1. Einführung in die Systemdynamik der Emotionen: „Money-Coaching“
Alle Fallgeschichten sind in der „Wir-Form“ geschrieben – unabhängig davon, ob Cora Besser-Siegmund, Harry Siegmund, Lola Siegmund oder andere Kollegen die wingwave-Coaches sind. Wir beginnen mit einer Coaching-Geschichte zum Thema „Money-Coaching“, in der es um die emotionale Beziehung des 43-jährigen Georg zum Geld geht. Viele Fallbeispiele werden in den jeweiligen Kapiteln sowohl durch eine Info zum Thema Neurobiologie als auch durch eine „Coaching-Story“ zum Thema Systemdynamik ergänzt.
Georg hat sich vor einiger Zeit einen großen Traum erfüllt und sich als Webdesigner in der Großstadt, in der er lebt, selbstständig gemacht. Allerdings verdient er noch nicht genug, um auch alle Kosten zu decken, daher arbeitet er nebenbei weiter in Teilzeit bei seinem ehemaligen Arbeitgeber. Aber sein Wunsch ist die Vollzeit-tätigkeit in der eigenen Firma. „Ich müsste eigentlich ein höheres Honorar nehmen, habe aber Angst davor – nachher ist es den Kunden zu viel und dann kommt keiner mehr. Ich habe auch Schwierigkeiten, Mahnungen zu schreiben, wenn die Kunden nicht zahlen, das muss ich auch irgendwie ändern.“ „Was heißt denn ‚höheres Honorar‘?“, fragt der Coach. „Eigentlich allein schon wegen der Firmenkosten 90 Euro die Stunde – aber das ist viel zu viel. Es gibt Webdesigner, die nehmen weniger als 40 Euro – allerdings gibt es auch sehr große Qualitätsunterschiede. Ich selbst liefere wirklich besonders gute und außergewöhnliche Designs und IT-Lösungen, da habe ich genug Selbstbewusstsein, um das zu sagen. Ich frage mich nur: ‚Erkennen die Kunden diese Unterschiede?‘“, zweifelt Georg.
In der Tat ist Georg ein sehr guter und pünktlich liefernder Webdesigner, die Kunden – viele stammen aus besagter Großstadt – sind äußerst zufrieden und empfehlen ihn weiter. Er könnte es durchaus wagen, sein Honorar zu erhöhen und konsequent die ihm zustehenden Bezahlungen einzufordern, aber ihm fehlt der innere Schwung dazu. Georg kommt nun zum wingwave-Coaching, um herauszufinden, wodurch er sich blockiert fühlt. Er interessiert sich seit längerer Zeit für Psychologie und bringt schon eine Idee mit: „Vielleicht habe ich so einen hemmenden Glaubenssatz wie: ‚Ich bin nicht gut genug‘ oder ‚Meine Arbeit ist nichts wert‘, vielleicht auch: ‚Ich darf nicht erfolgreich sein‘“, ist seine Vermutung. Und er beklagt sich: „Ich staune immer über Leute, die mit ihren Honoraren gar keine Hemmungen haben und dann sogar noch lieblos und unpünktlich arbeiten.“
1.1 Die Emotions-Falle: Geld ist eklig!
Der Coaching-Test fällt allerdings ganz anders als vermutet aus. Bei der wingwave-Methode arbeiten Coach und Coachee mit dem sogenannten Myostatiktest und der sogenannten „Vita-Sprache“ des Coaching-Kunden. So prüft man die emotionale Aufladung eines Wortes oder eines Satzes und das „semantische Netzwerk“, welches das Gehirn mit dem Gesagten verbindet. Damit sind alle Assoziationen aus der persönlichen Lebensgeschichte gemeint, die unser Gehirn in Bruchteilen von Sekunden auf präsentierte Wörter und Sätze hin aktiviert – seien sie gesagt, gedacht, gehört oder gelesen. Der Coachee bildet dabei mit Daumen und Zeigefinger unter Aufwendung maximaler Kraft einen fest schließenden Ring, den der Coach zu öffnen versucht. Gleichzeitig spricht der Coachee einen Satz oder ein Wort aus. Die Ergebnisse von „Mensch testet Mensch“ kann man als recht objektiv betrachten, denn es wurde in wissenschaftlichen Studien bereits bewiesen, dass bei dem Verfahren „Gerät testet Mensch“ immer identische Ergebnisse im Vergleich zum „puren“ Fingertest erzielt werden.
Abbildung 1: Myostatiktest „Mensch mit Mensch“ und Myostatiktest „Maschine mit Mensch“ – die Ergebnisse fallen stets identisch aus.
Wir testen zunächst die Sätze, welche Georg selbst vorgeschlagen hat:
- „Meine Arbeit ist wertvoll.“ starker Test
- „Ich bin ein guter Webdesigner.“ starker Test
- „Ich bin gut genug.“ starker Test
Die Interpretation beim wingwave-Coaching heißt für dieses Ergebnis: Georg fühlt sich sicher und bestätigt mit diesen Sätzen, sie lösen ganz einfach gute, stimmige Gefühle aus. Der Coach bietet nun weitere Sätze an:
- „Ich darf viel Geld verdienen.“ schwacher Test
- „Meine Arbeitsstunde kostet 90 Euro.“ schwacher Test
Beim letzten Satz fällt auf, dass der Muskeltest allein schon bei dem Wort „kostet“ mit großer Schwäche reagiert. Das gilt auch für die Einzelwörter „Geld“, „Euro“ und für die Zahl „90“. Wir prüfen weiter und sogar bei den Zahlen „40“ und „30“ ist die muskuläre Stressreaktion die gleiche. „Dann kann ich’s ja gleich lassen“, lautet Georgs resignierter Kommentar.
