ICH MUSS MEIN LEBEN ÄNDERN
Es gibt Momente im Leben, in denen man das Gefühl hat, den Boden unter den Füßen zu verlieren, oder einfach nicht mehr weiter weiß. Oft fehlt die Idee wie man weitermachen soll. Dabei unterschätzen wir unsere innere Kraft, Dinge ändern zu können!
»Was ist denn die größte Lüge der Welt?«, fragte der Jüngling den Fremden überrascht. »Es ist diese: In einem bestimmten Moment unserer Existenz verlieren wir die Macht über unser Leben, und es wird dann vom Schicksal gelenkt. Das ist die größte Lüge der Welt.«
Dieses Zitat aus dem Buch »Der Alchimist« von Paolo Coelho beschäftigt mich bis heute.
Denn wie wahr diese Zeilen sind, habe ich am eigenen Leib erfahren. Unaufhaltsam wie eine Lawine rollte die Nachricht nach Pfingsten 2008 in mein Leben: Brustkrebs! Wie viele in dieser Situation fragte ich mich – wieso ich? Augenblicklich wurde mir bewusst, wie sehr ich durch mein Leben hetzte, To-Do-Listen abarbeitete und die wirklich wichtigen Dinge hintanstellte. Meine Kinder waren noch so jung und mich überkam Panik. Mit dieser Nachricht hatte mein Leben urplötzlich einen ganz anderen Verlauf genommen als geplant und ich wurde regelrecht aus der Bahn geworfen. Ich fühlte mich hilflos, ausgeliefert, und die Wochen des Wartens bis zur OP drohten mich wahnsinnig zu machen. Da nahm ich die Einladung meiner Freundin, zu ihr nach Ungarn zu kommen, dankbar an. Ich liebe das Reisen, die Gelegenheit, andere Menschen, Kulturen und Länder kennenzulernen. Die Möglichkeit, über den Tellerrand zu schauen und den eigenen Horizont zu erweitern, eröffnet neue Blickwinkel, macht toleranter und geduldiger – und am Ende freut man sich auch wieder auf Zuhause. Doch der sonst so freudige Ausflug an den Balaton, die Spaziergänge durch die Weinreben mit dem herrlichen Blick über den Balaton-See konnten mich nicht beruhigen. Immer wieder krochen Gedanken der Angst in mein Bewusstsein. Wie würde es weitergehen? Wie sollte ich das nur schaffen? Wie wird es den Kindern ergehen? Was würde künftig wirklich wichtig sein? Am liebsten hätte ich meinen Körper im Krankenhaus abgegeben und ihn repariert wieder abgeholt.
»DU MUSST DEIN LEBEN ÄNDERN!«
RAINER MARIA RILKE
Es brauchte eine Weile, bis mir klar wurde, dass ich nur eine Möglichkeit hatte, das Bevorstehende anzugehen: mich der Situation zu stellen und einen Schritt nach dem anderen zu gehen. Zum ersten Mal in meinem Leben war ich krankgeschrieben. Sechs Wochen nach der Diagnose wurde der Tumor entfernt und danach schloss sich eine drei Monate dauernde Therapie an. Die täglichen Fahrten zwischen Zuhause und Krankenhaus gaben mir das Gefühl, gefangen zu sein, eingesperrt wie in einem Hamsterrad. Ich wollte mich nicht über meine Krankheit unterhalten und auch keine Krankengeschichten von anderen hören. Daher mied ich den Wartebereich der Onkologie, kam pünktlich zu meinen Terminen und fuhr danach sofort zurück nach Hause. Den Rest der Tage versuchte ich darüber nachzudenken, was ich in Zukunft machen könnte, aber mir fiel einfach nichts Besseres ein, als mich und meine Situation zu bedauern. Nur eines wollte ich unbedingt: das Heft des Handelns wieder in die Hand nehmen. Aber wie?
