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E-Book

Gerhard Richter - Maler des Unbegreiflichen

Ein SPIEGEL E-Book

VerlagSPIEGEL-Verlag
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl90 Seiten
ISBN9783877631836
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis2,99 EUR
Gerhard Richter ist der berühmteste Maler dieser Zeit, es heißt oft, er habe wie kein anderer die Malerei erneuert - überhaupt treffen auf ihn viele Superlative zu. Zugleich erscheint dieser Künstler vielen wie ein Rätsel, zurückhaltend und doch eloquent, in seiner Kunst pointiert und unbegreiflich zugleich. Dieses SPIEGEL E-Book stellt einen besonderen, auch besonders anschaulichen Weg dar, sich dem Maler zu nähern und seinem Werdegang über sechs Jahrzehnte hinweg zu folgen. Dank der 14 Artikel - der erste stammt aus dem Jahr 1968 - können die Leser den Maler begleiten. Seit einiger Zeit wächst die Faszination auch an seiner Biografie, Richters Leben ist schließlich mit der Zeitgeschichte, mit der Geschichte des Landes verknüpft: 1932 in Dresden geboren, wuchs er in den Jahren der NS-Diktatur auf, wurde in der DDR erwachsen, flüchtete kurz vor dem Mauerbau in den Westen. Dort schrieb er Kunstgeschichte und schreibt sie bis heute.

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Leseprobe
Gerhard Richter im Gespräch
DER SPIEGEL 44/2013

