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Entgleisung

Eine ehemalige Mitarbeiterin von Donald Trump packt aus

AutorKarsten Petersen, Omarosa Manigault Newman, Thomas Pfeiffer
VerlagPiper Verlag
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl384 Seiten
ISBN9783492992695
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
Nur wenige Mitarbeiter in Donald Trumps engstem Kreis kennen den Präsidenten länger und besser als Omarosa Manigault Newman. Bereits vor fünfzehn Jahren begegneten sie sich am Set einer TV-Show, setzten die Zusammenarbeit während des Präsidentschaftswahlkampfs fort und arbeiteten schließlich Tür an Tür im Weißen Haus. Beruflich profitierte Manigault Newman von der Nähe zu Trump - als Mensch hielt sie seine Verunglimpfungen von Frauen, Afroamerikanern und Kritikern irgendwann nicht mehr aus. Trotz handfester Drohungen aus Trumps engstem Kreis entschied sie schließlich, mit Beweisen für Korruption, Rassismus und Inkompetenz an die Öffentlichkeit zu gehen. »Entgleisung« ist ihr erschütternder Insiderbericht über den besorgniserregenden Zerfall der US-Demokratie und die moralischen Abgründe im System Trump.

Bevor Omarosa Manigault Newman in führender Funktion für die Kommunikationsabteilung des Weißen Hauses tätig war, arbeitete sie unter anderem vor und hinter der Kamera diverser TV-Shows sowie als Dozentin an der Howard School of Business. Heute lebt sie mit ihrem Mann in Jacksonville, Florida.

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Leseprobe

Einleitung


Loyalität vor Logik

Seit ich in jener Nacht nach meinem Rauswurf aus dem Weißen Haus durch die Tore des West Executive Drive hinausfuhr, habe ich viel Zeit gehabt, über die Geschehnisse der letzten fünfzehn Jahre nachzudenken. Die folgenden Monate waren sehr emotional und anstrengend, aber auch läuternd.

Im Nachhinein wird mir klar, dass es viele Gründe gegeben hatte, weshalb ich die Trumpworld hätte verlassen können – und vielleicht auch sollen. Aber jedes einzelne Mal entschied ich mich dafür zu bleiben. Viele Leute haben sich gefragt, warum ich Präsident Trump fast fünfzehn Jahre lang unterstützte. Die einfache Antwort auf diese sehr komplexe Frage lautet: Ich blieb aus Loyalität.

Loyalität ist ein Reizthema, was Donald Trump betrifft. Seine fast schon mafiaartigen Loyalitätsanforderungen sind umfassend, in Stein gemeißelt und hin und wieder unethisch – wie im Fall von James Comey. Aber für die Menschen in der Trumpworld ist bedingungslose Loyalität eine absolute und unerschütterliche Notwendigkeit, ähnlich der Hingabe von Mitgliedern einer Sekte.

Meine Mitgliedschaft in der Trumpworld begann 2003, als ich in meinen Zwanzigern war. Er war einer der berühmtesten Männer in Amerika, ein Geschäftsmann, den ich bewunderte und dem ich nacheifern wollte. Ich bin in Armut und mit Sozialhilfe aufgewachsen, und ich schaute zu wohlhabenden Persönlichkeiten wie ihm auf. Ich wollte seinen außergewöhnlichen Erfolg selbst erleben, ein Leben in Wohlstand und Luxus führen wie er. Donald Trump war unheimlich intuitiv und äußerst scharfsinnig. Er schien es zu spüren, wenn bestimmte Personen anfällig dafür waren, von seiner Macht beeinflusst zu werden und sich seinen Loyalitätsansprüchen zu beugen – wie man später bei Leuten wie seinem langjährigen Anwalt Michael Cohen, seinem ersten Wahlkampfmanager Corey Lewandowski und Hope Hicks sehen konnte. Seine Forderungen stiegen mit der Zeit, ebenso wie die Loyalität seiner Anhänger.

Selbst wenn jemand aus der Trumpworld verbannt wird, ist es meist nur vorübergehend. Niemals geht man so ganz. Sobald man sie verlässt, holen sie einen zurück, wie den abgesägten Berater Steve Bannon (jetzt zurück in einer inoffiziellen Funktion), den hinausgeworfenen Wahlkampfmanager Lewandowski (jetzt für Mike Pences Lobbygruppe PAC, das Political Action Committee) oder Trumps persönlichen Assistenten John McEntee (jetzt Mitarbeiter der Wiederwahlkampagne).

