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Das Vater-und-Mutter-unser

Der weibliche Aspekt im Heilgebet Nr. 1

AutorMonika Herz
Verlagnymphenburger Verlag
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl112 Seiten
ISBN9783485029742
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis8,99 EUR
Was ist die Botschaft des Vaterunsers speziell für Frauen? Auf Basis einer uralten aramäischen Fassung und inspiriert von ihrer eigenen seelischen Weite, kommt die Heilerin Monika Herz zu einer verblüffenden Neuinterpretation: Dem männlichen Aspekt stellt sie schlüssig einen weiblichen hinzu. So öffnet sie die Ansprache des Gebets und ermöglicht gerade Frauen eine stärkere Verbindung zu seinem spirituellen Gehalt.

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Leseprobe

Zu wem beten wir eigentlich?

Gott heißt auf Aramäisch alaha. Der Name »Gott« kommt im Gebet aber nicht ein einziges Mal vor. Zu wem beten wir also?

Wenn es um Gott geht, darf ich ein bisschen ausholen und eine persönliche Geschichte erzählen. Ich habe in jungen Jahren eine schlimme Krise durchlitten und bin dem Tod sehr nahe gekommen. In dieser Zeit habe ich erstmals mystische Erfahrungen gemacht, die ich mir einfach nicht erklären konnte. Die katholische Kirche war mir in dieser Zeit keine Stütze, obwohl ich nicht verschweigen will, dass unser Dorfpfarrer durchaus wohlwollend auf mich geachtet hat. Er gab mir einen wichtigen Leitfaden an die Hand, indem er sagte: »Monika, ich bin ein Skeptiker, was mystische Offenbarungen angeht, aber wenn das, was du gesehen hast, eine von Gott geschenkte Vision war und keine Sinnestäuschung, dann wird Gott schon dafür sorgen, dass du und deine Vision in der Welt etwas bewirken.«

Jedenfalls habe ich mich auf der Suche nach Antworten dann doch anderen Religionen zugewandt, in der Hoffnung, dort Erklärungen zu finden für das, was mir gezeigt wurde. Zuerst begann ich im Schamanismus zu suchen. Dort werden Visionen ernst genommen. In indigenen Kulturen wurden die jungen Leute sogar extra auf »Visionssuche« – und damit oft in eine Nahtoderfahrung – geschickt! Da heißt es nicht spöttisch: »Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen!« In den ganz alten Stammeskulturen gab es wohl nur wenige Berufe, aber einer davon war die Berufung zum Schamanen – und die wäre ohne Visionen unvorstellbar gewesen. Es ist wirklich schade, dass unsere moderne Kultur so arm an Visionen geworden ist. Das heißt, schöne Visionen gäbe es genug, es wird ihnen bloß nicht annähernd so viel öffentliche Bedeutung beigemessen, wie etwa dem »Ereignis«, dass sich Heidi Klum in einem neuen Büstenhalter fotografieren hat lassen. Aber es tut sich was unter der verkrusteten Schicht des sogenannten Normalen! Vor meinem geistigen Auge sehe ich wunderbare Möglichkeiten Gestalt annehmen – wer weiß, vielleicht erlebe ich noch, dass »Visionärin« ein anerkannter Ausbildungsberuf ist.

Bei den indigenen Ältesten habe ich auch so liebevoll von der »Mutter Erde« sprechen hören. Sie waren sehr verwundert darüber, dass Christen die »Große Mutter« nicht als Lebewesen wahrnehmen, geschweige denn sie achten oder gar lieben. Jahre später wanderte ich weiter zu meinem ersten östlichen spirituellen Meister Paramahansa Yogananda. Seine »Autobiographie eines Yogi« ist ein Klassiker spiritueller Literatur. Yogananda war einer der Ersten, welche die östliche Weisheit Anfang des letzten Jahrhunderts in den Westen brachten. Ein »Guru« – meine Eltern begannen schon, sich Sorgen zu machen. Ich wurde – nach sorgfältigem Studium seiner Lehre – eine Kriya-Yogini. Yogananda war ein Brückenbauer zwischen den Kulturen, und er sprach mit Begeisterung von »Gott«, obwohl es im Hinduismus, wo er ja herkam, keinen »Allmächtigen Gott« gibt, keinen Monotheismus, sondern zahlreiche Götter und Göttinnen. Es gibt dort allerdings auch eine »Trinität«, bestehend aus »Brahma«, dem Schöpfer, »Vishnu«, dem Erhalter, und »Shiva«, dem Zerstörer. Seltsam, dass im Christentum nur der Schöpfergott übrig geblieben ist.

