Elke Krüger
Searching the Key - Die Suche nach einer Lösung
Die Anfänge 1893 - 1990
Die Völkerkundesammlung feiert in diesem Jahr ihr 125jähriges Bestehen. Am 16. Mai 1893 wurde das Museum für Völkerkunde im Museum am Dom, das sechs Museen der Stadt vereinte, feierlich eröffnet.
Dass die Ethnographische Sammlung mit ihren heute über 26.000 Objekten, tausenden von Fotos, Archivalien und Tagebüchern in Lübeck eine der ältesten ist, dürfte bekannt sein. In vielen Publikationen wurde dieses bereits erwähnt. Die Anfänge der Sammlung gehen auf die Sammeltätigkeit des Hauptpastors von St. Marien, Jacob von Melle, zurück. Später, 1831, wurde die Sammlung Teil einer gemeinnützigen und ab 1934 einer städtischen Einrichtung (Templin 2011).
Seit Mitte des 17. Jahrhunderts ist auch die so genannte Lübecker Mumie kontinuierlich in der Hansestadt nachweisbar. Berühmt wurde sie nach einer Untersuchung 1992, die von der Ägyptologin Dr. Renate Germer initiiert wurde.
Nach der Eröffnung am Dom bestand das Museum knapp drei Jahre, als 1896 die Ära Dr. Richard Karutz begann und er zum Vorsteher des Museums für Völkerkunde berufen wurde. Karutz vermehrte die Bestände des Museums erheblich. Als er Vorsteher des Museums wurde, umfasste die Sammlung etwa 4.000 Gegenstände. Gut zwanzig Jahre später besaß das Museum mehr als 20.000 größtenteils systematisch gesammelte Objekte sowie 2.000 photographische Platten und 200 phonographische Aufnahmen. Dieses Material war im Gegensatz zu anderen Museen mehrheitlich als Geschenk und nicht als Ankauf in das Museum gekommen. 1921 verließ Dr. Karutz Lübeck (Templin 2010).
Nach der Karutz-Ära lag die Leitung des Hauses bis 1938 in den Händen eines Mediziners, des Marinegeneralarztes a.D. Dr. Theodor Hansen, der in den Jahren seines Wirkens weder Publikationen noch Ausstellungen oder nennenswerte Sammlungsvermehrungen getätigt hatte. Vielmehr war es Margarethe Schmidt, Obersekretärin und wissenschaftliche Hilfsarbeiterin, die das Museum inoffiziell bis 1969 leitete.
1942 kam durch die Bombardierung Lübecks an Palmsonntag die Zeit der erfolgreichen Arbeit der Völkerkunde zu einem abrupten Ende. Von 1952 bis 1969 wurde die Sammlung ausgelagert und dem Hamburgischen Museum für Völkerkunde leihweise überlassen.
1971 nahm Dr. Helga Rammow ihre Tätigkeit als Direktorin der Völkerkundesammlung auf. Ab 1990 lief der Ausstellungsbetrieb "auf Sparflamme", nachdem Frau Rammow 1990 in den Ruhestand verabschiedet wurde (Harms et. al 1990).
Die Stelle von Frau Rammow wurde nicht wiederbesetzt und fiel den Sparmaßnahmen der Stadt zum Opfer. Dr. Gerhard Gerkens, Direktor der Museen für Kunst und Kulturgeschichte Lübeck, übernahm die kommissarische Leitung. Die wissenschaftliche Stelle wurde ausgeschrieben und 1996 Brigitte Templin eingestellt.
Neuzugang 1996
Götterfigur Śiva als Naṭarāja, Indien, Inv. Nr. 96.9:6
Ära Templin 1996 - 2018
Am 5. Februar 1996 trat Brigitte Templin eine Halbtagsstelle in der Völkerkundesammlung Lübeck an. Sie hauchte dem Ausstellungsbetrieb mit viel Energie innerhalb kürzester Zeit wieder Leben ein. Wie sie selbst einmal sagte, ist ihr ständiges Ziel, Vorurteilen entgegenzuwirken, zum Nachdenken anzuregen, die Besucher zu sensibilisieren für die Bedeutung von kultureller Vielfalt und zu vermitteln, dass großartige Kunst und Kultur zu allen Zeiten überall auf der Welt entstanden ist und entsteht. Dieses hat sie dann auch sehr erfolgreich umgesetzt.
Trotz steter Budgetkürzungen und Stelleneinsparungen - der sowieso personell nur knapp besetzten Einrichtung - konnte Brigitte Templin im Laufe der folgenden Jahre durch zahlreiche anspruchsvolle, abwechslungsreiche und mitreißende Ausstellungen sowie umfangreiche und interessante Begleitprogramme überregionale Aufmerksamkeit erlangen und die Besucherzahlen um ein Vielfaches steigern. Diese schnellten in der Völkerkundesammlung von anfangs jährlich rund 4.700 auf über 15.000 Besucher in die Höhe. In der Kunsthalle St. Annen erreichte sie mit der Ausstellung „Welten entdecken“ sogar über 24.000 Besucher. Sie setzte in Lübeck neue Maßstäbe, präsentierte u.a. auch kritische, aktuelle und weltbewegende Themen, kombinierte alte und neue Kunst und schuf auch Raum für in Lübeck unbekannte Künstler aus aller Welt.
