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E-Book

Barrierefreiheit umsetzen

Ein Leitfaden für Behörden, Unternehmen und NGOs

AutorDomingos de Oliveira
VerlagBooks on Demand
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl112 Seiten
ISBN9783752864892
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis7,99 EUR
Barrierefreiheit ist ein komplexes Thema. In diesem Buch erfahren Sie, wie Sie die Zugänglichkeit für behinderte Menschen in die Praxis umsetzen. Es spielt keine Rolle, ob Sie ein Angebot oder gleich Ihre gesamte Organisation barrierefrei umgestalten wollen. In diesem Buch erfahren Sie, was Sie in den einzelnen Phasen des Projektes beachten sollten. Die dargestellten Konzepte sind problemlos auf Ihre speziellen Anforderungen anwendbar.

Domingos de Oliveira ist Jahrgang 1978. Er arbeitet seit dem Jahr 2010 als freier Berater und Dozent für digitale Barrierefreiheit. Unter anderem führt er Schulungen und Maßnahmen zur Sensibilisierung zum Thema Behinderung für Entscheidungsträger durch. Zu seinen Auftraggebern gehören die Aktion Mensch, die Deutsche Forschungsgemeinschaft oder der Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband.

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Leseprobe

Teil II
Vorbereitende Maßnahmen


Um Barrierefreiheit erfolgreich umzusetzen ist vor allem viel Vorbereitung notwendig. Beachten Sie, dass Sie die vorgeschlagenen Maßnahmen umsetzen können, aber nicht müssen. Sie müssen entscheiden, was im Einzelnen für Ihre Organisation sinnvoll und finanzierbar ist.

Barrierefreiheit als Einstellung


Wie bei vielen komplexen Maßnahmen ist auch Barrierefreiheit leichter umzusetzen, wenn es für deren Notwendigkeit ein Bewusstsein in Ihrer Organisation gibt. In diesem Abschnitt möchte ich Ihnen zeigen, wie Sie Ihre Kollegen von dem Thema Barrierefreiheit überzeugen bzw. für die Bedürfnisse behinderter Menschen sensibilisieren können.

Viele Maßnahmen sind erst sinnvoll, wenn klar ist, dass das Projekt Barrierefreiheit tatsächlich durchgeführt wird. Ein gutes Timing ist wichtig. Ist der zeitliche Abstand etwa zwischen der Sensibilisierung und der eigentlichen Maßnahme zur Barrierefreiheit zu groß, kann der Effekt der Sensibilisierung bereits verpufft sein. Findet die Sensibilisierung statt, während die Maßnahme bereits angelaufen ist, mag die Sensibilisierung keinen großen Effekt mehr haben. Deshalb sollten Sie im Rahmen Ihrer Zeit- und Ressourcenplanung überlegen, wann welche Maßnahme sinnvoll ist.

Analog dem Gender-Mainstreaming könnte man von Accessibility-Mainstreaming sprechen. Das Ziel ist es, bei allen relevanten Maßnahmen die Anforderungen von behinderten Menschen gleich mitzudenken.

Vorgesetzte und Kollegen überzeugen


Sie selbst sind von der Barrierefreiheit überzeugt, sonst würden Sie diesen Leitfaden vermutlich nicht lesen. Aber vielleicht gibt es Kollegen oder Vorgesetzte, die nicht so begeistert sind. Für diese Personen sind andere Themen vielleicht wichtiger. Möglicherweise sind Sie darauf angewiesen, dass diese Personen an dem Prozess aktiv teilnehmen oder Sie unterstützen. Ein Website-Relaunch ohne Ihre IT-Abteilung oder ein Umbau ohne das Gebäudemanagement ist kaum denkbar.

