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E-Book

Hans Brenner. 'vielleicht bin ich wirklich so'

Eine Biographie von Martin Kolozs

AutorMartin Kolozs
VerlagUniversitätsverlag Wagner
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl120 Seiten
ISBN9783703009358
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis15,99 EUR
Eine Hommage an den großen Volksschauspieler Hans Brenner. Ob als Wilderer und Räuberhauptmann, in der Rolle als Hanns Martin Schleyer, als CHARAKTERDARSTELLER oder Mitinitiator der TIROLER VOLKSSCHAUSPIELE IN TELFS - zeitlebens und darüber hinaus genoss Hans Brenner hohes Ansehen als HERAUSRAGENDER BÜHNENKÜNSTLER. Der wandelbare Schauspieler ist untrennbar verbunden mit der deutschsprachigen Theater- und Fernsehgeschichte der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Vom SCHAUSPIELER und MENSCHEN Hans Brenner, von seinem Weg vom Arbeitersohn zum Volksschauspieler, von seinem BEWEGTEN LEBEN und seinen GRÖßTEN ERFOLGEN erzählt Martin Kolozs in dieser Biographie: unmittelbar, feinfühlig und mit ZAHLREICHEN PHOTOGRAPHIEN, PERSÖNLICHEN ERINNERUNGEN von Weggefährten, Freunden und Familie sowie einem Vorwort von TOBIAS MORETTI.

Martin Kolozs wurde 1978 in Graz geboren und ist in Innsbruck aufgewachsen. Hier studierte er u. a. Christliche Philosophie an der Leopold-Franzens-Universität. Heute lebt er in Wien und ist als Autor, Herausgeber und Verleger tätig. Im Universitätsverlag Wagner erschienen 'Karl Rahner. Innsbrucker Jahre' (2014) und 'Zur höheren Ehre - Die Tiroler Priesterdichter. Reimmichl, Bruder Willram, Josef Weingartner und Reinhold Stecher' (2017).

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Leseprobe

TEIL II


… Zum großen Teil eine Lichtgestalt98


1968 und die Jahre danach stellen im Leben von Hans Brenner einen Bruch dar. Sowohl für seinen Beruf als Schauspieler als auch im Privaten waren sie eine entscheidende Übergangsphase, welche mit ebenso vielen Opfern wie neuen Erkenntnissen durchgemacht wurde. Die daraus entstandenen Erfahrungen führten vom radikalen Andersdenken zu einem gemäßigteren Umdenken, was etwa Karriere und Beziehungsleben betraf, ohne jedoch den Grad der Anpassung unnötig zu erhöhen. Aus der großen Revolution wurde gewissermaßen ein Aufstand im Kleinen, der allerdings unausgesetzt und konsequent fortgeführt wurde: „Ich bin nicht zur Schaubühne gegangen, genauso wenig wie zu [Willy] Millowitsch oder an ein großes Staatstheater, und ich habe auch einer attraktivmodischen Karriere widerstanden.“99

Einen erheblichen Einfluss darauf hatte ab Anfang der 1970er-Jahre die Intendantin, Regisseurin und Schauspielerin Ruth Drexel, die Hans Brenner in Berlin kennengelernt hatte und welche kurz danach seine Lebensgefährtin und die Mutter seines fünften Kindes wurde. Mit ihr zusammen verwirklichte er bis zu seinem Tod 1998 den Traum von einem modernen Volkstheater, das den Zuschauern nicht nur Unterhaltung, sondern auch Erkenntnis schafft.

6. Brennerhansl (1976–1998)


oder: „In der Ausübung des Schauspielgewerbes
war ich immer ein braver Mensch.“100


