2 Leistungsmobilisierung durch Change Management
Abb. 22: Übersicht zum zweiten Kapitel
2.1 Strategiepyramide im Zeichen des operativen Managements
Wie bereits im vorangestellten Kapitel dargelegt, zielt das Change Management in letzter Konsequenz immer auf den Ausbau bzw. die Verteidigung von Wettbewerbsvorteilen. Eine wesentliche Quelle zur Erreichung dieses Ziels sind strategische und operative Leistungsreserven, die es zu mobilisieren gilt. Die Aktivitäten des Managements fanden in der Vergangenheit vor allem auf der operativen Ebene statt. Auf Basis administrativer Praktiken konzentrierte sich das Management vornehmlich ex-post auf umfassende Budgetkontrollen und die Feststellung von Zielabweichungen. Eine strategische Vorsteuerung – die Entwicklung, Planung und Umsetzung von richtungsweisenden und erfolgskritischen Handlungsmaximen im Sinne von Leitplanken für das operative Management – fand oftmals nicht statt. In den letzten Jahren ist in Managementkreisen die Prozesssteuerung bzw. das Prozessmanagement zur Analyse, Bewertung und Optimierung sowohl von internen Prozessen innerhalb von Abteilungen sowie zwischen den verschiedenen Departements eines Unternehmens als auch von externen Prozessen, die unternehmensübergreifenden vornehmlich die Auseinandersetzung mit vor- und nachgelagerten Prozessen fokussiert, immer mehr in den Vordergrund gerückt. Des Weiteren ist zu konstatieren, dass die alleinige Top-Down-Steuerung ausgehend vom oberen Management immer mehr einer Gegenstromplanung (Top-Down in Verbindung mit Bottom-Up) weicht, die ausdrücklich die nachrangigen Ebenen aktiv in den Umsetzungsprozess integriert. Hintergrund dieser Vorgehensweise ist vor allem das höhere Identifikationspotenzial der nachgelagerten Ebenen, die lediglich die globalen Unternehmensziele in Form von Leitplanken vorgegeben bekommen aber in der Formulierung und Ausgestaltung von Teilzielen frei agieren können. Diese dezentrale Form der Führung steht im Gegensatz zu der zentral-gesteuerten Bombenabwurfstrategie des Topmanagements, bei der sämtliche Entscheidungen an der Spitze des Unternehmens entworfen und den verschiedenen nachrangigen Ebenen aufoktroyiert werden. Bei der jeweiligen Strategieentwicklung sind vor allem zwei Steuerungsparadigmen zu unterscheiden: die Inside-Out-Steuerung, bei der insbesondere die unternehmensinternen Rahmenbedingungen, Ressourcen und Kompetenzen strategieleitend sind, und die Outside-In-Steuerung, die unternehmensexterne Variablen, wie beispielsweise die Wünsche, Bedürfnisse und Erwartungen der Stakeholder an das Unternehmen sowie strukturelle Rahmenbedingungen und Besonderheiten der Branche bei der Strategieformulierung einfließen lässt.
Abb. 23: Dominanz des operativen Managements
Strategische Ausrichtung
Die Entwicklung strategischer Implikationen erfolgt zunächst auf Basis der unternehmensweiten Leitbilder, Normen und Prinzipien, die gemäß dem St. Galler Managementkonzept auf der normativen Managementebene verortet sind. Diese Ebene umfasst vornehmlich unternehmenspolitische Aspekte und Grundsatzthemen unter anderem hinsichtlich sozialer, wirtschaftlicher und rechtlicher Fragestellungen und ist richtungsweisend für die Strategieentwicklung und Operationalisierung in spezifischen Kennziffern (vgl. Bleicher (2011), S. 87ff.).
Finanzielle Zielsetzung
Insbesondere für börsennotierte Unternehmen ist der Shareholder-Value (SHV), der auf der Kapitalwertmethode basiert, eine zentrale Größe. Dieser stellt den Gewinn eines Unternehmens als Bezugsgröße für den Erfolg in Frage und argumentiert aus der Perspektive der Anteilseigener bzw. Aktionäre (Shareholder). Rappaport (1986) entwickelte dieses Konzept vornehmlich aus der Kritik, dass Topmanager ihre umfangreichen Machtressourcen für ihre eigene Nutzenfunktion missbrauchen. Im Wesentlichen zielen sämtliche Aktivitäten beim Shareholder-Value auf die Maximierung des Unternehmenswertes respektive die Kurswerterhöhung der Aktien und der damit verbundenen Wertsteigerung des Eigenkapitals ab. Im Mittelpunkt dieses Konzeptes steht der Aktionär, dessen Vermögen durch geschäftsstrategische Renditemaximierungsinitiativen vergrößert werden soll. Der Shareholder-Value-Logik folgend, sollen sämtliche Geschäftseinheiten ausgelagert, verkauft oder eliminiert werden, deren Rendite unterhalb der durchschnittlichen Kapitalkosten liegen (vgl. Macharzina/Wolf (2010), S. 209, 227ff.; Perridon/Steiner (2002), S. 15f.; Rappaport (1986), S. 3ff.).