Einige Jahre später wurde ich dann Schülerin von Silvia Ostertag im Zen-Buddhismus und wieder ein paar Jahre später Schülerin von Gonsar Rinpoche im tibetischen Buddhismus. Im Buddhismus gibt es überhaupt kein Konzept von einem Gott. Es gibt nicht einmal ein Wort für Gott.

Dort ist die Rede von der »Wesens-Natur«, vom »Buddha-Geist« und vom Stufenweg zur Erleuchtung. Aber all das findet ohne einen Schöpfergott statt, der das Universum aus dem Nichts erschaffen haben soll.

Vor ein paar Jahren haben mein Mann und ich anlässlich einer interspirituellen Pilgerreise den Sufi-Meister André Shanteem kennen, und schätzen gelernt. Das Rezitieren der »schönen Namen Allahs«, die Einweihung in den geheimen Namen Allahs – all das hat mich tief ergriffen, und ich erhielt eine unvergessliche Sufi-Einweihung. Schließlich wandte ich mich nach der jahrzehntelangen spirituellen Weltreise auch wieder dem christlichen Gott und seinem Namen zu. Und siehe da: Es fühlt sich an, als wäre ich nach einem langen Streifzug wieder zurück nach Hause in die Heimat gekommen.

Wenn ich meine tibetischen Übungen mache oder den Unterweisungen meines Meisters lausche, dann bin ich ganz Buddhistin. Als Buddhistin komme ich ohne das Konzept von »Gott« aus. Wenn mein Mann und ich einen Sufi-Abend besuchen und »die schönen Namen Allahs« singen, dann bin ich ganz Sufi. Allah zieht dann in mein Herz ein und Freundlichkeit, Kraft und Frieden nehmen dort Platz. Gott heißt dann »Al Karim«, der/die Ehrenvolle und Großzügige, oder »Al Malik«, der/die Königliche, und wir singen und tanzen zum Klang der Namen. Und wenn ich zum Sonnenaufgang mit meinen Krafttieren unterwegs bin, dann bin ich ganz Schamanin, und es gibt nichts Heiligeres als die Erde unter meinen Füßen, die Sonne, den Wind, die Bäume und den Weiher.

Ich werfe die verschiedenen Religionen nicht alle in einen Topf, sondern ich kann das Eine vom Anderen unterscheiden, auch wenn sich mir natürlich Verbindungslinien eröffnen. Diese Verbindungen sind meine Brücken zwischen den Religionen. In der Lehre des Buddha ist nun einmal kein Gott zu finden, und bei den Indigenen ist das, was wir »Gott« nennen, nun mal der Baum und der Weiher. Aber das, was als persönliche Erfahrung und als Lebensstil herauskommt, wenn ich den buddhistischen oder den schamanischen Weg gehe, ist nicht wirklich anders als die Erfahrungen und der Lebensstil einer christlichen oder muslimischen Mystikerin.

Für mich sind die verschiedenen Religionen wie die verschiedenen Wege, die auf den Hohen Peißenberg hinaufführen. Von allen Richtungen her gibt es Wege zum Gipfel. Der eine Weg ist eher kurz und steil, ein anderer verschlungen und sanft ansteigend. Alle führen zum Ziel, und oben angekommen hat man einen fantastischen Blick über die ganze Welt, so weit das Auge reicht.

