2 Rechtliche Grundlagen des Mobbings
In diesem Kapitel möchte ich aufzeigen, wie es um die rechtlichen Aspekte beim Thema Mobbing steht. Viele Themen und Vorgänge sind nach dem subjektiven Gefühl des Opfers bereits straffähig. Jedoch sieht das der deutsche Gesetzgeber aktuell noch anders und definiert Mobbing und die einzelnen Vorgänge auf seine ganz eigene Art und Weise. Viele Opfer von Mobbingattacken sind daher zunächst verwundert und ernüchtert darüber, was für Rechte ihnen am Ende des Tages noch übrigbleiben. Es entsteht daher meist nicht zu Unrecht der Eindruck, dass in diesem Land eher der Täter statt das Opfers geschützt wird. In der Regel landen Mobbingfälle immer vor Gericht, allerdings weniger wegen des Themas „Mobbing“ sondern vielmehr wegen einzelnen, für den Juristen greifbaren Tatbeständen. Damit Sie wissen, auf welche Zeichen Sie achten müssen und welche Sie unbedingt dokumentieren sollten, um an Ihr Recht zu kommen, dient dieses Kapitel.
2.1 Deutsches Recht zum Thema Mobbing
Verfassungsrechtlich stellt Mobbing einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht und das Recht auf körperliche und seelische Unversehrtheit dar (Art. 1 und 2 des Grundgesetzes).
Im Gegensatz zu den Ländern Frankreich, Schweden oder auch Spanien gibt es in Deutschland kein Gesetz gegen Mobbing. In Deutschland tut man sich mit dieser Thematik immer noch schwer. Um das Thema Mobbing indirekt nachzuweisen, bedient sich der deutsche Rechtsstaat verschiedener Tatbestände wie beispielsweise der Körperverletzung. Mobbing selbst steht nicht unter Strafe, lediglich die Auswirkungen wie nachweisliche seelische oder körperliche Verletzungen.
Einen juristischen Begriff des Mobbings gibt es jedoch weder im Arbeitsrecht, noch im allgemeinen Zivilrecht, noch im Strafrecht. Die rechtliche Einordnung beurteilt sich danach, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen im jeweiligen rechtlichen Zusammenhang erfüllt werden. Die rechtliche Beurteilung ist dabei stets von den Umständen des Einzelfalls abhängig. Eine Schwierigkeit liegt vielfach darin, Mobbing von anderen, allgemein üblichen und rechtlich erlaubten und deshalb hinzunehmenden Verhaltensweisen und Konfliktsituationen abzugrenzen. Man spricht hier von „juristischer Relevanz“.
Tatbestände mit „juristischer Relevanz“
Das Arbeitsschutzgesetz und das Strafgesetzbuch konkretisieren an dieser Stelle mögliche seelische und körperliche Verletzungen, die im Zusammenhang mit Mobbing auftreten können. Die Juristen grenzen folgende Sachverhalte ab, um entsprechende Angriffspunkte zu haben:
- Kündigungen,
- Versetzungen,
- Abmahnungen,
- Tätlichkeiten,
- sexuelle Belästigungen,
- Beleidigungen (§ 185 StGB),
- üble Nachreden (§ 186 StGB),
- Verleumdungen (§ 187 StGB),
- Nötigungen (§ 240 StGB),
- falsche Verdächtigungen (§ 164 StGB).
Fortschritte wurden durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) erzielt. Im Fall von nachweislicher Diskriminierung stehen Opfern bei Mobbing in Zusammenhang mit
- Geschlecht,
- Religion,
- Behinderung,
- Herkunft oder
- sexueller Identität
erheblich erweiterte Rechte z. B. bezüglich der Beweislast etc. zu. Hierzu darf jedoch nur ein Anwalt eine entsprechende Rechtsauskunft erteilen.
Tatbestände ohne „juristische Relevanz“
Wie bereits angekündigt, sind manche offensichtliche Tatbestände dem deutschen Juristen unbekannt und obwohl man erwarten könnte, dass diese Tatbestände juristisch verfolgt werden, werden hierbei Opfer sprichwörtlich oft im Regen stehen gelassen. Daher möchte ich an dieser Stelle Ihr Bewusstsein entsprechend sensibilisieren. Nur wer dahingehend sensibilisiert ist, kann am Ende des Tages die richtigen Fakten und Beweise sammeln, um spätestens vor Gericht nicht nur Recht zu haben, sondern auch Recht zu bekommen.
In der Praxis verhält es sich also wie folgt: Während die erfolgreiche Verteidigung gegen eine unberechtigte (ordentliche oder außerordentliche) Kündigung, Versetzung, Abmahnung recht einfach ist, ist sie bei
- sexueller Belästigung,
- Beleidigung,
- übler Nachrede,
- Verleumdung,
- Nötigung und
- falscher Verdächtigung
eher mühselig und praktisch schwer durchsetzbar.
Keine juristische Relevanz haben hingegen folgende Themen:
- soziale Isolation,
- Vorenthalten von Informationen,
- intensive Kontrolle,
- kleinliche Kritik.
Wir sind uns einig, dass auch bei diesen Themen ein enormer psychischer und emotionaler Druck auf das Opfer entsteht, es jedoch juristisch nicht von Relevanz ist.
