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E-Book

Die Arena von Pola

Eine kleine Kulturgeschichte des Amphitheaters von Istrien

AutorFrank Wiggermann
VerlagStudienverlag
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl140 Seiten
ISBN9783706559300
FormatePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis17,99 EUR
Amphitheater - heute monumentale Zeitzeugen der römischen Hochkultur - waren ursprünglich Schauplätze des Zur-Schau-Stellens und öffentlichen Verhandelns von Kultur, der Spiele und der Gewalt. Welche Bedeutung die Menschen - Einheimische wie Reisende - im Lauf der Zeit dem Amphitheater in Pola auf der Halbinsel Istrien zugeschrieben haben, ist Gegenstand dieser kleinen Kulturgeschichte. Sie erzählt von der Stadt und ihren Menschen, von deren Interaktionen mit der Architektur und der lange nachhallenden Symbolkraft des antiken Erbes. Ob die Arena von Pola offen oder unzugänglich war, instand gehalten wurde oder verwahrloste, als Bühne kulturell-politischer Veranstaltungen genutzt wurde oder eingemauert und isoliert dastand: Die Überschreibungen und Nachnutzungen der Arena haben sich stetig verändert und laufen parallel zur Geschichte der Stadt, die in den ersten nachchristlichen Jahrhunderten ihre Blütezeit erlebte und sich in den Wirren der Geschichte immer wieder stark verändern musste. Bis in die Gegenwart bleibt das Amphitheater ein stilles Zeugnis des römischen Imperiums und von dessen Herrschaft, das weder an Monumentalität noch an Eindruck verloren hat.

Frank Wiggermann, geb. 1971, Studium der Geschichte und evangelischen Theologie in Münster/Westfalen und Wien. Dissertation über die konfliktreiche Beziehung zwischen k. u. k. Kriegsmarine und Italienern in Pola. Sein Forschungsinteresse seitdem: österreichisch- italienische Geschichten im 19. und 20. Jahrhundert.

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Leseprobe

Die Blüte.
Das Amphitheater in römischer Zeit


Im riesigen kulturellen Bereich der römischen Vergangenheiten bilden die Amphitheater eine besonders beständige Größe – durch die Jahrhunderte bis heute. Das römische Mittelmeer bildete eine Einheit, dank des Klimas, des Weines und der Oliven, die dort gediehen, aber auch des Wassers5 – und der römischen Amphitheater.

Wahrscheinlich hat schon C. Iulius Caesar in den 40er Jahren des 1. Jahrhunderts v. Chr. eine neue Siedlung oder Kolonie Pola geschaffen und in seine Romanisierungspolitik einbezogen6. Nachdem Caesar den Bürgerkrieg gegen Pompeius gewonnen hatte (47 v. Chr.), soll der siegreiche Diktator die Gründung einer Reihe von Kolonien längs der östlichen Adriaküste in Angriff genommen haben, da-runter die Errichtung Polas, der so genannten Colonia Pietas Iulia Pola.

Vitruvius, der römische Ingenieur-Architekt, der in Caesars Heeresdienst Erfolg hatte, aber wohl kaum eigene Bauten durchführte, beschäftigte sich in seinen Zehn Büchern über Architektur ausführlich mit der Auswahl des Platzes für halbrunde griechisch-römische Theater unter hygienischen und akustischen Gesichtspunkten. Er empfahl höher gelegene Plätze und die Durchführung des Theaterbaus an Berghängen7. An der Lage des späteren Polaer Amphitheaters, dessen Symmetrie und Dekor hätte er seine Freude gehabt. Aber das doppelte Theater (Amphi-theatrum), ein aus zwei einander gegenübergestellten griechischen Theaterhälften geschaffener singulärer römisch-italischer Bautyp für Gladiatorenspiele und Tierhetzen (munera et venationes), hatte sich noch nicht reichsweit durchgesetzt8. Vitruv zog das Theater dem Amphitheater vor. Bis zur Mitte des 1. Jahrhunderts v. Chr. – und darüber hinaus im griechisch sprechenden Osten des Römischen Reiches, wo nur selten Amphitheater gebaut wurden9 – fanden öffentliche Spiele wohl eher im Zirkus oder dem Theater einer römischen Stadt statt.

