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Was geschah danach?

Zweiter Tatsachenbericht eines Solinger Arbeiters ab 1949

AutorWilli Dickhut
VerlagVNW - Verlag Neuer Weg
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl518 Seiten
ISBN9783880215139
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis11,99 EUR
Willi Dickhut berichtet im Buch über seine politischen Erfahrungen ab 1949. In der Stadt Solingen entwickelte er führend die Kommunalpolitik der KPD. Sie war geprägt vom Wunsch und praktischen Vorschlägen zu einer Kommunalpolitik gemeinsam mit der SPD. Die Erfahrungen werden im Buch verarbeitet. Die KPD entwickelt ein konkretes Kommunalwahlprogramm für die Stadt Solingen. Im September 1949 wird Adenauer Bundeskanzler. Ein Jahr später ist die Remilitarisierung beschlossene Sache, jeder Widerstand dagegen wird verfolgt. 1951 bereits stellt die Bundesregierung den Antrag auf Feststellung der Verfassungsfeindlichkeit der KPD. Willi Dickhut arbeitet in dieser Zeit zunächst in der Kaderabteilung NRW, später in der zentralen Kaderabteilung der KPD. Deutlich wird, wie eng die Zusammenarbeit mit der Kaderabteilung 'West' der SED war. Schon damals kam es dort zu bürokratischen Fehlern bei der Kaderbehandlung. Seit Mitte 1952 ist der Verfasser als 1.Kreissekretär in Solingen tätig. Es gelingt, verlorenen Einfluß der KPD in den Betrieben zurückzuerobern und eine Aktionseinheit mit der SPD auf kommunaler Ebene einzugehen. Am 17.August 1956 wird die KPD verboten. Die illegale Arbeit erschwert die notwendige innerparteiliche Diskussion. Und das in einer Situation, in der die KPD ohne Zögern die revisionistische Linie der KPdSU, die auf dem XX. Parteitag im Februar 1956 von Chruschtschow verkündet worden war, übernimmt. Willi Dickhut teilte den Standpunkt der KP Chinas, dass hier der Sozialismus verraten wurde, was 1966 zum Ausschluß aus der Partei führt. Für Willi Dickhut steht fest: Die Entartung der KPD bzw. DKP macht den Aufbau einer neuen marxistisch-leninistischen Partei notwendig, und er unterstützt diese Aufgabe mit ganzer Kraft.

Willi Dickhut war ein vielseitig interessierter und bescheidener Mensch. Seine sozialistischen Ziele, für die er sich schon als junger Mann entschieden hatte, verfolgte er mit aller Konsequenz, ohne sich zu schonen, selbst unter Lebensgefahr. Willi Dickhut war ein Kind der deutschen Arbeiterbewegung und er hat sie mitgeprägt. Der Kampf für eine sozialistische Zukunft zog sich durch sein ganzes Leben. Als kommunistischer Arbeiter in der Weimarer Republik, als Antifaschist in den Konzentrationslagern des Dritten Reichs und im illegalen Widerstand, als Kommunalpolitiker und Gewerkschafter beim Wiederaufbau nach dem Krieg - immer baute Willi Dickhut darauf, dass sich die Arbeiterklasse selber befreien will und kann. Willi Dickhut war von 1969 bis 1991 für die Schriftenreihe REVOLUTIONÄRER WEG verantwortlich. Im REVOLUTIONÄREN WEG werden die heutigen gesellschaftlichen Verhältnisse analysiert, um die Strategie und Taktik des Kampfes für den echten Sozialismus auszuarbeiten. Willi Dickhut war von 1926-1966 in der KPD organisiert. Als die Partei ihre revolutionären Ziele verriet, gab es für ihn nur eines: den Aufbau einer revolutionären Partei neuen Typs. Eine solche Partei muss lernen, Massen zu bewegen und zu führen.

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Leseprobe

Das jugoslawische Kuckucksei und die ideologischen Differenzen


Um den Charakter meiner ersten Untersuchung zu verstehen, ist es notwendig, einiges zur Vorgeschichte zu kennen. Während des II. Weltkriegs wurde die Kommunistische Internationale aufgelöst, um der Schaffung einer breiten antifaschistischen Volksbewegung in Europa kein Hindernis zu sein. Nach Beendigung des Krieges entstanden in einigen Ländern Osteuropas Volksdemokratien unter Führung der kommunistischen Parteien als Übergangsform zum Sozialismus. Um die Interessen gegenseitig abzustimmen,

