welche Alternative bietet sich zum klassischen Ansatz?
Ziel des Kapitels ist es, das Vorgehen bei der Entwicklung und Implementierung von Kompetenzmanagementsystemen darzustellen. Dabei wird zunächst der klassische Ansatz dargestellt und kritisch vor dem Hintergrund der Anforderungen in dynamischen Arbeitswelten diskutiert. Schließlich werden alternative, agile Vorgehensweisen bei der Entwicklung und Implementierung beschrieben.
2.1 Der klassische Ansatz: Kompetenzmanagement als Top-Down-Entwicklung
Der klassische Ansatz betont die strategische Ausrichtung des Kompetenzmanagements, Organisationsstrategie und Personalmanagement zu verknüpfen (Campion et al., 2011; Sanchez & Levine, 2012; Stevens, 2013). Gerade in kleineren und mittleren Organisationen existiert oft gar keine institutionalisierte Verankerung. Das heißt Kompetenzentwickung erfolgt nebenher. Doch auch dann, wenn die Kompetenzentwicklung durch eine institutionalisierte Personalabteilung gesteuert wird, kann es sein, dass die Kompetenzentwicklung zu wenig an den strategischen Bedarfen ausgerichtet ist. Maßnahmen der Kompetenzentwicklung wie Trainings berücksichtigen zum Beispiel zu wenig zukünftige für die Organisation relevante Anforderungen. Der Ansatz des Kompetenzmanagements umfasst eine Orientierung an den strategischen Bedarfen. Damit wertet der Ansatz des Kompetenzmanagements gleichzeitig die Arbeit des Personalmanagements deutlich auf (Kauffeld, 2016). Personalabteilungen werden zu strategischen Partnern der Geschäftsführung und beschränken sich nicht länger auf administrative Abwicklung und das Vorhalten von Seminarangeboten.
Der klassische Ansatz ist in Abbildung 3 dargestellt. Ausgangspunkt des klassischen Ansatzes ( Abb. 3) ist der organisationale Kontext. Dies umfasst Außenanforderungen wie Trends im (Branchen-)Umfeld der Organisation sowie innere Faktoren wie die eigenen bestehenden Kernkompetenzen und die Organisationskultur. Kernkompetenzen stellen dabei bestehende Kompetenzen auf organisationaler Ebene dar, die möglichst ein Alleinstellungsmerkmal einen und einen Wettbewerbsvorteil ausmachen (Prahalad & Hamel, 1990). Die Organisationskultur umfasst u. a. Werte, die in der Organisation handlungsleitend sind. Trends, Kernkompetenzen und Organisationskultur prägen die Organisationsstrategie. Aus der Organisationsstrategie wird ein Kompetenzmodell abgeleitet. Das Kompetenzmodell beschreibt dann gegenwärtige und zukünftige Anforderungen. Es liefert eine gemeinsame Sprache und Bezugssystem von Anforderungen. Aufbauend auf
Abb. 3: Struktur des klassischen Kompetenzmanagements in Anlehnung an Kauffeld (2014)
dem Kompetenzmodell werden HR-Prozesse entwickelt und systematisiert. Es werden verschiedene Prozesse vom Personalmarketing, über Personalauswahl, Personalentwicklung und Laufbahngestaltung bis hin zur Nachfolgeplanung verknüpft.
Darauf aufbauend lassen sich dann z. B. durch geeignete Marketingmaßnahmen genau die Kompetenzen adressieren, die potenzielle Beschäftigte benötigen. Auswahlverfahren fokussieren auf besonders dringend benötigte Kompetenzanforderungen. Onboardingkonzepte zur Integration neuer Beschäftigter umfassen eine Definition, welche Kompetenzen in welchen Formaten bei neuen Beschäftigten wann und wie entwickelt werden sollten. Laufbahnmodelle enthalten eine Beschreibung, welche Kompetenzen für welche Laufbahnen benötigt werden und wie sie entwickelt werden können. Die Nachfolgeplanung basiert auf Kompetenzerfassung und -entwicklung. Es wird überprüft, welche Kompetenzen mit dem Ausscheiden von Beschäftigten kompensiert werden müssen, welche Beschäftigten bereits Kompetenzen haben und wer sich für wen als Nachfolge eignet. Die Idee hinter dieser Verzahnung von Personalinstrumenten ist es, Insellösungen zu vermeiden und alles aus einem »Guss« anzubieten.
