1. Die Nebennieren – kleine Organe mit großer Wirkung
1.1 Was machen die Nebennieren?
Die Nebennieren haben mit der Niere, die das Blut filtert und Schadstoffe über den Urin ausscheidet, nichts zu tun. Ihren Namen haben sie nur erhalten, weil sie den beiden Nieren wie eine Mütze oben aufsitzen. Es gibt also zwei Nebennieren, eine rechte und eine linke.
Die Nebennieren produzieren Hormone. Viele Hormone. Solche, die mit der Reaktion auf Stress oder Gefahr zu tun haben, aber auch Hormone, die mit dem Geschlecht und der Fortpflanzung zu tun haben.
Die Nebenniere produziert Hormone, die mit Stress und Gefahr zu tun haben und Hormone, die mit der Fortpflanzung zu tun haben.
Man unterscheidet in den Nebennieren das Nebennierenmark von der Nebennierenrinde. Auch die Funktionen von Nebennierenmark und Nebennierenrinde unterscheiden sich, wie im Folgenden erläutert wird.
1.2 Die Hormone der Nebenniere
Im Nebennierenmark sind Nervenfasern, welche Adrenalin und Noradrenalin produzieren. Diese beiden gehören zu den Stresshormonen und werden ausgeschüttet, wenn Gefahr droht. Die Stressreaktion wird im folgenden Kapitel erklärt.
In der Nebennierenrinde werden viel mehr Hormone produziert. Zuerst kommt das Cholesterin über das Blut in die Nebennieren. Dort wird Cholesterin dann in andere Hormone umgebaut. Zuerst zu Pregnenolon, einer Vorstufe des Progesterons. Da zweigt es sich nochmal auf und in einem Ast wird aus dem Progesteron über weitere Zwischenschritte Cortisol (das Aktivitätshormon) gebildet. In einem anderen Ast wird Testosteron (das männliche Hormon) und dann auch die Östrogene (die weiblichen Hormone) gebildet.
Schaubild der Hormonproduktion in der Nebennierenrinde
Testosteron und Östrogene (Östron, Östradiol u. a.) sind Hormone, die unser Geschlecht bestimmen. Testosteron ist dabei das „männlich machende Hormon“ und die Östrogene sind die „weiblich machenden Hormone“. Sowohl Männer als auch Frauen haben jedoch alle Hormone, die männlich und weiblich machenden, und alle werden in der Nebenniere gebildet. Allerdings haben Männer sehr viel mehr Testosteron, denn bei ihnen wird es noch im Hoden gebildet. Durch diesen Testosteronüberschuss werden die männlichen Merkmale in der Pubertät ausgebildet.
Frauen hingegen haben sehr viel mehr Östrogene, die bei ihnen zusätzlich in den Eierstöcken gebildet werden. Mehr Östrogene sorgen für die Ausbildung der weiblich machenden Merkmale.
So sorgt der Überschuss an einzelnen Geschlechtshormonen aus den Geschlechtsdrüsen dafür, dass wir männlich oder weiblich sind.
Für das Cortisol ist die Nebenniere der einzige Bildungsort. Es ist ein überlebenswichtiges Hormon. Hätten wir keine Cortisolproduktion mehr, dann würde der Mensch sterben.
Das aber kann nur bei einer Nebenniereninsuffizienz passieren, die ärztlich behandelt werden muss. Näheres zum Unterschied zwischen Nebennierenschwäche und Nebenniereninsuffizienz finden Sie im Kapitel 2.2 auf Seite →.
1.3 Sympathikus und Parasympathikus - Ein kleiner Ausflug in die Steinzeit
Das sind zwei komplizierte Begriffe, die jedoch eine wichtige Rolle in unserem Leben spielen. Sie regulieren unsere Stressreaktion und das war für die Menschen schon immer überlebenswichtig.
Machen wir eine kleine Zeitreise und gehen zurück zu dem Ur-Menschen, der in Höhlen lebte, sich vor wilden Tieren in Acht nehmen musste und zudem sein Essen nicht im Supermarkt kaufen konnte, sondern selbst jagen oder sammeln musste.
Dieser Ur-Mensch war immer in Gefahr, selbst zur Beute zu werden für Raubtiere. Er musste ständig auf der Hut sein. Lärm in seiner Umgebung warnte ihn. Stand nun ein Säbelzahntiger vor ihm und fletschte die Zähne, war es wichtig, dass er all seine Energie für die Flucht verwendete.
Schauen wir uns mal an, was im Körper vorgeht, wenn der zähnefletschende Säbelzahntiger plötzlich vor dem Ur-Menschen steht:
Auge meldet an Gehirn: „Ich sehe einen Säbelzahntiger vor mir!“
Das Gehirn löst sofort roten Alarm aus und schüttet innerhalb von Bruchteilen einer Sekunde Adrenalin und Noradrenalin aus.
Sofort werden alle Zuckerreserven im Körper mobilisiert. Aus Zucker gewinnt jede Zelle Energie, das heißt, es werden alle Energiereserven mobilisiert und zwar wirklich sehr schnell.