Nur wenige Tage nach meinem Abschied aus dem Weißen Haus erhielt ich einen Anruf von Eric Trump und seiner Frau Lara. Sie riefen mich gemeinsam aus Mar-a-Lago an, um sich nach mir zu erkundigen. Lara sagte: »Sie wissen, wie sehr wir Sie lieben, wie sehr DJT Sie liebt. Das Erste, was er am Donnerstagabend zu mir sagte, war: ›Wo ist Omarosa? Geht es ihr gut?‹ Er will sichergehen, dass es Ihnen gut geht und man sich um Sie kümmert. Ich würde Sie gerne an Bord der Kampagne haben.«

Sie rief im Namen des Präsidenten an, der mir eine leitende Position für seine Wiederwahlkampagne 2020 anbieten wollte. Ich bedankte mich bei Lara und bat sie, mir die Details des Angebots in einer E-Mail zu schicken, die ich kurz darauf auch erhielt. Ich rief John an und erzählte ihm von der Nachricht. Er konnte es nicht fassen.

Jemanden nach einem Missbrauch mit Liebe und Freundlichkeit zu behandeln ist eine klassische Taktik von Sekten. Ich fühlte mich manipuliert, weigerte mich aber, das zuzulassen.

Bevor sie auflegte, erwähnte Lara noch einen kürzlich in der New York Times von Katie Rogers und Maggie Haberman verfassten Artikel über meine Entlassung, in dem unter anderem Folgendes zu lesen war: »Mrs. Newman sagte im Good Morning America-Interview: ›Ich habe Dinge gesehen, die mich beunruhigt haben, die mich verärgert haben, die mich tief und emotional berührt haben, die meine Community und mein direktes Umfeld beeinflusst haben. Es ist eine tiefgründige Geschichte, von der ich weiß, dass die Welt sie hören will‹ … [Mrs. Newman] hatte versucht, ›ernste Bedenken‹ über ein Thema zu äußern, das ›den Präsidenten in hohem Maße betreffen würde‹. Ehemalige und aktuelle Mitarbeiter des Weißen Hauses sagten, sie seien sich unsicher, worauf sie sich bezog … Die Frau, die einen Ruf als ultimativer TV-Bösewicht pflegte, drängt die Zuschauer, dranzubleiben und herauszufinden, warum sie wirklich gegangen ist.«

»Das ist etwas, das man den Leuten nicht erzählen sollte«, fuhr Lara fort. »Wenn Sie wieder an Bord kommen, dürfen solche Dinge auf keinen Fall erwähnt werden.«

Im ersten Moment nahm ich an, dass sie sich damit vor allem auf das N-Wort-Tape aus der Zeit von The Apprentice bezog. Oder waren es die fast fünfzehn Jahre voller Insider-Informationen aus der Trumpworld, in die ich eingeweiht war?

Ich habe das Angebot des Präsidenten abgelehnt, für seine Wiederwahlkampagne 2020 zu arbeiten. In meiner Antwort, in der ich die Stelle ablehnte, erklärte ich, dass ich nicht daran interessiert sei, in irgendeiner Funktion für seine Kampagne, sein Unternehmen, seine Familie oder für ihn direkt zu arbeiten. Mein Bruch mit Donald Trump war nicht nur eine Reaktion auf den Groll darüber, wie John Kelly und das Team von Anwälten mich in jener Nacht im Situation Room eingesperrt und gekündigt hatten. Die Veränderung in meinem Denken und Fühlen rührte von einer Kombination verschiedener Faktoren her, ausschlaggebend war aber meine wachsende Einsicht, dass Donald Trump wirklich ein Rassist, Fanatiker und Frauenhasser war. Meine Gewissheit über das N-Wort-Tape und seine häufige Verwendung dieses Wortes waren die Spitze eines hohen Berges wirklich abstoßender Dinge, die ich mit ihm erlebt hatte, insbesondere in den letzten beiden Jahren. Letztendlich hatte ich begriffen, dass der Mann, den ich so lange so gut zu kennen glaubte, in Wahrheit ein Rassist war. Die Verwendung des N-Wortes zeigte nicht nur die Art und Weise, wie er sprach, sondern – und das war noch verstörender – auch, wie er über mich und generell über Afroamerikaner dachte.