Sehen wir kurz das Gesamtbild der folgenden Jahre: Hans Brenner steht mitten im Leben. Als Schauspieler hat er sich einen Namen gemacht, und seine Karriere nimmt weiterhin an Fahrt auf. Er spielt neben großen Theaterrollen vermehrt in Filmen und im Fernsehen mit; wird mehrfach für seine Leistungen ausgezeichnet. Privat lebt er von seiner Ehefrau Susanne Kappeler-Brenner und den drei gemeinsamen Töchtern Katharina, Stephanie und Anna Therese getrennt, kümmert sich aber um sie. Dagegen hat er zu Monica Bleibtreu und seinem Sohn Moritz so gut wie keinen Kontakt. Seine Partnerin in Beruf und Leben ist Ruth Drexel. Mit ihr und Tochter Cäcilia wohnt er in München, wo er an den Kammerspielen, am Residenztheater und bis zuletzt am Volkstheater engagiert ist. Nachhaltigen Ruhm und ständiges Andenken erarbeitet er sich jedoch vor allem in seinem Heimatland Tirol. Mit der Gründung der Tiroler Volksschauspiele, welche von Beginn an bis zum heutigen Tag untrennbar mit ihm verbunden sind, wird Hans Brenner zu dem, was er sein wollte: ein unvergesslicher Volksschauspieler.

6.1 Familienleben

In manchen Interviews liest man, Hans Brenner sei in einfachen Verhältnissen aufgewachsen, und in anderen heißt es, diese Verhältnisse wären ungeordnet und schwierig gewesen. Dabei tendiert man schnell zu der Annahme, dass besagte Verhältnisse einen Einfluss auf Hans Brenners Auffassung von Zusammenleben und Familie gehabt haben und es nicht verwundert, dass er im Bezug darauf kein allzu gutes Bild abgibt, vor allem, wenn man das Verhältnis zu den meisten seiner Kinder und dieser zu ihm betrachtet.

Tatsächlich muss man die Herkunft von Hans Brenner zwar als einfach, aber keinesfalls als ungeordnet und schwierig in dem Sinne beschreiben, dass er nicht den Wert von familiärem Zusammenhalt erfahren hätte. Ganz im Gegenteil: Gerade aufgrund der begrenzten Gegebenheiten, was etwa Wohnraum und Privatsphäre betraf, lernte er von klein auf die Bedeutung der Familie als Ort gegenseitiger Verantwortung und unbedingter Unstützung kennen. Darauf verweisen auch viele seiner Briefe, in denen er u. a. schrieb: „… es ist eine herrliche Familie.“101

Besonders in der Beziehung zu seiner Mutter, die zwar allgemein als streng und fordernd charakterisiert wurde, aber von Hans Brenner geradezu närrisch geliebt – „Sie ist wirklich eine gute Mutter“102 – und bis zu ihrem Tod 1979 regelmäßig in Innsbruck besucht wurde, erfuhr er, was Zusammengehörigkeit im Wesentlichen bedeutet, nämlich: immer füreinander da zu sein, auch wenn es gerade schwierig ist.

Dennoch war es vielleicht diese enge Verbundenheit, die im jungen Hans Brenner den Wunsch nach einer größeren Freiheit wachsen ließ und die ihm auch den Weg aus Innsbruck, heraus aus den kleinen Verhältnissen mit ihren ständigen Verpflichtungen, wies.

Der Beruf des Schauspielers schien dafür geeignet zu sein, passte er doch mit seinen häufigen Rollen- und Ortswechseln zum stets unruhigen wie haltlosen Wesen von Hans Brenner.

Auch die Ehe mit Susanne Kappeler-Brenner ist in diesem wechselnden Licht zu sehen: Die meiste Zeit war man ja arbeitsbedingt voneinander getrennt und musste sich nicht mit Alltagsproblemen herumschlagen. Die Schwierigkeiten traten erst dann auf, als es an die Schaffung eines gemeinsamen Hausstandes ging und gewissermaßen das drohte, wovor Hans Brenner die Flucht ergriffen hatte: das normale Familienleben.

Die Gründung der Münchner Kommune war somit auch ein Versuch, diese traditionellen Bande, welche gesellschaftspolitisch damals als Fesseln wahrgenommen wurden, zu zerreißen, ohne jedoch das partnerschaftliche Gefüge Mutter-Vater-Kind gänzlich aufzuheben, indem man es stattdessen auf mehrere Mitglieder aufteilte: „Ruth war zwar nicht meine Mutter, aber ich [Katharina Brenner] habe sie zeitweise so empfunden. Zum ersten Mal getroffen habe ich sie, als ich vielleicht fünf Jahre alt war. Meine Mutter [Susanne Kappeler], meine kleine Schwester [Stephanie Brenner] und ich sind von Göttingen nach München gezogen, weil es hieß, dass der Papa mit der Ruth Drexel, die er in Berlin an der Volksbühne kennengelernt hat, etwas Neues ausprobieren will.“103

Mit dem Scheitern des Experiments kehrte man letztlich jedoch wieder zu den alten Strukturen zurück, was allerdings zur Folge hatte, dass bestehende Verbindungen gelöst oder anders bewertet werden mussten, um künftig Familie als geschlossene Einheit sein zu können.