Diese horizontale Verknüpfung zwischen verschiedenen Personalinstrumenten ist neben der vertikalen Verknüpfung von Strategie und Kompetenzmodell ein weiteres zentrales Merkmal des Kompetenzmanagements. Diese zwei zentralen Verknüpfungen ergänzen Audenaert et al. (2014) um zwei weitere und unterscheiden so vier erfolgskritische Verknüpfungsarten:
1. Vertical alignment bezeichnet die Verknüpfung von Organisationsstrategie und Kompetenzmodell.
2. Internal alignment bezeichnet die Verknüpfung verschiedener Personalinstrumente.
3. Alignment of line managers bezeichnet die Verknüpfung des organisationalen Kompetenzmanagements mit den Interessen und Zielen der Führungskräfte, die das Kompetenzmanagement umsetzen und unterstützen sollen
4. Perceived Alignment of employees bezeichnet die Verknüpfung zwischen dem organisationalen Kompetenzmanagement sowie den Interessen und Zielen der Beschäftigten.
Diese Erweiterung lenkt den Blick vor allem auf Nutzerinnen und Nutzer in der Anwendung. Führungskräfte als Akteure der Kompetenzentwicklung und Beschäftigte als diejenigen, die sich entwickeln. Tatsächlich zeigt sich in zwei Studien, dass Beschäftigte eher davon profitieren, wenn sie dem Kompetenzmanagement eine persönliche und strategische Relevanz zuschreiben (Redmond, 2013; Serim, Demirbağ & Yozgat, 2014). Entwicklungs- und Implementierungsstrategien des klassischen Kompetenzmanagements sehen entsprechend auch eine Beteiligung von Führungskräften und Beschäftigten vor (Campion et al., 2011).
2.2 Entwicklung und Implementierung von klassischen Kompetenzmanagementsystemen
Im Ansatz des klassischen Kompetenzmanagements hat das Kompetenzmodell einen zentralen Stellenwert. Es verknüpft die Strategie mit den HR-Prozessen und verknüpft einzelne HR-Systeme. Die Entwicklung eines klassischen Kompetenzmanagements umfasst im Wesentlichen drei Schritte.
1. Ableitung eines Kompetenzmodelles aus der Organisationsstrategie: Aus der Strategie werden Anforderungen abgeleitet und in einem Kompetenzmodell systematisiert. Betont wird das Top-Down-Vorgehen. Best-Practice-Empfehlungen zum Kompetenzmanagement geben Hinweise wie bei der Entwicklung von organisationsspezifischen Kompetenzmodellen verfahren wird (Campion et al., 2011, Kasten 9).
Kasten 9: Entwicklung eines organisationsspezifischen Kompetenzmodells
Im klassischen Ansatz spielt die Entwicklung eines mit der Organisationsstrategie verknüpften organisationsspezifischen Kompetenzmanagements eine zentrale Rolle. Nach Campion et al. (2011) lassen sich bei der Entwicklung von Kompetenzmodellen neben einer Verküpfung mit der Organisationsstrategie folgende übergeordnete Best Practice-Empfehlungen zur Analyse von Kompetenzmodellen treffen:
• Den organisationalen Kontext berücksichtigen: Trends im Branchenumfeld sowie die Organisationskultur und Kernkompetenzen beeinflussen, welche Kompetenzanforderungen zu stellen sind.
• Zukünftige Anforderungen berücksichtigen: Kompetenzmodelle beschränken sich nicht auf die gegenwärtigen Anforderungen, sondern fokussieren auch zukünftige Anforderungen.
• Beim Top-Management beginnen: Um strategische Ausrichtung sicherzustellen und zukünftige Anforderungen zu erfassen, beginnt die Erstellung von Kompetenzenmodellen idealerweise beim Top-Management. Das heißt, das Top-Management wird involviert, um die strategischen Aspekte zu identifizieren.
• Methoden der Arbeits- und Anforderungsanalysen anwenden: Oft werden in der Praxis Kompetenzmodelle sehr »hand-ons« entwickelt. Das Zurückgreifen auf multiple Datenquellen wie Beobachtungen, Interviews, strukturierte Workshops und Befragungen kann die Qualität von Kompetenzmodelllen steigern.
• Spezifische...