*

Einige Leute könnten jetzt einwenden, dass sie Trumps wahres Gesicht seit Langem kannten, warum also nicht ich? Ich bin mir nicht sicher, ob ich dazu in Anbetracht unserer langen gemeinsamen Geschichte und der langen Zeit, in der unsere Verbindung gewachsen war, in der Lage gewesen wäre.

Von allen ehemaligen Apprentice-Kandidaten war ich die Erste, die Donald Trump unter seine Fittiche nahm, in die er Geld investierte, die er in seine Kampagne und ins Weiße Haus holte. Bei unserem ersten Treffen ging es ihm darum, dass seine Show hohe Einschaltquoten erzielte und ein durchschlagender Erfolg wurde. Ich war darauf aus, den Job zu bekommen, eines seiner Unternehmen zu leiten und von einem der, wie er sich selbst beschrieb, »erfolgreichsten Geschäftsmänner aller Zeiten« zu lernen. Und sollte ich auf diesem Weg zu Ruhm und Reichtum gelangen, umso besser.

Immer wieder wurde uns gesagt, wie glücklich wir uns schätzen durften, aus 215 000 Bewerbern für die erste Staffel der Show ausgewählt worden zu sein. Und ja, ich fühlte mich sehr glücklich, zu den Auserwählten zu gehören, da es den Verlauf meiner Karriere und meines Lebens radikal veränderte. Unsere Beziehung war symbiotisch, wir haben uns gegenseitig ausgenutzt. Trump und NBC benutzten mich, um für die Show zu werben, sich für einen Emmy in Position zu bringen und ein breiteres Publikum anzusprechen. Ich benutzte den Erfolg der ersten Staffel, um meine Hollywood-Karriere mit mehreren Shows, Filmen, einem Buch-Deal und Promi-Auftritten zu pushen. Damals war es höchst lukrativ, Teil der Trumpworld zu sein.

Auch gesellschaftlich zahlte sich die Verbindung aus. Die Leute fanden es unglaublich cool, dass ich Donald Trump persönlich kannte. Ich weiß gar nicht mehr, wie oft jemand zu mir kam und sagte: »Wow, du kennst ihn! Wie ist er denn wirklich? Ist sein Haar echt?« Sie waren fasziniert von ihm – und von mir, weil ich ihn kannte.

Der Donald Trump von 2018 ist nicht mehr derselbe Mann, der er 2003 war. Als ich ihn traf, stimmten wir in vielen unserer Überzeugungen überein. Er identifizierte sich mit den Demokraten und war für eine vernünftige Waffenkontrolle, etwa für das Verbot von Angriffswaffen. Er unterstützte die Legalisierung von Marihuana, die Einführung einer allgemeinen Krankenversicherung und sogar eine Steuererhöhung für Reiche. Er hielt Hillary Clinton für eine »großartige« Senatorin und spendete Geld für ihre Kampagnen und mindestens 100 000 Dollar an die Clinton-Stiftung. Zwischen damals und seinem Einstieg ins Präsidentschaftsrennen wechselte er seine Parteizugehörigkeit mehrmals und landete schließlich bei den Republikanern. Als er auf CNN bei Larry King Live die Einsetzung eines Sondierungskomitees für eine mögliche Präsidentschaftskandidatur ankündigte, sagte er: »Ich bin registrierter Republikaner. Ich bin ein ziemlich konservativer Typ. Ich bin etwas liberal in sozialen Fragen, vor allem im Gesundheitswesen und so weiter und so fort … Ich denke, dass es niemand wirklich draufhat. Die Demokraten sind zu weit links … Die Republikaner sind zu weit rechts.«

Ich könnte nicht behaupten, dass ich anderer Meinung war. Zu Beginn seiner Kampagne erhielt ich Anrufe und Nachrichten von Freunden und Vertrauten, die mich warnten, ich solle mich nicht benutzen oder gar ausnutzen lassen – eine Besorgnis, die mich irritierte. »Donald und ich kennen uns seit Jahren«, antworte...

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