Für Veranstaltungen und Begleitprogramme hat Sie oft multinationale Verbände gewinnen können wie z.B. die Deutsch-Ibero-Amerikanische-, Deutsch-Italienische-, Deutsch-Griechische-, Deutsch-Indische-, Deutsch-Finnische und die Polnische Gesellschaft. Auch mit den in Lübeck vertretenen Religionsgemeinschaften baute sie ein gutes Netzwerk auf. Gerne wirkten sie z.B. bei Ausstellungen und der Podiumsdiskussion „Fremde Freunde?“ im Rahmen der Ausstellung „Salaam Lübeck“ mit.
Brigitte Templin leistete in Lübeck mit ihren neuen Ideen Pionierarbeit in der Museumspädagogik. Die verschiedensten Programme erfreuten sich größter Beliebtheit bei Kindern und Jugendlichen. Unter anderem rief sie im August 1999 den „Krokodil-Mumien-Klub“ ins Leben, der sehr schnell, einmal im Monat, zu einem festen Bestandteil wurde. Mehrere Geschwister-Generationen nahmen daran teil. Auch die jährlich mehrfach stattfindenden Hieroglyphen-Kurse waren immer wieder innerhalb kürzester Zeit ausgebucht. Sie arbeitete gemeinsam mit Schulklassen aller Stufen an Projekten, teilweise wurden diese dann auch in kleinen Ausstellungen präsentiert.
Mit dem ersten Band „O Mensch erkenne Dich selbst…“ begründete Brigitte Templin 2010 die Buchreihe „Lübecker Beiträge zur Ethnologie“. Mittlerweile sind 7 Bände in dieser Reihe erschienen. Neben zahlreichen Begleitpublikationen zu ihren Ausstellungen (siehe Literaturliste) brachte sie 2011 den großformatigen Bestandskatalog mit dem Titel
Ausstellung „Aus dem schönen Haus der Ewigkeit - Die Lübecker Mumie“, 1996-2007
Ausstellung „Wolle, Silber, Seide aus Tunesien“, 1998/1999
„Einblicke" im Rahmen der Ausstellung „Welten entdecken" heraus. Das erste und einzige kleinformatige Buch zum Bestand war 1921 erschienen (Karutz 1921). Dieser 392 Seiten umfassende Katalog, der die Bedeutung der Lübecker Sammlung dokumentiert, gibt Einblick in den Sammlungsbestand und einen Eindruck von seinem Reichtum und seiner Vielfalt anhand von rund 400 ausgewählten Werken aus Afrika, Europa, Asien, Ozeanien und Amerika, die im internationalen Maßstab mit einer Vielzahl von Meisterwerken aufwarten kann.
Dieser überregionalen Aufmerksamkeit und dem gut aufgebauten Netzwerk von Brigitte Templin verdankt die Sammlung auch ihren steten Zuwachs. Durch Schenkungen, Spenden und Nachlässe vieler Kunstwerke sowie traditionellen Gegenständen von Weltreisenden hat sie 3.158 Objekte inventarisiert und somit die Sammlung auf über 26.000 Objekte erweitert. Darunter die herausragende Ausrüstung des Navajo-Medizinmannes Benet Toehe von Prof. Horst Antes und zahlreiche großartige Gegenstände aus Nordamerika von Prof. Dr. Dr. Werner Winter sowie eine hervorragende Asien-Sammlung aus dem Nachlass der zuletzt in England wohnhaften Annelise Rambow und einer Afrika-Sammlung der in München lebenden Helga Hinke.
Neben den erfolgreichen Ausstellungen in der Kunsthalle und dem St. Annen-Museum konnte Brigitte Templin das 2012 begonnene Pilotprojekt „Digitale Erfassung der Objekte der Völkerkundesammlung der Hansestadt Lübeck“ 2016 erfolgreich beenden. Diesem Projektabschluss ging eine Vielzahl von Vorbereitungen voraus, u.a. umfangreiche Fototermine, eine aufwendige Logistik bis hin zur Auswahl von geeigneten Wissenschaftlern.
Eigentlich war Brigitte Templin „ein Kind der ersten Stunde“ im Zeughaus. Sie arbeitete bereits seit Anfang der 1980er-Jahre in der Völkerkundesammlung unter der Leitung der von ihr sehr geschätzten „Lehrmeisterin“ Dr. Helga Rammow. In diese Zeit fiel auch der Umzug der Sammlung von der Dr.-Julius-Leber-Straße in das Zeughaus am Dom. Sie arbeitete mit an der Neuordnung der Bestände im Magazin und bereitete die Eröffnungs-Ausstellung „Aus der Welt des Buddhismus“ mit gleichnamiger Begleitpublikation (Templin 1985) in den neuen Räumen des gerade bezogenen Gebäudes vor.
Brigitte Templin, sie ist in große Fußstapfen getreten und hat diese voll ausgefüllt. Eine faire Chefin und sehr geschätzte Kollegin, etwas ungeduldig, begeisterungsfähig, mit einem unglaublichen fachlichen Wissen, einem ausgeprägten Hang zur Präzision, humorvoll, einem ästhetischen Blick, mit Herz bei und Freude an der Arbeit und oft auf der Suche nach dem Schlüssel. Vor allem aber eine Kämpferin, die in all den Jahren nicht ihren eigenen Ruhm, sondern das Vermitteln von Werten und Wissen zum Wohlergehen der Sammlung in den Vordergrund gestellt hat.
Ausstellung „Spuren und Zeichen – Kunst der Südsee im Dialog mit Bildern von Helmut...