Der Economic Value Added (EVA) greift den Shareholder-Value-Gedanken auf und zeigt aus der Rentabilitätsperspektive den Beitrag von Investitionen oder Geschäftsfelder zur Steigerung des Unternehmenswertes. Diese Maßgröße ist insbesondere zur Leistungsmessung eines Unternehmens geeignet, wobei die jeweiligen Beiträge der Manager und Mitarbeiter transparent dargestellt werden und sich dadurch die Interessen dieser beiden Gruppen an die der Anteilseigner annähern. Auch hier wird der erzielte Gewinn nicht für die Bewertung der Unternehmenswertsteigerung herangezogen. Werte entstehen analog zum Shareholder-Value entsprechend dann, wenn die Rentabilität höher ist als die Kapitalkosten (vgl. Brealey/Myers (2000), S. 326ff.; Ehrbar (1998); Perridon/Steiner (2002), S. 16; Stern et al. (1995)).
Der Return on Capital Employed (RoCE) bezieht sich auf die Rentabilität des eingesetzten Kapitals. Im Kern ähnelt dieses Konzept dem Return on Investment, zieht jedoch nicht das Gesamtkapital als Bezugsgröße heran, sondern bezieht sich ausschließlich auf langfristige Kapitalstrukturen – ohne kurzfristiges Fremdkapital oder liquide Mittel. Es handelt sich hierbei um ein weiterentwickeltes Konzept der Gesamtkapitalrentabilität und misst die Effizienz und Profitabilität des eingesetzten Kapitals (vgl. Whiting (1986), S. 214ff.).
Umsetzungskonzepte
Erfolgsfaktoren bezeichnen bestimmte Schlüsseldeterminanten, die maßgeblich über den langfristigen unternehmerischen Erfolg oder, bei einem Nichtvorliegen, auch Misserfolg eines Unternehmens entscheiden. Dabei sind es gemäß der Erfolgsfaktorenforschung nur wenige Variablen die das Potenzial haben den Erfolg oder Misserfolg von Unternehmen entscheidend zu beeinflussen. Die Identifikation strategischer Erfolgsfaktoren kann entweder direkt über Expertenbefragungen zu den erfolgsbeeinflussenden Variablen realisiert oder indirekt via statistischer Verfahren bzw. gedanklicher Analyse ermittelt werden (vgl. Haenecke (2003), S. 13ff.).
Die Key Performance Indicators (KPI) sind Schlüsselkennzahlen zur unternehmerischen Leistung und ermöglichen unter anderem Fortschrittsanalysen oder die Ermittlung des Zielerreichungsgrades. Aufgrund dieser Leistungskennzahlen können Kontrollen realisiert, Bewertungen durchgeführt und Maßnahmen abgeleitet werden. Darüber hinaus können entsprechend des interessierenden Analysegegenstands das ganze Unternehmen, verschiedene Abteilungen, einzelne Einheiten, Funktionsbereiche, Projekte oder Prozesse mit Kennzahlen unterlegt werden, die wiederum nach der eingenommenen Perspektive (Kunden, Finanzen, Anlagen usw.) unterschiedliche Schwerpunkte und Ausprägungen aufweisen können (vgl. Gutmann/Schneider (2014), S. 82f.).
Die von Kaplan und Norton (1996) entwickelte Balanced Scorecard ist ein multidimensionales Kennzahlen-, Führungs- und Managementsystem, das sich vor allem durch einen erweiterten Perspektivenraum und den direkten Bezug zum normativen und strategischen Management auszeichnet. Die Balance Scorecard umfasst originär vier Perspektiven, die finanzielle Perspektive, die Kundenperspektive, die interne Prozessperspektive sowie die Mitarbeiter- bzw. Lern- und Wachstumsperspektive. Sie zielt auf eine Ausgewogenheit zwischen den verschiedenen Perspektiven und vereint monetäre und nicht-monetäre Kennzahlen, lang- und kurzfristige Ziele sowie zukunfts- und vergangenheitsorientierte Schlüsselkennzahlen. Darüber hinaus ist festzuhalten, dass alle Perspektiven in einem Ursache-Wirkungs-Zusammenhang zueinander stehen. Diese Kausalität wird im Allgemeinen durch eine Strategie Map visualisiert. Es kann konstatiert werden, dass die Balanced Scorecard – unter besonderer Berücksichtigung des Menschen und im Hinblick auf die fixierten normativen und strategischen Aspekte – auf eine strategieorientierte, transparente und ganzheitliche Unternehmenssteuerung abzielt (vgl. Kaplan/Norton (1996), S. 75ff.; Thommen/Achleitner (2009), S. 1042; Macharzina/Wolf (2010), S. 221f.).
Anreizsysteme bezeichnen die »Summe aller bewusst gestalteten Arbeitsbedingungen, die bestimmte Verhaltensweisen (durch positive Anreize, Belohnung etc.) verstärken, die Wahrscheinlichkeit des Auftretens anderer dagegen mindern (negative Anreize, Sanktionen)« (Wild (1973), S. 47). Anreizsysteme zielen demnach auf die direkte oder indirekte...