Erfolgsfaktoren der Teamarbeit
Der 2013 verstorbene Teamforscher Richard Hackman ging davon aus, dass es für die Teamforschung wichtiger sei, über die Bedingungen statt über die Ursachen des Erfolgs nachzudenken (vgl. Hackman 2005, S. 123). Dadurch werden Teams nicht nur von einem anderen, weniger mechanistischen Blickwinkel aus betrachtet, sondern es kommt zu einer Änderung des Denkens über Teams, das zwangsläufig bescheidener werden muss und der Einmaligkeit spezifischer Teamkonstellationen Rechnung zu tragen hat. Es geht demnach nicht – wie es die Erfolgsfaktorenforschung in den letzten Jahrzehnten vorrangig betrieben hat – darum, diverse singuläre Kausalitäten aufzudecken; sondern darum, teamübergreifend wirksame Bedingungen zu identifizieren, die Erfolge wahrscheinlicher werden lassen. Hackmans grundlegende Idee war, dass sich in jedem Team auf dynamische Weise spezielle Arbeitsbedingungen herauskristallisieren, die ihm seinen Stempel aufdrücken und es auf seine Art einmalig machen. Das Verhalten und die Leistung der Beteiligten werden durch diese Bedingungen in starkem Maße geprägt – auch ohne dass dies den Teammitgliedern immer voll bewusst wäre (vgl. Hackman 2012, S. 435).
Somit zeigt sich, dass es keine universale Erfolgsformel für Teamarbeit gibt, auch wenn natürlich immer wieder Versuche unternommen werden, Teams auf einige zentrale Erfolgsfaktoren zu reduzieren. Ein Beispiel liefert die ohne Zweifel inspirierende Studie von Google ( Infobox »Googles Aristoteles-Projekt«).
Infobox »Googles Aristoteles-Projekt: Die Suche nach dem perfekten Team«
2012 begann Google mit dem internen Forschungsprojekt namens Aristoteles (in Anlehnung an dessen Ausspruch »Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile«). Mit diesem Projekt sollte herausgefunden werden, was wirklich gut funktionierende und erfolgreiche Teams ausmacht (vgl. zum Folgenden Duhigg 2016; O.V. 2017). Zunächst wurden Teamstudien der letzten 50 Jahre eingehend analysiert, die Google über die ideale Zusammensetzung von Teams nachdenken ließ, und es wurde gefragt: Sollten Teammitglieder eher extravertiert oder schüchtern sein? Sollten sie ähnliche Ausbildungen und Hobbies haben? Wie lange sollten sie zusammenarbeiten? Was ist das ideale Geschlechterverhältnis? Sorgen überlappende Mitgliedschaften in unterschiedlichen Teams für herausragende Ergebnisse?
Daneben wurden 180 unternehmens- bzw. weltweit eingesetzte Teams untersucht (115 Projektteams im Softwareentwicklungs- und 65 Teams im Vertriebsbereich) – sowohl erfolgreiche als auch weniger erfolgreiche Teams. Außerdem wurden hunderte anonymisierte Interviews mit Teamleitern geführt und Ergebnisse jährlicher Mitarbeiterbefragungen ausgewertet, um ein besseres Verständnis für Faktoren und Bedingungen zu erlangen, die ausschlaggebend für Teameffektivität sind (z. B. Wie hierarchisch sollte ein Team sein? Sollten Konflikte vermieden oder offen ausdiskutiert werden?).
Die Überzeugung im Management war zunächst die, dass die Teams mit den besten Mitarbeitern auch immer die leistungsfähigsten Teams sein müssten. Diese These konnte jedoch nicht bestätigt werden, wobei – das sollte hier einschränkend ergänzt werden – davon auszugehen ist, dass bei Google aufgrund der ausgefeilten Auswahlverfahren und der hohen Arbeitgeberattraktivität ohnedies kaum Minderleister anzutreffen sein dürften.
Das Ergebnis all dieser intensiven Datensammlungen und -auswertungen war zunächst eher frustrierend: Es konnten keine eindeutigen Muster identifiziert werden bzw. – was noch schlimmer war – es wurden viel zu viele Erfolgsmuster entdeckt. Einige der erfolgreichsten Teams bestanden aus Freunden, andere aus einander völlig fremden Personen. Einige Teams besaßen eine starke Führung, andere waren wenig hierarchisch aufgestellt. Einige Teams arbeiteten auf engem Raum zusammen, andere operierten über mehrere Standorte hinweg. Und umgekehrt: Selbst nahezu identische Grundbedingungen führten oft zu höchst unterschiedlichen Ergebnissen.