Nachdem ich das Buch von Hape Kerkeling »Ich bin dann mal weg. Meine Reise auf dem Jakobsweg« gelesen hatte, überkam mich der unbändige Drang, laufen zu wollen. Ich kaufte mir Wanderkarten, Wanderbekleidung und einen Rucksack. Am ersten Wochenende im Oktober, drei Tage nach der letzten Behandlung, startete ich in Begleitung meiner »großen« Schwester Sonja (sie wollte mich nicht alleine durch die dunklen Wälder laufen lassen) und von Vizsla-Hündin Cleo meinen 10-tägigen Jakobsweg. Jedoch nicht Spanien, sondern der Rheinsteig war unser Ziel, von Hofheim am Taunus in Richtung Bonn. Endlich gehen, wann und wohin ich wollte, so schnell und solange ich konnte, jeden Tag an einem anderen Ort, fast planlos, aber mit Handy. Seitdem weiß ich, dass Deutschland schöne Wanderwege hat. Ich muss wohl ein irres Tempo vorgelegt haben, denn am dritten Tag zog meine Schwester die Reißleine und fuhr erschöpft heim. Sie war nun sicher, dass ich das im Alleingang schaffen würde. Jeder hat nun mal seine eigene Geschwindigkeit und in manchen Situationen ist ein Kompromiss einfach nicht möglich. Jetzt nur noch in Begleitung von Cleo, setzte ich meinen Jakobsweg entlang des Rheins in unvermindertem Tempo fort. Zu dieser Jahreszeit erwarten einen dort am Morgen herbstlich frische Temperaturen mit mächtigen Nebelschwaden über dem Fluss. Auf der Höhe angelangt, fühlt man die ersten Sonnenstrahlen auf der Haut und freut sich über einen weiteren, goldenen Oktobertag in der Natur des Rheintals. Oft wehmütig und manchmal heulend hielt ich am Wegesrand inne, jedoch von Herzen dankbar für mein Leben und die Möglichkeit dieser Freiheit, setzte ich meinen Weg mit einem Lächeln fort. Ich hatte keine Ahnung, wohin mich das bringen würde, jedoch eines wusste ich genau: dass ich nicht mehr so weitermachen wollte wie bisher. Aber was wollte ich denn eigentlich?
DAS GESETZ DER ANZIEHUNG
Auf der Suche nach neuen Impulsen deckte ich mich für die folgenden Wintermonate mit allen Selbsthilfe-Ratgebern ein, die mir in die Finger kamen. Ich fühlte mich wie auf einem Floß ohne Ruder, sprach deshalb regelmäßig mit meiner Psychotherapeutin und häufig mit guten Freunden. Denn ich war wild entschlossen, das Steuerruder meines Lebens wieder zu übernehmen.
In der Hoffnung, Inspiration für meinen künftigen Weg zu finden, verschlang ich ein Buch nach dem anderen. Im Anhang finden Sie eine Liste der Bücher, die mich in den vergangenen Jahren besonders inspirierten. Mein Dank gilt all diesen Autorinnen und Autoren für ihre positiven Denkanstöße, neuen Sichtachsen und Entscheidungshilfen. Wenn ich jedoch jeden einzelnen Rat befolgen würde, wäre ich völlig überfordert. Am Ende muss jeder für sich entscheiden, welcher Weg der richtige für einen selbst ist. Und auf die Spur meines Wegs brachte mich die Lektüre des Bestsellers »The Secret« von Ronda Byrne. Dort stieß ich auf den bekannten US-amerikanischen Coach John Assaraf. Er vertritt die Ansicht, dass, wenn man wisse, was man wirklich wolle, man auch in der Lage sei, eines der großartigsten Gesetze im Universum aufzurufen: das Gesetz der Anziehung.