»… wurde ein Informationsbüro aus Vertretern der Kommunistischen Partei Jugoslawiens, der Bulgarischen Arbeiterpartei (Kommunisten), der Kommunistischen Partei Rumäniens, der Kommunistischen Partei Ungarns, der Polnischen Arbeiterpartei, der Kommunistischen Partei der Sowjetunion, der Französischen Kommunistischen Partei, der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei und der Italienischen Kommunistischen Partei gebildet. In der 1947 von Vertretern dieser Parteien auf einer Konferenz in Warschau angenommenen Resolution hieß es: ›Die Konferenz konstatiert, daß das Fehlen von Verbindungen zwischen den an der gegenwärtigen Konferenz teilnehmenden kommunistischen Parteien in der jetzigen Lage ein schwerer Mangel ist. Die Erfahrung hat gezeigt, daß eine solche Isoliertheit der kommunistischen Parteien falsch und schädlich ist. Die Notwendigkeit des Erfahrungsaustauschs und der freiwilligen Koordinierung der Aktionen der einzelnen Parteien ist besonders akut geworden unter den heutigen Verhältnissen, wo nach dem Kriege die internationale Lage sich kompliziert hat und die Isolierung der kommunistischen Parteien für die Arbeiterklasse schädlich werden kann.‹« (»Die Kommunistische Internationale«, S. 654)

Weder die Sozialistische Einheitspartei (SED) noch die KPD waren Mitglied dieses Informationsbüros, erkannten jedoch die Führungsrolle der KPdSU bedingungslos an. Schon bald kam es unter den Mitgliedern des Informationsbüros zu Widersprüchen. Als erstes traten sie zwischen dem Bund der Kommunisten Jugoslawiens und der KPdSU offen zutage. Jugoslawien sah den Balkan als eigenes Interessengebiet an, was die Außenpolitik der Sowjetunion empfindlich berührte. Im Verlauf des Jahres 1948 verschärften sich diese und andere Widersprüche erheblich. So stellte Tito beispielsweise die Behauptung auf, daß die Sowjetunion Jugoslawien »ausbeute«, seine Industrialisierung »verhindere« und Jugoslawien seiner Unabhängigkeit »berauben« wolle.

Tito (vorn) und Stalin (hinten rechts) 1945 in Moskau

Tatsache war, daß sich in Jugoslawien die Bürokratie zu einer neuen Klasse entwickelt hatte, die den Kapitalismus im eigenen Land restaurierte. Dieser Verrat der Tito-Clique führte dazu, daß die Werktätigen Jugoslawiens immer rechtloser, immer mehr unterdrückt und ausgebeutet wurden. Außenpolitisch entwickelte sich Jugoslawien immer mehr zu einem bloßen Anhängsel des US-Imperialismus. Das war die »Unabhängigkeit«, die Tito vorschwebte. Heuchlerisch wurde diese Entwicklung gerechtfertigt mit der Losung, Jugoslawien müsse »auf eigenem Wege zum Sozialismus« kommen.

Bei einer Beratung des Informationsbüros im Juni 1948 in Rumänien wurde eine Resolution zur Entwicklung des Bundes der Kommunisten Jugoslawiens verabschiedet, in der die Entwicklung in Jugoslawien heftig kritisiert wird.

Milovan Djilas, einer der führenden Kommunisten und Minister der damaligen jugoslawischen Regierung, fuhr mit einer Delegation nach Moskau, um den Bruch mit Moskau zu vermeiden. Doch seine Mission war vergebens. Noch im selben Jahr wurde der offene Bruch vollzogen. Jugoslawien trat als »nationaler Kommunismus« in die Nachkriegsgeschichte ein.

Im folgenden kritisierte Djilas die Bürokratie in der Partei- und Staatsführung und schrieb sogar ein Buch mit dem Titel »Die neue Klasse« über diese bürokratische Entwicklung.

»Diese neue Klasse, die Bürokratie, oder genauer gesagt, die politische Bürokratie, trägt alle Merkmale früherer Klassen, und einige neue, die nur ihr eigen sind. Auch ihr Ursprung weist besondere Merkmale auf, obwohl er im wesentlichen den Anfängen anderer Klassen ähnlich war.« (S. 44)

Diese Kritik paßte der jugoslawischen Führung nicht. Anfang 1954 schloß man Djilas aus dem Zentralkomitee der Partei aus. Ein Jahr später, 1955, stellte ihn die Tito-Clique vor ein Gericht, das ihn wegen feindlicher Propaganda zu drei Jahren verurteilte. Auch später wurde Djilas noch mehrmals ins Gefängnis gesteckt. Das hinderte ihn nicht daran, offen zu schreiben, was er unter der »neuen Klasse« verstand.

»Die Gesellschaft, die aus den kommunistischen Revolutionen oder den Kriegshandlungen der Sowjetunion hervorgegangen ist, wird von den gleichen Gegensätzen zerrissen wie andere Gesellschaftsformen. Sie hat sich nicht zur menschlichen Brüderlichkeit und Gleichheit hin entwickelt, im Gegenteil: es bildet sich in der Parteibürokratie eine privilegierte Schicht, die ich – im Einklang mit den marxistischen Ansichtendie ›neue Klasse‹ nannte.« (»Die unvollkommene Gesellschaft«, S. 17)

Die SED und die KPD stellten sich hinter die Außenpolitik der Sowjetunion. Das nahm der Bund der Kommunisten Jugoslawiens zum Anlaß, zu versuchen, die KPD zu zersetzen und eine neue Partei durch Anhänger bzw. Sympathisanten zu organisieren.