Nun bittet der Coach Georg, sein Portemonnaie herauszuholen und ein paar Geldscheine und Münzen herauszuholen. Wingwave-Coaches arbeiten gern sinnlich-konkret an den Themen: Wenn der Klient eine Stressreaktion auf „Geld“ hin zeigt, muss das Geld „höchstpersönlich“ geprüft werden. Wir legen Georg zwei seiner eigenen Geldscheine auf das Knie und prüfen die Muskelreaktion beim bloßen Ansehen der Scheine, der Test fällt stark aus. Das ändert sich sofort, wenn Georg die Scheine berührt oder gar in die Hand nimmt: Jede Berührung mit den Scheinen löst eine Stressreaktion in Form des schwachen Myostatiktests aus. Das Gleiche gilt für die Kreditkarte. Nur bei den Münzen fällt der Test auf die Berührung hin stark aus: „Kleingeld ist anscheinend kein Problem“, kommentiert der Coach. Georg ist von dem Ergebnis und auch von dieser Bemerkung des Coaches gar nicht begeistert: „Was ist da nur los?“
Als Nächstes testen wir mögliche Stressemotionen:
- „Geld macht emotionalen Stress.“ – schwacher Test
Ein schwacher Test heißt immer: Hier gibt es eine Stressquelle, mit der der Coachee aus den eigenen mentalen Möglichkeiten heraus nicht umgehen kann. Der wingwave-Coach prüft, ob er oder sie den Coachee mit einem Satz verunsichern kann. Demnach heißen die Ergebnisse nicht „Ja“ oder „Nein“, sondern sie bedeuten: „Ich kann damit gut umgehen“ (starker Test), oder eben: „Hier ist ein wunder Punkt in meinem System“ (schwacher Test). In diesem Sinne nennt man den Myostatiktest gern auch „Coaching-Kompass“ und die Orientierung an der individuellen Wort- und Satzreaktion eines Menschen „Neurolinguistisches Coaching“ – abgekürzt NLC. Beim Prüfen der vielleicht mit dem Thema verbundenen Stresswörter und Stresssätze führt der Coach durch einen ausführlich definierten „NLC-Aussagenbaum“. Man prüft hier mit dem Myostatiktest verschiedene Emotionswörter, mehrere „Zeitsorten“, wie beispielsweise „Erwachsenenleben“ oder „Kindheit“, und auch die Befindlichkeit eines Gegenübers, mit dem der Klient möglicherweise konfrontiert ist.
Zunächst testen wir bei Georg verschiedene Emotionswörter und es zeigt sich eindeutig, dass der Begriff „Ekel“ mit Schwäche einhergeht, während unser Klient seine Scheine betrachtet. Georg schüttelt den Kopf und sagt nur: „Verstehe ich alles nicht, aber machen wir ruhig weiter.“ Als nächster Schritt wird die Zeitschiene geprüft:
- „Ekel in der Gegenwart“ – starker Test
- „Ekel in der Vergangenheit“ – schwacher Test
Beim weiteren Testen führt der Coaching-Kompass zum Thema „Familie“, dann zum Alter „acht Jahre“ und hier vor allem zum Thema „Vater“. Weiterhin ergibt der Feintest des Aussagenbaums, dass es sich nicht um ein „einzelnes Ereignis“, sondern um ein „immer wiederkehrendes Muster“ in diesem Zeitrahmen handelt. Aber Georg fällt dazu nichts ein: „Eigentlich hatte ich immer ein gutes Verhältnis zu meinem Vater – meine Mutter hingegen hat uns Kindern immer viel Druck gemacht, vor allem gab es immer Ärger wegen der Schule und den Schularbeiten.“ Aber die Testung der Begriffe „Schule“, „Mutter“ und „Schularbeiten“ geht mit einer Kraftreaktion einher. Es kann schon sein, dass ein Mensch in seinem Lebenslauf durch eine Reihe von unangenehmen und schmerzlichen Erlebnissen gestört oder erschüttert wurde. Das muss aber noch lange nicht heißen, dass diese Erlebnisse immer noch unverarbeitet im Stressgedächtnis Unruhe verbreiten. Vieles verkraftet der Mensch mit seinen eigenen mentalen Kräften. Man nennt das „Resilienzvermögen.“ Der Myostatiktest hilft als Coaching-Kompass dabei, nur jene neuronalen Eindrücke herauszufiltern, die auch noch im „Hier und Heute“ das seelische Gleichgewicht ins Wanken bringen – obwohl das auslösende Ereignis historisch schon lange überstanden ist.
Da Georg immer noch keine Erklärung zum Konflikt mit dem Vater einfällt, prüft der Coach weitere Details:
- In der Wohnung – schwacher Test
- Im Wohnzimmer – starker Test
- In der Küche – schwacher Test
„Jetzt fällt mir was ein – ja, das war wirklich furchtbar eklig!“, platzt es aus Georg heraus. „Bitte testen Sie einmal: ,Fett essen‘“ – und tatsächlich zeigt sich bei der Überprüfung dieser Wörter eine deutlich schwache Kraftreaktion. Georg erzählt: „Mein Vater wurde 1940 geboren, mitten im Krieg, und er und seine Familie haben auch noch jahrelang nach Kriegsende gehungert. Später wurde er...