Den Schlüssel fand man schließlich in sozialpsychologischen Erklärungen, die vor allem die Bedeutung informell geltender Gruppennormen ins Zentrum rücken. Es war hierbei vor allem der teamkulturelle Wert der psychologischen Sicherheit, der darüber entschied, ob Teams erfolgreich oder weniger erfolgreich waren. Das zahlen- und datengetriebene Unternehmen Google kam also zu einer paradoxen, für Managementforscher aber durchaus bekannten Einsicht: »In the best teams, members listen to one another and show sensitivity to feelings and needs (…) Google, in other words, in its race to build the perfect team, has perhaps unintentionally demonstrated the usefulness of imperfection« (Duhigg 2016).
Das Aristoteles-Projekt kam im Ergebnis zu folgenden Erfolgsbedingungen (vgl. O.V. 2017):
• Psychologische Sicherheit (psychological safety): Teammitglieder fühlen sich sicher, Risiken einzugehen und anderen gegenüber auch ihre verletzliche Seite zu zeigen.
• Zuverlässigkeit (dependability): Teammitglieder erledigen Aufgaben fristgerecht und entsprechen Googles Erwartungen an Leistungsexzellenz.
• Struktur und Klarheit (structure and clarity): Teammitglieder haben eindeutige Rollen, Pläne und Ziele. Individuelle und teambezogene Ziele sind spezifiziert, herausfordernd, aber erreichbar. Jeder akzeptiert die hohen Erwartungen in seinem jeweiligen Arbeitsbereich.
• Sinn (meaning): Die Bedeutung der eigenen Aufgabe bzw. des Teamergebnisses ist jedem Mitarbeiter klar, wobei sich der persönliche Sinn in der Arbeit aus unterschiedlichen Quellen speisen kann.
• Einfluss (impact): Teammitglieder sind davon überzeugt, dass ihre Arbeit wichtig ist und zu Veränderungen führt, d. h. letztlich zur organisationalen Zielerreichung beiträgt.
Als weniger bedeutsam wurden in dieser Studie die räumliche Zusammenführung der Mitarbeiter an einem Ort, konsensgetriebene Diskussionen, individuelle Leistungsfähigkeit der Teammitglieder, Alter, Teamgröße und Dauer der Zusammenarbeit erkannt. Hierbei ist allerdings nochmals kritisch einzuwenden, dass wir bei Google allgemein von einem Leistungsniveau sprechen, das weit über der Norm liegt. Die von Google als vernachlässigbar bezeichneten Faktoren können unter anderen Bedingungen sehr wohl von Bedeutung sein.
Für Forscher und Praktiker bleibt die Suche nach dem jeweiligen Erfolgsgeheimnis effektiver Teams eine nie endende, dadurch aber auch spannend bleibende Herausforderung. Zwar existiert in jedem Team eine überschaubare Anzahl an Grundbedingungen, die letztlich für den Erfolg verantwortlich zeichnen, doch wie genau diese Grundbedingungen mit Leben gefüllt und dadurch wirksam werden, ist von Einzelfall zu Einzelfall verschieden. Dies herauszufinden ist sowohl eine Aufgabe der Teamführung als auch des gesamten Teams.
Nachfolgend geht es um diese wichtigen Faktoren erfolgreicher Teamarbeit. Dazu zählen zuvorderst die operative Steuerung eines Teams sowie dessen Versorgung mit wichtigen Informationen. Man könnte hier von Teammanagement im engeren Sinne sprechen. »Führung« findet aber auch bereits im Vorfeld statt, wenn es z. B. um Fragen der zweckmäßigen Teamzusammenstellung oder der optimalen Teamgröße geht (das sog. Teamdesign). Man könnte hier von Teammanagement im weiten Sinne sprechen. Diese Fragen werden in den meisten Unternehmen »von außen« entschieden, also als Führung von Teams verstanden. Die Führung in Teams, also die interne Steuerung der in Gruppen ablaufenden Aktivitäten schauen wir uns aber zuerst an. Die Prozesse selbst sind dann Gegenstand von Kapitel 2.2.
2.1 Teamführung
2.1.1 Inhaltliche Grundsätze und Verankerungsoptionen
Teamführung hat in jeder arbeitenden Gruppe eine Leitfunktion zu übernehmen – oder sollte dies zumindest. In diesem klassischen Sinne meint Führung die zielorientierte Beeinflussung des Mitarbeiterverhaltens durch einen Vorgesetzten. Als Folge davon ergeben sich mittelbare oder unmittelbare Verhaltensänderungen (vgl. Weibler 2016, S. 20 ff.). Führung hat einerseits die kontextuellen Voraussetzungen für individuelle und wechselseitige Leistungen zu schaffen, andererseits Lernen und Motivation des Teams durch Interventionen, d. h. den Einsatz geeigneter Führungs- und Motivationsinstrumente, direkt zu fördern. Dies geschieht auch durch Anerkennung und Kritik,...