2 Die Erfolgsintelligenz-Faktoren
„Man kann nichts dagegen tun, dass man altert, aber man kann sich dagegen wehren, dass man veraltet.“
Lord Samuel [2]
2.1 Innovationsfreude
Erfolgsintelligente Menschen streben unermüdlich nach Innovationen. Der Wunsch nach Verbesserung ist durch ihre innere Haltung begründet: Erfolgsintelligente Menschen versuchen, die besten Vorgehensweisen für sich zu erobern. Sie versuchen nicht, das Rad neu zu erfinden, sondern konzentrieren sich auf positive Vorbilder und Impulsgeber. Dabei müssen sie lernen, Altes und Eingefahrenes abzulegen, d.h. sich von liebgewonnenen Gewohnheiten zu trennen, um Platz für neue Erfahrungen und Handlungsweisen zu schaffen.
Die Aufgabe von Führungskräften ist es dabei, Freiräume für innovatives Arbeitsverhalten zu schaffen, indem sie ihre Mitarbeiter dazu ermuntern, einmal über den eigenen Tellerrand zu schauen, z.B. in andere Betriebe hineinzuschnuppern und sich dort nach Verbesserungsmöglichkeiten umzusehen. Natürlich müssen sie dann auch die Möglichkeit schaffen, eigene Ideen und Vorschläge gezielt in die Tat umzusetzen, denn wer seine Angestellten in ihrem natürlichen Streben nach Optimierungsmöglichkeiten einengt und zu viele künstliche Grenzen setzt, missachtet eine wichtige Erfolgsmaxime: Die Zukunft jedes Unternehmens hängt von der Innovationsfreude seiner Mitarbeiter ab.
Innovationsfreude wird von der natürlichen Neugier der Menschen gespeist. Für Mitarbeiter gilt, sich die Freiräume zu schaffen, in denen sie Neues wagen können. Die Sätze „Das haben wir immer so gemacht“, „Das geht nicht“, „Bei uns ist alles ganz anders“ sind Ausdruck von Verharren. Menschen, die so denken, werden sich nur unter starkem äußerem Druck auf die Suche nach Innovation begeben. Sie sind im Alten verhaftet, sie sitzen in ihrem Erfahrungsgefängnis.
Fazit
Erfolgsintelligente Menschen begrüßen Neues und suchen aktiv danach. Ein wichtiger Punkt ist hier der Austausch mit den Kollegen. Wer danach fragt, wie andere an Probleme herangehen, bleibt offen für neue Ideen und Perspektiven.
2.1.1 Grundvoraussetzungen für innovatives Handeln
Abb. 2: Die Grundvoraussetzungen für innovatives Handeln.
Voraussetzung 1: Altes verlernen!
Um wirklich frei für Innovationen zu sein, müssen wir lernen zu verlernen. „Verlernen“ heißt hier, Altes und Überkommenes zu löschen – genau wie im Business-Re-Engineering [3], in dem man sich nicht darauf konzentriert, Abläufe zu verbessern, sondern ganze Produktionswege neu erdenkt. Fachwissen ist nicht selten ein Hemmschuh auf der Suche nach Innovationen. Viele Fach- und Führungskräfte tragen schwer an ihrer langjährigen Erfahrung. Sie macht es Ihnen oft schwer, sich von Altem und Überholtem zu trennen.
Hinweis
Erfolgsintelligente Menschen wissen um die Relevanz von Informationen. Sie erkennen aber auch die Gefahr, dass zu viel Detailwissen für große Aufgaben und große Fragen blind macht. „Verlernen“ heißt, den Mut zu entwickeln, immer wieder neue Perspektiven zu suchen
„Verlernen“ bedeutet auch, eine neue Sichtweise, nämlich die des Kunden, anzunehmen und die Frage zu stellen „Wie können wir uns gegenseitig die Arbeit erleichtern?“, „Was können wir tun, damit unsere Klientel noch zufriedener mit uns ist?“. Erfolgsintelligente Menschen befragen ihre internen und externen Kunden, was diese benötigen. Sie gehen nicht davon aus, dass sie schon wissen, was diese brauchen.
Mein Tipp
Stellen Sie Fragen, interviewen Sie Ihre Kunden nach ihren Schwerpunkten und ihren Bedürfnissen!
Voraussetzung 2: Freiräume schaffen!
Für Führungskräfte bedeutet das Streben nach Innovation, ein enormes Vertrauen in sich und die Mitarbeiter zu entwickeln und Abstand von alten Führungsvorstellungen zu nehmen.
Hinweis
Erfolgsintelligente Führungskräfte investieren in ihre Mitarbeiter. Sie bieten ihnen Experimentierfelder.
In einem Unternehmen, in dem Misstrauenskultur vorherrscht, werden diese Experimentierfelder mikroskopisch klein sein. In einem Unternehmen jedoch, das eine lebendige Vertrauenskultur entwickelt hat, finden sie sich in großer Zahl und Vielfalt.
Es ist sinnvoll, als Führungskraft einen gärtnerischen Ansatz zu vertreten, d.h. die eigene Rolle im Unternehmen so zu formulieren: „Ich bin Förderer, ich bin Heger und Pfleger meiner Mitarbeiter, und ich gebe ihnen die Chance, sich zu erproben.“. Heute müssen Führungskräfte ihre Autorität erwerben und verdienen. Die Mitarbeiter sind anspruchsvoller geworden. Sie möchten die persönliche Stärke und Reife des Vorgesetzten sehen. Das erleichtert ihnen die Integration in der Organisation und die Identifikation mit dem Unternehmen.