Erst jenseits der Ermordung Caesars im Jahr 44 v. Chr. hat Octavian, der Adoptivsohn und Erbe Caesars, der neue Augustus (27 v. Chr.–14 n. Chr.), die Anlage der Kolonie Pola vollendet. Straßen und Plätze wurden angelegt, ein Aquädukt gebaut und die öffentlichen Gebäude einer römischen Stadt eröffnet. Der perfekte Naturhafen mag die Entscheidung für die Koloniegründung namens Pola begünstigt haben10. Das Klima und Polas privilegierte Lage an der geschützten Bucht begünstigten den Wohlstand Südistriens in der folgenden Kaiserzeit. Die landwirtschaftliche Produktion (Öl, Wein, Getreide) ernährte nicht nur die zahlreichen ansehnlichen villae rusticae und die Bevölkerung der Stadt, sondern ging über den florierenden Handel in den Export11.

Pola wahrte in der Kaiserzeit des frühen 1. Jahrhunderts n. Chr. einen gewissen Vorrang gegenüber den anderen Orten Istriens. Hier war die strahlende Hauptstadt der römischen Religion. Hier errichtete man den Tempel für Roma und Augustus, hier wurde das große Theater auf dem Monte Zaro gebaut12.

Wann das Amphitheater von Pola in die Höhe gezogen wurde? Es gibt keine Inschrift oder Erklärung zum Bau der Arena. Die Abwesenheit einer Widmung bestätigt eher die Annahme, das Amphitheater sei nicht auf Kosten der Kolonie Pola oder privater Mäzene konstruiert worden, sondern von Anfang an ein öffentliches, vom Staat (auch mit lokalen Beiträgen?) finanziertes Gebäude gewesen – wie es auch vom Mittelalter bis in die Gegenwart des 21. Jahrhunderts hinein der Fall gewesen ist13. Der Eigentümer wechselte regelmäßig: vom Patriarchat von Aquileia über die Seerepublik Venedig zum Kaisertum Österreich, vorübergehend nach Frankreich, zurück nach Österreich, über das Königreich Italien schließlich zum sozialistisches Jugoslawien unter Josip Broz Tito und der heutigen Republik Kroatien. Die jeweiligen Landesherren brauchten hierfür keinen besonderen Rechtstitel anzuführen, bis die Frage nach dem Eigentümer im 19. Jahrhundert unvermutet wieder auftauchte14.

Die volkstümlichste Variante zur Genese des Amphitheaters lautete generationenlang so: Antonia Cènide (Caenis), eine Freigelassene (liberta) istrischen Ursprungs, wenn nicht der Geburt, so dem bevorzugten Aufenthalt nach, vom Volk Julia genannt, habe diesen Bau, zweifellos eines der großen römischen Amphitheater aus Stein am Mittelmeer, errichten lassen. Die Caenis, eine Favoritin des Kaisers Vespasian (69–79 n. Chr.), der sie wie eine Gemahlin behandelte, war offenkundig eine fähige Frau, die zwischen Rom und Pola pendelte; sie wusste sich die Gunst des Kaisers zu sichern und nahm erheblichen Einfluss auf Politik und römischen Kult in ihrer Heimat15. So lautete jedenfalls das gängige Narrativ, das bis ins 20. Jahrhundert n. Chr. kolportiert und mit einer feenhaften Legende ausgeschmückt wurde16, allerdings ohne solide dokumentarische Basis. Auftraggeber und Baumeister des Amphitheaters, ebenso die zeitliche Ausdehnung der Arbeiten bis zur Fertigstellung des kolossalen Baus, sind unbekannt. Schriftliche Quellen fehlen.