Ohne belastbare Beweise, wie beispielsweise Zeugen, die bereit sind auch Aussagen zu leisten, ist dies ein sehr schwieriges Unterfangen. Lassen Sie sich jedoch nicht entmutigen. Wenn Zeugen vorhanden sind, es jedoch fraglich ist, ob diese aussagen, dann muss das nicht unbedingt ein Nachteil sein. Sollten beispielsweise Verhandlungen über eine Abfindung nach einer Kündigung geführt werden, so kann dies Ihre Position dennoch stärken, auch wenn unklar ist, ob der Zeuge wirklich aussagen würde. Ein Unternehmen wird sich in der Regel nicht darauf einlassen, einen Zeugen vor Gericht auftreten zu lassen, der möglicherweise sogar aussagt. In der Regel einigt man sich auf eine Vergleichssumme. Ich führe hierzu an einer späteren Stelle im Buch ein Beispiel dazu auf. Wichtig ist, das Thema und den Zeugen mit Datum und Ort zu dokumentieren, um ein Argument entsprechend gesammelt zu haben, sollte es zum Rechtsstreit kommen. Dies kann der Anwalt dann in die Klageerhebung miteinfügen, beispielsweise wenn eine Kündigungsschutzklage eingereicht wird.
2.2 Pflichten des Arbeitgebers
Sollten Sie von Kollegen gemobbt werden, so können Sie sich auf die Pflichten Ihres Arbeitgebers berufen. Der Arbeitgeber ist gemäß § 241 BGB gegenüber seinen Arbeitnehmern zur Fürsorgepflicht verpflichtet. Vor diesem Hintergrund ist der Arbeitgeber verpflichtet, in folgenden Fällen einzuschreiten:
- Der Arbeitgeber hat einzuschreiten, wenn überwiegende Interessen des Arbeitnehmers gefährdet sind, wie sein Persönlichkeitsrecht oder seine Gesundheit.
- Der Arbeitgeber muss in der Lage sein, die gefährdeten Interessen des Arbeitnehmers vor Eingriffen zu schützen.
Hierbei müssen die Möglichkeiten des Arbeitgebers zum Schutz der Interessen des Arbeitnehmers auch dem Arbeitgeber zumutbar sein.
Ein praktisches Beispiel: Ein Arbeitnehmer wird über einen längeren Zeitraum hinweg von seinem Vorgesetzten und zwei Kollegen vor anderen Arbeitnehmern gedemütigt, öffentlich kritisiert und von Besprechungen ausgegrenzt. Dadurch ist der Arbeitnehmer psychisch stark belastet. Er hat deshalb Schlafstörungen bekommen und musste einen Arzt aufsuchen. Der Arbeitgeber erfährt von den Verhaltensweisen des Vorgesetzten.
Hierbei muss der Arbeitgeber nun einschreiten und den Vorgesetzten sowie die zwei Kollegen disziplinieren. Die zumutbare Handlung des Arbeitgebers sind hierbei Mitarbeitergespräche, Mediationen, das Weisungsrecht sowie das Disziplinarinstrument der Abmahnung, um den Vorgesetzten und die zwei Kollegen entsprechend zu maßregeln. Sollten diese Maßnahmen nicht greifen, so müssen durch den Arbeitgeber weitere Maßnahmen ergriffen werden, beispielsweise Versetzung, Kündigung oder andere Aktionen. Ein mobbender Arbeitnehmer kann unter besonderen Umständen auch fristlos entlassen werden. Dies ist zum Beispiel dann möglich, wenn akute Gesundheitsschäden (Körperverletzung etc.) eingetreten sind. Bei Untätigkeit des Arbeitgebers oder unwirksamer Intervention kann das Opfer auch Schadensersatz vom Arbeitgeber verlangen. Der Schadensersatz bezieht sich dann beispielsweise auf Therapiekosten, Rechtswegkosten, Schmerzensgeld etc. Aber Sie vermuten es bereits, der hier notwendige Nachweis ist nicht so einfach zu erbringen und würde in der Praxis auch das Verhältnis zum Arbeitgeber belasten. Dies ist, wenn, nur dann zu empfehlen, wenn Sie als Opfer das Unternehmen verlassen haben und Ansprüche geltend machen wollen. Dann lohnt es sich auch, aus dem Vollem zu schöpfen.
Größere Organisationen leisten sich gerne sogenannte Compliance-Officer (Gleichstellungs-Beamter oder Gleichstellungsbeauftragter), welche dafür da sind, die Gleichstellung aber auch andere ethische Regeln im generellen Geschäftsverkehr zu überwachen. Eine schöne Idee, die zusammen mit der Sensibilisierung von ethischen Werten eine tolle Idee darstellt. In der Praxis tun sich jedoch Unternehmen und Organisationen damit schwer, wirksame Maßnahmen über derartige Rollen abzuleiten und durchzusetzen. Zu groß ist die Angst, vor Klagen oder dem Betriebsrat, insbesondere, je höher in der Hierarchie das Mobbing bzw. der Compliance Fall angesiedelt ist. Diese Officers befürchten nur allzu oft persönliche Nachteile aus ihrem Handeln. Wie gesagt, eine schöne Idee, jedoch in der Praxis leider...