Eines Tages, im Herbst 1949, erhielten zahlreiche Genossen der KPD und auch Nichtmitglieder jugoslawische Literatur (Bücher und Broschüren) in deutscher Sprache ins Haus geschickt. Die PPA führte eine Untersuchung durch, um festzustellen, wer dahintersteckte. Wir zweifelten nicht daran, daß Wolfgang Leonhard seine Hand im Spiel hatte. Im März 1949 hatte er sich, damals Dozent an der SED-Parteihochschule »Karl Marx«, heimlich nach Belgrad abgesetzt. Über ein Jahr blieb er in Jugoslawien, bevor er sich dann in Westdeutschland niederließ. Er war den jugoslawischen Kommunisten behilflich bei der Erstellung von Propagandamaterial (Übersetzung und eigene Schriften) in deutscher Sprache. Das hat er später in seinem Buch »Die Revolution entläßt ihre Kinder« selbst bestätigt. Bei seiner Ankunft in Belgrad wurde er gefragt:

»›Nun, Genosse Leonhard, wie hast du dir hier in Jugoslawien deine Tätigkeit vorgestellt?‹

›Ich würde zunächst gern die Ursachen und den Verlauf des Konflikts zwischen der jugoslawischen Partei und dem Kominform zusammenhängend für die oppositionellen Genossen in Deutschland darstellen. Die bisherigen Materialien behandeln Einzelprobleme, über die unsere Genossen nur wenig wissen. Es ist daher manchmal schwer für sie, sich ein Bild zu machen.‹

›Gut, schreib das. Wir werden es hier in Jugoslawien auf Deutsch drucken.‹« (S. 551)

Das Ergebnis seiner Tätigkeit hatten wir nun vor uns. Aber wer hatte den Jugoslawen die vielen Adressen vermittelt? Was waren die Empfänger für Leute? Es galt, möglichst viele von ihnen zu erfassen. Deshalb forderten wir unsere Genossen an der Basis auf, das Material und die Anschrift des Empfängers an die PPA abzuliefern. So stellte sich bald heraus, daß sich alle diese Empfänger, unter ihnen viele Parteilose, an einem Wettbewerb der Zeitung »Freies Volk« beteiligt hatten. Über diese Teilnehmer gab es eine Liste, und zwar nur ein einziges Exemplar. Diese Liste hatte der Chefredakteur, Jupp Schappe, in seinem Schreibtisch eingeschlossen. Er bestritt, diese Liste den Jugoslawen in die Hände gespielt zu haben. Statt dessen beschuldigte er einen Mitarbeiter, der früher einmal den Brandler-Leuten nahestand. Die Nachforschungen ergaben aber schnell die Haltlosigkeit dieser Verdächtigung. Unser Verdacht gegen Jupp Schappe dagegen verstärkte sich, als wir feststellten, daß er im Konzentrationslager Buchenwald mit Jugoslawen gemeinsam politisch tätig war. Es lag nahe, daß der Kontakt zwischen ihm und den Jugoslawen nach der Befreiung aus dem Konzentrationslager bestehen blieb oder wieder aufgenommen wurde.

Noch während die Untersuchung lief, fand in Ratingen eine Mitgliederversammlung der Partei statt, an der Ludwig Becker als Referent der Landesleitung teilnahm. Er leitete die Abteilung Wirtschaft und besaß keinerlei Erfahrung in Untersuchungsangelegenheiten. In der Versammlung forderte er Jupp Schappe heraus. Dieser reagierte heftig und veröffentlichte sofort am nächsten Tag ein Flugblatt, das sich gegen die Parteileitung richtete. Daraufhin wurde er ausgeschlossen. Es war also keineswegs so, wie Manfred Buder anläßlich der Ehrung von Jupp Schappe durch die VVN (Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes) in »Unsere Zeit« vom 16. Juli 1989 schrieb:

»Links blieb er auch dann, als seine Partei, die KPD, ihm nach den Worten von Professor Jupp Schleifstein (DKP) ›bitteres Unrecht zufügte‹ und ihn als Chefredakteur des Zentralorgans ›Freies Volk‹ wegen ›Titoismus‹ ablöste und ausschloß.«

»Bitteres Unrecht?« Nein, so war es nicht. Das Untersuchungsverfahren war korrekt und loyal und der Ausschluß im Februar 1950 gerechtfertigt. Wer etwas anderes behauptet, der lügt.

Die Jugoslawen wollten die KPD zersetzen, zuerst durch ihr politisches Material, dann direkt. Als Wolfgang Leonhard noch Lehrer an der Parteihochschule war, hatte er als Assistent einen jungen Mann, der sich Stambula nannte. Dieser setzte sich ebenfalls nach Belgrad ab, wo er von der jugoslawischen Parteiführung beauftragt wurde, Gruppen in der KPD zu organisieren, um die Partei von innen zu zersetzen. Dafür wurden ihm monatlich 500 DM bezahlt. Das war damals im Vergleich zu den Gehältern der Kreissekretäre viel Geld. Wir hatten von...

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