Die Trennung von Susanne und Hans Brenner war deswegen naheliegender, weil sich das Paar bereits seit Längerem auseinandergelebt hatte104 und auch im Hinblick auf ihr jeweiliges Kunstverständnis völlig divergierende Auffassungen105 vertrat, während die Beziehung zwischen Hans Brenner und Ruth Drexel aufgrund vieler gemeinsam erarbeiteter Werte und Ziele bestand und darum von beiden auch fortgesetzt werden wollte.

Trotzdem ließen sich Hans Brenner und Susanne Kappeler-Brenner nie voneinander scheiden, sondern blieben „dauernd getrennt lebend verheiratet“ und weiterhin im Kontakt, vor allem wegen der gemeinsamen Kinder: „Privat war er ein liebevoller, zärtlicher Vater, der in seiner spärlichen Freizeit hingebungsvoll mit seinen Töchterchen spazieren ging und mit ihnen spielte. Seine Kinder hingen mit abgöttischer Liebe an ihm, auch später, als er die Familie verlassen hatte […]. Er versorgte die Familie mit allem Nötigen und blieb bis zu seinem frühen Lebensende ein treuer Versorger, ein überaus großzügiger Mensch, tolerant und niemals selbstherrlich auftrumpfend.“106

Speziell im Verhältnis zu seinen fünf Kindern – Katharina, Stephanie, Anna Therese,107 Moritz108 und Cäcilia109 – zeigte sich der gegensätzliche Charakter von Hans Brenner, der zwar nie boshaft war, aber trotzdem verletzend sein konnte, wie manche Aussagen es vermuten lassen: „Was er an Liebe seinem Publikum gegeben hat, hat er seiner Familie insbesondere seinen Kindern verwehrt. Es gab abzählbar wenige private Momente mit ihm.“110

Ähnliches erzählt Moritz Bleibtreu, der seinen Vater kaum traf, sondern erst an seinem Sterbebett sich mit ihm aussöhnen konnte: „Ich habe ihn nun leider nicht erleben dürfen und wenn ich etwas gelernt hab im Bezug auf mein eigenes Leben, dann eher, wie man bestimmte Sachen vielleicht besser nicht macht. Aber das ist auch wichtig: Ich hab vor allem meinem Vater in keinster Weise irgendetwas vorzuwerfen.“111

Wo aber auch immer die Wahrheit liegt, ob Hans Brenner nun dieses „Umarmende“112 hatte oder ihm „eine Wärme-Nähe unheimlich war, und er allem misstraute, was nach Idyll aussah“;113 ob er seiner Arbeit den Vorzug gegenüber seinen Kindern gab oder doch eher so viel arbeitete, weil er versuchte, zumindest finanziell die Verantwortung für sie zu übernehmen, Hans Brenner wusste von seiner Eigenart, die ebenso herausfordernd wie ermüdend, ebenso beglückend wie enttäuschend sein konnte, wenn er über sein eigenes Bemühen und gegebenenfalls Versagen meinte: „Gut machen, wenn nicht gut sein, dann wird’s hoffentlich gut ausgehen.“114

Einschub: „Papa“ von Stephanie Brenner

Die Herausforderung im Leben mit meinem Vater bestand darin, ihn teilen zu müssen. Teilen mit Menschen, Familie, Beruf, Öffentlichkeit. Ich wusste selten, wann und ob er Zeit für mich hatte und, wenn ja, wie tief die Verbundenheit oder Liebe zu mir war. Intensiviert wurde das Ganze dadurch, dass man nur sehr schwer an ihn rankam, er sich sehr schwer lieben ließ. Er war einfach eine ganz eigene Persönlichkeit.

Dadurch, dass er mir zeitlebens ein (vielgeliebtes) Mysterium blieb, wusste ich nie, wie nah ich an ihn ran...

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