„Mich interessiert der Wahn“


Der Maler Gerhard Richter über die viel zu teure Gegenwartskunst, über Schönheit als Programm gegen die Verwahrlosung und seine künstlerische Auseinandersetzung mit einer schwierigen Familiengeschichte. Von Susanne Beyer und Ulrike Knöfel 
SPIEGEL: Herr Richter, Ihre Bilder erzielen auf Auktionen Höchstpreise, Sie gelten als der teuerste Künstler der Welt. Je berühmter Sie wurden, je mehr man Sie weltweit feierte, desto mehr wurde betont, wie scheu und unnahbar Sie seien. Lebt es sich gut als hochgehandeltes Geheimnis?
Richter: Sicherlich, obwohl ich mich selbst nicht als Geheimnis sehen kann. Ich bin nur relativ zurückhaltend. Ich war nie gut im Reden, habe keinen Spaß daran, das macht etwas scheu. Außerdem bin ich grundsätzlich skeptisch mir selbst gegenüber und anderen gegenüber natürlich auch. Und so bin ich mir auch nie sicher, ob das, was ich tue, richtig, ob es gut ist.
SPIEGEL: Das können wir dem begehrtesten Künstler der Welt leider nicht abnehmen.
Richter: Das müssen Sie aber. Bei anderen habe ich diese schöne Sicherheit immer bewundert. Zum Beispiel die fundamentale Selbstgewissheit bei meinem Kollegen Georg Baselitz, der kann sich leicht auf ein Podium stellen und losreden. Oder früher als Akademiestudent, da erstaunten mich Kommilitonen, die pfeifend vor ihren Bildern saßen, so begeistert waren sie von ihren eigenen Sachen. Ich bin beim Malen eher enttäuscht, dass es bloß wieder ein Bild geworden ist.
SPIEGEL: Bloß ein Bild - um das sich dann der Weltkunstmarkt reißt. Herr Richter, Ihre Bescheidenheit wirkt kokett.
Richter: Zur Selbstzufriedenheit gibt es gar nicht so viel Grund. Warum sollte ich nicht etwas kleinlaut werden bei der Konfrontation mit all den Meisterwerken der Kunstgeschichte? Über das Eigentliche, die Kunst, kann man sowieso nicht reden. Man kann nicht erklären oder gar beweisen, was an einem Bild des niederländischen Altmeisters Pieter Saenredam so gut ist, das kann man nur sehen. Aber zum Trost: Unsicherheit kann ein ganz guter Motor sein.
SPIEGEL: Sind unsichere Menschen bessere Künstler?
Richter: Keine Ahnung. Ich weiß ja nicht, wie der Herr Rubens gewesen ist.
SPIEGEL: Wir haben aber den Eindruck, dass Sie Ihre Zurückhaltung ablegen. Sie haben in den vergangenen Jahren Ihre Geburtsstadt Dresden für sich wiederentdeckt und auch Ihre Freude darüber bekundet. Sie haben wichtige Werke ins Dresdner Museum Albertinum gegeben und wollen dort jetzt auch ein Richter-Archiv mit Dokumenten zu Ihrem Leben, Ihrem Werk unterbringen. Sind Sie tatsächlich dabei, das Geheimnis um sich selbst zu lüften?
Richter: Nochmals: Es gibt kein Geheimnis. Aber ich denke, dass ich nun - mit 73 Jahren - nicht mehr so viel Grund habe, scheu zu sein. Es bringt ja nichts. Man kann ohnehin nicht immer alles richtig machen oder sagen. Ich kann vieles jetzt entspannter sehen.
SPIEGEL: Und doch müssen Sie als Künstler schon immer sehr selbstbewusst gewesen sein: In den sechziger Jahren sind Sie angefeindet worden, weil Sie nach Fotovorlagen malten - was ungewöhnlich war und viele irritiert hat. Aber Sie haben unbeirrt weitergemacht.
Richter: Ja, ja, so allein für mich gab es diese Seite bei mir schon immer, eine Art instinktives Wissen von dem, was gut und schlecht ist. Ich sehe viele Landschaften, fotografiere davon Hunderte, male davon eine oder zwei; ich kann daraus schließen, dass ich weiß, was ich will. Und das scheint mir doch eine gewisse Sicherheit zu geben.
SPIEGEL: Sind die Preise, die für Ihre Werke bezahlt werden, nicht schon Grund genug, selbstbewusst zu sein? Es geht da um Millionen, die ein Auktionator erzielen kann. So mancher Sammler dürfte reich geworden sein, als er ein frühes Bild von Ihnen zur Versteigerung eingereicht hat.
Richter: Von solchen Rekordsummen zu hören ist natürlich erst mal sehr erfreulich, und zugleich ist es erschreckend. Vor allem aber taugt so was nicht als Motivation zur Arbeit. Wenn ich nicht gut drauf bin, nehme ich solche Erfolge sogar als Zeichen, dass die Zeiten verdorben sind, dass die Käufer nichts von Kunst verstehen, dass ich sie vielleicht betrogen habe und dass sie viel zu viel bezahlt haben. Und das tun sie ja nun tatsächlich: allgemein viel zu viel für Kunst zahlen. Da besteht doch ein völliges Missverhältnis zwischen dem Wert und der Relevanz von Kunst und diesen wahnwitzigen Preisen, die dafür gezahlt werden.
SPIEGEL: Was soll so furchtbar daran sein, viel Geld für Kunst auszugeben?