Doch auch, wenn Ihre Organisation keine andere Wahl hat und Barrierefreiheit umsetzen muss, sollten Sie sich überlegen, wie Sie die Barrierefreiheit gegenüber ihren Mitarbeitern und Kunden vermarkten können: Inklusion heißt auch, möglichst alle mitzunehmen. Es ist heute nicht mehr legitim, wichtige Entscheidungen über die Köpfe der Betroffenen hinweg zu fällen. Auch das ist im Sinne des Accessibility-Mainstreaming.

Zudem bremst auch passiver Widerstand Prozesse aus. Dann spielt es kaum eine Rolle, ob der Mitarbeiter das Projekt durch Nicht-Handeln blockiert oder ob er es aktiv torpediert. Schaden tritt in jedem Fall auf.

Es ist wichtig, auch interne Führungskräfte und wichtige Gremien zu überzeugen. Ihre Mitarbeiter haben ein feines Gespür dafür, was die Geschäfts- oder Abteilungsleitung unterstützt. Stehen die Vorgesetzten nicht selbst hinter diesem Projekt, strahlen sie diese Ablehnung oder Nicht-Priorität indirekt und auch direkt aus. Weisung oder nicht, auch für die Mitarbeiter hat das Projekt dann wahrscheinlich nicht die Priorität, die es in Ihren Augen vielleicht haben sollte. Auch das verzögert Prozesse.

Erfahrungsgemäß ist ein Großteil der Menschen nicht vom Sinn der Barrierefreiheit überzeugt. Sie haben vielleicht keinen Kontakt zu behinderten Personen oder wissen nichts über deren Bedürfnisse. Viele der Maßnahmen erklären sich außerdem nicht von selbst. Mit Aufklärung und Sensibilisierung werden Sie einen großen Teil dieser Personen vom Sinn der Barrierefreiheit überzeugen.

Sie werden wahrscheinlich nicht alle Kollegen gewinnen können. Das liegt daran, dass jede Person unterschiedliche Prioritäten hat. Selbst soziale Organisationen legen ihren Schwerpunkt auf ein bestimmtes Thema. Einer Umweltschutzorganisation mögen die Arbeitsbedingungen wichtig sein, während sie sich um das Problem Obdachlosigkeit nicht kümmert, obwohl beides soziale Themen sind. Doch muss man kein Fan der Barrierefreiheit sein, um die nötigen Maßnahmen zu unterstützen. Es soll vor allem vermittelt werden, dass es sich um sinnvolle Maßnahmen handelt.

Der Einfachheit halber unterscheide ich zwischen zwei Personentypen, die wir überzeugen müssen:

  • Der Rationalist möchte Zahlen und Fakten: Was kostet es? Welche finanziellen Vorteile bringt es? Wie viele profitieren?
  • Der Idealist hingegen möchte mit moralischen Argumenten überzeugt werden.

Diese beiden Typen treten selten in Reinform auf. Der Idealist braucht Fakten, um nicht als blauäugig zu erscheinen. Der Realist möchte nicht als kalter Zahlenfetischist dastehen. Sie werden also immer eine gemischte Strategie fahren müssen. Zumal Sie selten die Gelegenheit bekommen – oder die Zeit haben – jede beteiligte Person einzeln zu überzeugen.

An strategische Themen anknüpfen


Aus langfristiger Sicht ist es sinnvoll, wenn Sie mit dem Thema Barrierefreiheit versuchen, an weitere strategische Themen Ihrer Organisation anzuknüpfen.

Barrierefreiheit ist immer in einen größeren Zusammenhang eingebettet. Suchen Sie diese Anknüpfungspunkte. Haben Sie zum Beispiel eine Diversity-Strategie? Oder ein Konzept der Corporate Social Responsibility? Dann überlegen Sie, wie Sie darauf aufbauend begründen können, warum Barrierefreiheit für Ihre Organisation wichtig ist.