Möglicherweise dürften die zehn Herrschaftsjahre Vespasians lang genug gewesen sein, um die Arena zu vollenden. Auch der Bau des – doppelt so vielen Zuschauern Platz bietenden – amphitheatrum Flavium (des später so genannten Kolosseums) in Rom begann wahrscheinlich unter Vespasian und wurde von dessen Nachfolger Titus (79–81 n. Chr.) fertiggestellt17. Archäologische, epigraphische, baugeschichtliche und literarische Gewissheiten gibt es allerdings nicht. Neueste Forschungen propagieren eine radikale Frühdatierung des – in mehreren Bauphasen voranschreitenden – römischen Kolosseums auf die spätrepublikanische Zeit. Der grundlegend erneuerte augusteische Vorgängerbau aus dem späten 1. Jahrhundert v. Chr. habe dann als Prototyp für viele Amphitheater in der römischen Welt – auch für die Spielstätte in Pola18 – gewirkt. Einige Jahrzehnte später hätten die flavischen Kaiser das vorhandene Gebäude wiederum erneuert, um ein viertes Stockwerk erhöhen lassen und der stadtrömischen Öffentlichkeit wieder zur Verfügung gestellt – zum Ruhm der flavischen Dynastie19.

Dass Vespasian „seine Tage in Istrien beschloss“20, ist eine Behauptung, die sich mit Suetons positiv gestimmter Lebensbeschreibung des Kaisers (121 n. Chr. verfasst) oder Cassius Dios Römischer Geschichte nicht belegen lässt.

Oder die (bis heute erhaltene) äußere und die innere Hülle des Amphitheaters sind in Pola über einen kürzeren (oder längeren) Zeitraum zusammengewachsen. Jedenfalls hat wohl schon Augustus den im Laufe der Bürgerkriege zerstörten Ort Pola als römische Kolonie neu aufbauen lassen. Der prächtige Augustustempel ist in dieser frühen Kaiserzeit errichtet worden. Vielleicht liegen die Anfänge eines kleinen inneren Amphitheaters ebenso in der augusteischen Zeit (2–14 n. Chr.), als die Kolonie Pola erblühte21?

Aber die Datierungen des Baus im Verlauf der Historiographie und Archäologie schwanken zwischen den Extremen des frühen ersten und des dritten nachchristlichen Jahrhunderts. Immer wieder fallen die Kaisernamen Augustus, Vespasian22 und Septimius Severus (193–211 n. Chr.). Die Geschichtsschreiber boten die unterschiedlichsten Begründungen für ihre Termini an. Das Amphitheater, ein elliptisches beziehungsweise polyzentrisches Doppeltheater23, das man in Pola wie in anderen römischen Städten auch vor den Toren erbaut hatte, ein Bau, der mehr Platz bot, als die römische Kolonie an Einwohnern zählte, regte die Phantasie der Forscher ununterbrochen an. Wir kommen im Laufe der Kulturgeschichte darauf zurück.

Die Arena wuchs im nördlichen Suburbium, ein paar hundert Meter außerhalb der kaiserzeitlichen Stadtmauern, die von Toren durchbrochen waren, empor. Im Nordosten der Kolonie Pola, am Ufer (der Riva) des Adriatischen Meers gelegen, war sie gut erreichbar für die auswärtigen Besucher aus Tergeste (Trieste) und Nesactium. Zwischen Theater und Adria führte die antike Via Flavia, die von Tergeste über Parenzo (Parentium) nach Südistrien gebaut war, in die Stadt Pola. An der Via Flavia, der Seeseite, lagen wohl auch die Hauptzugänge in die Arena24. Das nächste Amphitheater stand erst 180 km nordwestlich in Aquileia zur Verfügung25.

Der Bau fuori le mura hatte, über die gute Erreichbarkeit hinaus, sicherlich weitere Vorzüge: Rund um das Amphitheater war genügend Platz vorhanden; der Gestank der Menschenmassen, Tiere und Nahrungsmittel verflüchtigte sich außerhalb der Stadt; jedwede Tumulte, die man bei solchen Massenveranstaltungen nie ausschließen konnte, wären in der Stadt Pola selbst wesentlich gefährlicher geworden. Außerdem gab die relativ beengte Kolonie Pola keinen Platz her für einen so großen Bau. Und...

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