Dieses Gesetz besagt, dass man das anzieht, auf was man die meiste Aufmerksamkeit richtet, im Positiven wie im Negativen. 1995 hatte John Assaraf begonnen, Dinge, die er sich im Leben wünschte, als Gedankenstütze auf Vision-Boards/Moodboards (also Ziel- bzw. Traumcollagen) festzuhalten und täglich zu betrachten, also zu visualisieren. Besonders wichtig war ihm, dabei das positive Gefühl zu entwickeln, das Gewünschte bereits erhalten zu haben. Von allen Geschichten in diesem Buch hat mich diese tief beeindruckt: Erst nach Jahren und mehreren Umzügen wurde ihm die Kraft des Visualisierens richtig bewusst, als er mit seiner Familie im neuen Heim angekommen war und ihm eines seiner ersten Vision-Boards in die Hand fiel. Er stellte in diesem Augenblick mit großem Erstaunen fest, dass er genau das Haus gekauft und soeben bezogen hatte, das er vor Jahren auf eines seiner ersten Boards gepinnt hatte. Das haute mich förmlich vom Hocker – und im selben Augenblick erschienen vor meinem geistigen Auge die Bilder der Architektur-Moodboards meiner Freundin Bärbel Schwabe. Sie ist eine begnadete Interieur-Designerin und gehört zu den Menschen, deren Fähigkeiten ich sehr bewundere. Bevor wir 1992 unser erstes Haus bezogen, war ich Bärbel zum ersten Mal begegnet. Ich liebte es, den schmalen, langen Flur vor ihrem Atelier entlangzuschlendern und die wunderschön gestalteten Collagen ihrer Projekte zu betrachten. Bereits vor etlichen Jahren hatte sie damit begonnen, die Stimmung ihrer Projekte mit Bildern, farbigen Tuschezeichnungen, Stoffmustern und Schlagworten vorab auf Moodboards darzustellen. Das gefiel ihren Kunden, die damit eine klare visuelle Vorstellung erhielten, wie die Räumlichkeiten später einmal aussehen würden. Auch ich konnte von diesen schöpferischen Kompositionen nie genug bekommen. Augenblicklich wurde mir klar, dass diese Technik genausogut für andere Ziele und Projekte funktionieren müsste. Wenn ich nun einfach damit beginne, so dachte ich, meine persönlichen Wünsche und Ziele, ob groß oder klein, auf ein Moodboard zu bringen und täglich zu betrachten, wer weiß, was passieren würde …?
DAS ZIEL VOR AUGEN UND – LOSGEHEN
Moodboards sind seit vielen Jahren unersetzlich bei der kreativen Konzeptentwicklung in der Mode, im Interieur-Design, für die Produktion von Kinofilmen und zur Vorbereitung von Theatervorführungen. Bis zu diesem Moment wäre ich jedoch nie auf die Idee gekommen, persönliche Lebensziele, meine eigenen Projekte und »Herzensangelegenheiten« auf Moodboards zu bannen. Erst John Assaraf hatte mich auf diese Idee gebracht und ich begann sofort voller Freude und Enthusiasmus mit der Planung meines Moodboards mit den Zielen für das darauffolgende Jahr. Und ich hörte damit nicht wieder auf: In den vergangenen zehn Jahren habe ich mithilfe dieser Technik mein Leben in eine völlig andere Richtung gebracht – eine, die viel besser zu mir passt. Auf diese Weise habe ich für mich die weltgrößte Lüge entlarvt: Wir verlieren nicht die Macht über unser Leben. Nicht das Schicksal, sondern wir selbst bestimmen, wohin unser Weg führt. Wir müssen uns nur über unsere Wünsche im Klaren sein und dann einen Schritt nach dem anderen gehen.
Um unsere Ziele deutlicher zu erkennen und diese anzusteuern, kann für uns ein Hilfsmittel von großem Nutzen sein: das Moodboard. Ich habe mit der Moodboard-Technik unter anderem zwei erfolgreiche Buchprojekte entwickelt, meine neue Wohnung...