Weil es mich so sehr interessiert hat, bin ich alle diese Wege gegangen – aber niemand muss mir das nachmachen. Das ist nicht nötig. Um die Welt vom Gipfel aus zu betrachten und zu genießen, reicht es auch, nur einen Weg gegangen zu sein. Nur gehen muss man eben. Zu Hause vor dem Fernseher stellt sich die »Gipfelerfahrung« wahrscheinlich eher nicht ein.

In einem anderen Vergleich sehe ich die verschiedenen Religionen wie Geschwister, die alle von dem gleichen Vater und der gleichen Mutter stammen. Während die Geschwister heranwachsen, streiten sie immer wieder, und es kommt sogar zu Verletzungen. Wenn sie aber erwachsen geworden sind, dann teilen sie nur noch die positiven Seiten der engen Verwandtschaft, sie helfen sich gegenseitig beim Umzug, feiern miteinander Feste und beschenken einander mit vielen brauchbaren Dingen. Über die Streiche aus Kindertagen lachen sie miteinander.

Ich habe das Wort »Gott« längere Zeit vermieden, weil sich mir über die östlichen Weisheiten völlig neue Erkenntnisse aufgetan hatten, und das Wort »Gott« wollte nicht so recht dazu passen. Woher kommt das Wort überhaupt?

Der christliche Gott ist ja aus dem Judentum hervorgegangen und der Name Gottes lautet dort JHWE oder »Adonai«. Die Wortwurzel des deutschen »Gott« stammt dagegen aus dem Gotischen und bedeutete wohl »gut«, und die Goten selbst waren natürlich auch »die Guten«. Diese Eigenart teilen vermutlich alle Stämme und Völker. Sie nehmen von sich selbst immer an, dass sie die »wahren Menschen« und »die Guten« sind. Fremde und Andere können dagegen aufgrund ihres Andersseins keine wahren und guten Menschen sein. Sonst wären sie ja genauso. Die Goten hatten, bevor sie zum Christentum »bekehrt« wurden, zahlreiche Götter und Göttinnen – letztlich verschmolzen sie dann doch alle irgendwie zu dem Einen Gott.

Aber dass der Eine Gott ausschließlich männlich sei, ob dies nicht doch irgendwann einmal zu einem Irrtum der Geschichte erklärt wird? Die bloße Anwesenheit von Göttinnen wurde ja lange als »Dämonenglaube« verfolgt, selbst dann, wenn eine Göttin nur im Traum erschien. Die kindliche Vorstellung vom alten Herrn mit Rauschebart, an den wir uns wenden, wenn wir in Not geraten, die sitzt allerdings tief. Diese Vorstellung ist geprägt von Jahrhunderten Staatsreligion, von Darstellungen und Anrufungen Gottes in Kunst, Kultur, Rechtsprechung und Politik.

Wenn wir im christlichen Kulturraum aufgewachsen sind, dann können wir uns dem christlichen Gedankengut nicht so einfach entziehen. Wir können nicht so tun, als gehörten wir nicht zum christlichen Abendland. Das ist so, als würde ein Fisch sagen: »Ich habe mit Wasser nichts zu tun. Ich glaube nicht an Wasser!« Wir leben nun einmal in dieser christlich geprägten Sphäre, wir entkommen der Idee von Gott irgendwie nicht, auch wenn wir von der Theologie eines Allmächtigen nichts halten. Immer mehr Menschen entwickeln jedoch ein ganz eigenständiges Interesse daran herauszufinden, wer oder was das denn nun wirklich sein soll: Gott!?

Der folgende Abschnitt ist vielleicht etwas schwierig zu lesen, denn er ist dem streng auf Logik aufgebauten Gottesbeweis meines Lieblingsmathematikers Kurt Gödel (1906–1978) gewidmet. Um das Jahr 1941 herum notierte er auf einem Notizblock ein paar Zeilen in der mathematischen Sprache »Modallogik zweiter Klasse« und feilte in den folgenden Jahren immer wieder an der komplexen Formel.

Kurt Gödel war ein Genie, eng mit Albert Einstein befreundet. Die Philosophin Rebecca Goldstein nannte ihn den größten Logiker seit Aristoteles. Er hat seinen...

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