Voraussetzung 3: Innovative Ideen belohnen!
Gefährlich wird es für Führungskräfte, wenn sie sich bei gelungenen Innovationen die Feder an den eigenen Hut stecken. Bedauerlicherweise haben wir in Deutschland das weit verbreitete Problem, dass Führungskräfte schnell Andere für etwaige Fehler kritisieren und tadeln, Erfolge aber gern auf ihr eigenes Konto verbuchen.
Hinweis
Es gibt Organisationen, die folgendes Personalentwicklungsinstrument anwenden, das da lautet: „Vorgesetzte werden nur befördert, wenn sie eine Gruppe, ein gutes Team, entwickelt haben.“ Und so ist der Vorgesetzte gezwungen, die Ergebnisse, Leistungen und Erfolge einzelner Gruppenmitglieder sowie der gesamten Gruppe seinem nächst höheren Vorgesetzten vorzustellen. Wenn er eine gute Gruppenleistung erreicht hat, dann empfiehlt er sich für weitere Beförderungen, so dass sein Team größer wird.
Oft benennen Vorgesetzte nur ungern die Urheber wichtiger Ideen und Vorschläge. Sie ziehen es vor, sie unter eigenem Namen zu veröffentlichen. Dies hat zur Folge, dass viele Mitarbeiter innerlich Widerstand leisten und keine Vorschläge mehr bringen – nach dem Motto: „Wenn ich meine Idee vorbringe, ernten andere die Lorbeeren“. Kreativer sind hier vor allem die Startups, die sich ganz anderen Arbeitsmethoden verschreiben und damit sehr erfolgreich sind.
In größeren Firmen dagegen lebt der Arbeitnehmer zwei Leben, ähnlich wie Dr. Jekyll und Mr. Hyde: Beim Betreten seines Unternehmens begibt er sich in ein enges Zwangskorsett, das er erst nach Feierabend wieder ablegt. Der Preis der Arbeitsteilung ist es, dass Mitarbeiter zu hören bekommen: „Du bist hier zum Arbeiten und nicht zum Denken!“ oder „Schwätz nicht, schaff weiter!“ und gezwungen werden, sich in engen Grenzen zu bewegen. Erfolgsintelligente Menschen haben die Kraft, diese Grenzen zu sprengen.
Hinweis
Moderne Führungskräfte müssen Mitarbeiter dazu ermutigen, Neues zu probieren, Fehler machen zu dürfen, aus diesen Fehlern zu lernen, sich dadurch weiterzuentwickeln und dies als Teil der Unternehmenskultur zu etablieren.
Voraussetzung 4: Weg vom betrieblichen Vorschlagswesen!
Das klassische Modell des betrieblichen Vorschlagswesens ist inzwischen völlig überholt. In einzelnen Branchen mag diese Methode Geld gespart, vielleicht die Produktivität gesteigert haben. In der Regel ist die Wirkung solcher Programme jedoch eher bescheiden. Einige wenige Mitarbeiter erhalten dadurch z.T. extrem hohe Prämien, viele andere gehen leer aus, was natürlich die allgemeine Motivation in Bezug auf Innovationen nicht erhöht.
Unzeitgemäß und zu wenig individuell
Das alte betriebliche Vorschlagswesen hat viele negative Seiten, angefangen bei der Zeit, die es dauert, bis der Vorschlag ausgewertet wird, bis hin etwa zu Unklarheiten bei der Vergütung. Dieses System ist auf Einzelne zugeschnitten, Gruppenentwürfe lassen sich nur schwer zuordnen. Alles in allem ist dies kein zeitgemäßes Mittel mehr, um innovativ zu arbeiten.
Es existieren vielfältige Verbesserungssysteme. Z. B. ist die Geschäftsleitung nicht an Verbesserungsvorschlägen interessiert, sondern nur an umgesetzten Verbesserungen. Deshalb wurde ein System entwickelt, das eine Vergütung pro Kopf der Beteiligten an einer realisierten Verbesserung festlegt. Dieser Betrag wird in einen Topf eingezahlt, der am Ende des Jahres zu gleichen Anteilen an alle Mitarbeiter verteilt wird.
Ein neues digitales Formular soll eingeführt werden. Die Person, die die erste Idee hat, bespricht die Formularänderung mit zwei Kollegen, die dieses Formular maßgeblich mitverwenden. Sie holt sich bei seinem Controller bzw. einem Vorgesetzten die Druckfreigabe. Bis dieses Formular im Unternehmen wirklich zur Verwendung kommt, haben z. B. sieben Personen mitgewirkt. Für diese sieben Personen wird ein von Mettler Toledo festgelegter Betrag in einen Topf gegeben, und der aktuelle Gesamtbetrag wird täglich in der Eingangshalle für jeden sichtbar angezeigt.
Es ist nicht sinnvoll, Vorschläge zu finanzieren, weil Vorschläge doch weitaus dünner und blasser sind als realisierte Verbesserungen. Unternehmen, die Hunderte von Vorschlägen abzuarbeiten haben, bekommen in der Regel einen administrativen Vorschlagsstau, der Frust erzeugt und sich negativ auf die Innovationsfreude im Betrieb auswirkt. Das System nach Mettler-Toledo setzt auf die Kreativität, Erfolgsintelligenz und das praktische Können und Wissen...