Richter: Es gibt ja auch Käufer, die ein Werk per Telefon ersteigern, das sie nie gesehen haben. Das ist kein Kunstverständnis, das ist Verwahrlosung und gehört zum Kulturabbau. Der Sinn und das Interesse für Kunst verschwindet. Vielleicht geht es den Menschen darum, ihr Kapital anzulegen. Aber es ist nicht so, dass sie die Kunst noch brauchen.
SPIEGEL: Und ob sie das tun. Die Leute laufen doch in Massen gerade in Ihre Ausstellungen, dabei machen Sie es dem Publikum nicht immer leicht. Sie sorgen dafür, dass man Ihren Bilder-Kosmos schwer deuten kann. Da wechseln sinnliche Landschaften mit strengen Farbtafeln oder schwelgerischbunter Abstraktion. Von einer „unerbittlichen Neutralität“ Ihrer Kunst war mal die Rede. Selbst die Kritiker scheinen nicht schlau aus Ihnen zu werden.
Richter: Warum sollten die per se klüger sein als andere Kunstinteressierte? Sie haben nur das schwierige Los, sofort formulieren zu müssen, was die Bilder meinen. Da kommt es dann zu Behauptungen wie der, dass es sich bei meinen Gemälden um Malerei über Malerei handelt, dass das also gemalte Konzeptkunst sei, distanziertes Virtuosentum, Verweigerung, Verschleierung und was weiß ich.
SPIEGEL: Das sind Begriffe, mit denen Ihre Kunst seit 30, 40 Jahren beschrieben wird. Alles falsch?
Richter: Ja. Denn die Sache ist viel einfacher, meine Bilder sind viel mitteilsamer als die der meisten meiner Kollegen. Ich verschleiere doch kaum etwas. Im Gegenteil: Mir ist das fast peinlich, dass ich mich, mein Leben in den Bildern so ablesbar zeige.
SPIEGEL: Heute weiß man, dass es sich bei den Menschen auf Ihren Porträts oft um Familienmitglieder handelt und welche Geschichten sich da verbergen - das Bild Ihrer Tante Marianne etwa, die im Februar 1945 umkam, oder Ihr Onkel Rudi in Wehrmachtsuniform. Warum sind die autobiografischen Bezüge in Ihrem Werk so lange ignoriert worden?
Richter: Ich hatte gar kein Interesse daran, dass darüber gesprochen wird. Ich wollte doch, dass man die Bilder sieht und nicht den Maler und seine Verwandten, da wäre ich doch irgendwie abgestempelt, vorschnell erklärt gewesen. Tatsächlich hat mich das Faktische - Namen oder Daten - auch gar nicht so interessiert. Das alles ist wie eine andere Sprache, die die Sprache des Bildes eher stört oder sogar verhindert. Man kann das mit den Träumen vergleichen: Sie haben eine ganz spezifische, eigenwillige Bildsprache, auf die man sich einlassen oder die man vorschnell und falsch übersetzen kann. Natürlich kann man Träume auch ignorieren, nur wäre das schade, sie sind ja nützlich.
SPIEGEL: Inzwischen werden all Ihre Werke und Ihre Biografie bis ins kleinste Detail durchleuchtet. Als Sie vor ein paar Jahren Bilder präsentierten, auf denen Ihre Frau Sabine und Ihr kleiner Sohn Moritz zu sehen waren, galt das wie eine Offenbarung, als Richters Bekenntnis zu einer neuen Empfindsamkeit - kein Feuilleton, das nicht darüber berichtete.
Richter: Diese Art der Berichterstattung führt von den Bildern weg, da wird ein ganz anderer Bedarf gedeckt, der nach Klatsch. Ich kann das auch verstehen. Wenn ich beim Zahnarzt in der „Bunten“ blättere, unterhält mich Klatsch ja auch. Zum Werkverständnis können biografische Details nur bedingt beitragen, und natürlich muss man erst einmal das Bild kennen. Man glaubt halt gern, dass man Francis Bacons Bilder deshalb so viel besser versteht, weil man erfahren hat, dass er schwul ist.
SPIEGEL: Anfang September erscheint ein Buch des Journalisten Jürgen Schreiber über Ihre Tante Marianne, die in den vierziger Jahren Opfer eines Euthanasie-Mordes wurde. Ihr erster Schwiegervater, ein Medizinprofessor in Dresden, war in solche Untaten verstrickt. All das wird in dem Buch rekonstruiert - der Ausgangspunkt ist ein von Ihnen gemaltes Bild Ihrer Tante. Passt Ihnen das?
Richter: Nun ja, so was geschieht, ob mir das passt oder nicht. Was mich natürlich stört, ist die Aufmachung, also diese reißerische Titelei wie „Das Geheimnis des Malers“ oder „Das Drama einer Familie“. Das ist schon sehr kitschig. Das Buch selbst kenne ich noch nicht, es wird so sein wie der Bericht von Jürgen Schreiber im „Tagesspiegel“ vor einem Jahr, nur mit sehr viel mehr Fakten und viel weiter gehenden Recherchen. Wenn das Buch hält, was der Bericht versprach, wäre ich sehr erfreut.
SPIEGEL: Warum?
Richter: Weil es immer interessant ist, wenn man etwas über sich erfährt, was man vorher nicht wusste. Das sind Familiengeschichten, die im Nachhinein richtig gestellt und damit verständlicher werden, oder solche, die überhaupt erst ans Licht gebracht werden. Und auf diese Weise können diese Bilder von Tante, Onkel, Vater und so weiter im Nachhinein eine zusätzliche Bedeutung...
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