Behinderte Menschen gehören zu den größten Minderheiten in Deutschland. Zählt man nicht nur die klassischen körperlichen und kognitiven Behinderungen, sondern auch psychische und chronische Erkrankungen dazu, so dürfte rund ein Drittel der Bevölkerung betroffen sein. Um diese Menschen beruflich beschäftigen zu können, ist Barrierefreiheit eine wichtige Voraussetzung. Hier können Sie also eine Verbindung zu Ihrer Diversity-Strategie herstellen. Die Studie »Diversity Matters« der Unternehmensberatung McKinsey aus 2018 zeigt, dass sich Diversität am Arbeitsplatz positiv auf die finanzielle Situation des Unternehmens auswirkt.

Ebenso können Sie bei der Strategie für eine Corporate Social Responsibility verfahren. So können Sie Ihre Produkte oder Dienstleistungen so gestalten, dass sie für möglichst viele Personen nutzbar sind. Natürlich verbessert das auch die Verkaufschancen für das Produkt. Dennoch können Sie das auch als Teil der CSR-Strategie darstellen.

Auch zur Nachhaltigkeit gibt es Verbindungen: Ein an unterschiedliche Bedürfnisse anpassbares Produkt ist länger verwendbar. Ein weiterer Anknüpfungspunkt sind Strategien zum Gewinnen und Behalten von Mitarbeitern. Die Erfahrungen eines älteren Kollegen werden häufig nicht angemessen geschätzt. Dabei wurden oft viele tausend Euro in seine Qualifizierung investiert. Damit er Ihnen auch erhalten bleibt, wenn er behindert wird, sollten Sie Ihre Organisation möglichst barrierefrei gestalten.

Auch in der gesundheitlichen Prävention spielt Barrierefreiheit eine gewisse Rolle. Stimmt die Ergonomie am Arbeitsplatz nicht, kann das Haltungsschäden begünstigen. Sind die PC-Bildschirme von schlechter Qualität oder ist die Beleuchtung unzureichend, kann das Sehschäden begünstigen. Ist für bestimmte Aktivitäten, wie z. B. das Öffnen von Türen, viel Kraft notwendig, erhöht das die Gefahr für Arbeitsunfälle.

Weniger leicht fassbar ist die psychische Wirkung solcher Maßnahmen. Ein Unternehmen, das sich aktiv um seine Mitarbeiter bemüht, erhöht die Zufriedenheit. Durch Beteiligungsprozesse haben die Mitarbeiter das Gefühl, dass sie für das Unternehmen wichtig sind und dass ihre Anliegen und vor allem ihre Gesundheit ernst genommen werden. Das reduziert die Wahrscheinlichkeit, dass psychische Erkrankungen wie Burn-out oder Depression entstehen oder sich eine allgemeine Unzufriedenheit einstellt.

Sensibilisierung und Schulungen


Manchmal sind die Barrieren in den Köpfen größer als die physischen Barrieren. Wenn die meisten Barrieren abgebaut sind, kann es immer noch sein, dass sich die Kollegen nicht vorstellen können, mit einem blinden oder lernbehinderten Menschen zusammen zu arbeiten.

Sie selbst oder einer Ihrer Kollegen können zur Sensibilisierung über die Maßnahmen und deren Hintergrund berichten. Erfahrungsgemäß wirkt das aber nicht besonders stark oder nachhaltig. Die Mitarbeiter erhalten regelmäßig Berichte über die Entwicklungen in der Organisation. Wenn das nicht gerade einen konkreten Bezug zur eigenen Arbeit hat, bleibt davon nicht so viel hängen.

Laden Sie lieber einen behinderten Mitarbeiter ein, seine Barrieren aufzuzeigen. Die gezeigten Barrieren sollten möglichst in einem konkreten Zusammenhang zu den geplanten Maßnahmen stehen.

Gezeigte und erlebte Barrieren wirken dabei nachhaltiger als erzählte Barrieren. Die Probleme aus dem Mund von Betroffenen zu hören, hat zwar eine stärkere Wirkung, die aber selten nachhaltig ist. Die Schwierigkeiten selbst zu sehen, erhöht die...

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