Der Zucker wird zu den Muskelzellen geschickt. Zucker ist für die Muskeln der Treibstoff. Sie werden also mit Treibstoff versorgt, damit sie Höchstleistung erbringen können.
Die Pupillen erweitern sich, damit man den Tiger im Auge behält und die Fluchtwege sieht.
Die inneren Organe wie Darm, Magen, Bauchspeicheldrüse, Leber, Galle, Niere und die Geschlechtsorgane werden weniger stark durchblutet. Das so gewonnene Blut wird zur Lunge und zu den Muskeln geleitet, damit diese nun so effektiv wie möglich arbeiten können. Flucht ist wichtiger wie Verdauen in diesem Moment. Sonst wird der Ur-Mensch selbst verdaut.
Der Herzschlag beschleunigt sich, die Atmung verstärkt sich.
Der Ur-Mensch nimmt die Beine in die Hand und rennt um sein Leben.
Damit er die Flucht noch eine Weile fortsetzen kann, schüttet der Körper nun Cortisol aus. Cortisol wiederum hält diese Stressreaktionen länger aufrecht, als es Adrenalin und Noradrenalin tun könnten. Diese beiden sind wie der „ALARM“ Schrei und verpuffen rasch. Cortisol jedoch kann länger ausgeschüttet werden. So kann der Ur-Mensch ein Versteck finden, dort aufmerksam sein, ob er gefunden wird, um dann rasch wieder weiter flüchten zu können.
Das macht der Sympathikus:
- Adrenalin und Noradrenalin werden ausgeschüttet
- Etwas später auch Cortisol
- Die Pupillen weiten sich
- Zucker wird für die Muskeln mobilisiert
- Lunge und Herz werden gut durchblutet
- Puls und Atmung beschleunigen sich
- Die Durchblutung der inneren Organe wie Magen und Darm reduziert sich
Gehen wir mal davon aus, die Flucht gelingt ihm. Er findet zurück zu seiner Höhle, kriecht rein und erzählt seiner Familie von seiner abenteuerlichen Flucht. In seinem Körper ist nun kein hoher Adrenalinspiegel mehr. Cortisol jedoch wird noch weiter ausgeschüttet. Das kann noch 24 Stunden ausgeschüttet werden. Erst wenn die Gefahr wirklich vorüber ist, beruhigt sich auch die Cortisolausschüttung und der Ur-Mensch kommt in die Ruhephase. Vielleicht sagt die Ur-Frau ja nach der Erzählung etwas zu ihm wie das folgende: „Na, sei froh, dass Du es geschafft hast, nun komm erstmal runter und iss etwas.“
Mit „runter kommen“ meint sie, dass er aufhören soll, noch weiter Cortisol zu produzieren. Er soll sich entspannen und nun in den parasympathischen Zustand kommen. Das ist die Phase der Ruhe, Entspannung und Erholung.
Was er bisher erlebt hatte, war der sympathische Zustand – die Phase der Erregung, des Stresses und der Gefahr.
Nun ist er in der Höhle vor den wilden Tieren sicher, seine Ur-Frau hat ihm ein leckeres Mammutsteak gegrillt und legt noch ein paar Wildbeeren dazu. Er entspannt sich und isst.
Was geschieht in seinem Körper, wenn der Ur-Mensch entspannt?
Durch die Entspannung und die parasympathische Regulierung werden nun die inneren Organe besonders gut durchblutet. Die Muskeln bekommen weniger Blut, sie sind nun auch nicht gefordert. Das Herz schlägt langsamer. Das Gehirn wird wieder besser durchblutet und das Denken fällt nun wieder leichter. Jedenfalls so lange, bis er dann einschläft.
Seine Verdauung bekommt nun die Energie, damit sie perfekt funktionieren kann. Die Bauchspeicheldrüse schüttet Verdauungsenzyme aus, die Muskeln im Magen arbeiten auf Hochtouren, um den Nahrungsbrei zu durchmischen. Die Pupillen werden kleiner, denn außer dem Essen muss er nun nicht mehr so viel sehen. Alle Verdauungsorgane funktionieren bestens in der Entspannung.
Das macht der Parasympatikus
- Adrenalin und Noradrenalin bauen sich ab
- Die Cortisolausschüttung wird gedrosselt
- Herzschlag und Atmung gehen ruhiger
- Die Durchblutung der inneren Organe wie Magen und Darm wird wieder hochgefahren. Sie arbeiten nun effektiv
- Die Pupillen werden kleiner
Wir sehen also, dass im sympathischen Zustand – dem Zustand des Stresses oder der Gefahr, die Muskeln Höchstleistungen vollbringen können, die Verdauung jedoch nicht gut funktioniert, wohingegen im Zustand der Entspannung, dem parasympathischen Zustand, die Verdauung prima funktioniert, unsere Muskeln aber nicht zur Höchstleistung in der Lage sind.
Eine Nebennierenschwäche erwirbt man, wenn man häufiger im Zustand des Sympathikus ist, dem Stress also und zu selten im Parasympathikus, der Entspannung. Es wird so oft Adrenalin, Noradrenalin und auch Cortisol ausgeschüttet, dass sich die Nebennieren irgendwann erschöpfen....