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E-Book

7 Wege aus der Einsamkeit und zu einem neuen Miteinander

AutorChristian Försch, Walter Möbius
VerlagDuMont Buchverlag
Erscheinungsjahr2019
Seitenanzahl206 Seiten
ISBN9783832184575
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis8,99 EUR
Einsamkeit bleibt oft unerkannt, ist verdeckt, wird versteckt; sie ist hinterhältig, allgegenwärtig, sie betrifft den Manager auf dem Höhepunkt seiner Karriere ebenso wie die alleinerziehende Mutter, den Schüler oder den Rentner. Wer einräumt, einsam zu sein, beichtet einen vermeintlichen Defekt. Er stigmatisiert sich, wird noch einsamer. Ein Teufelskreis. Der Internist und Neurologe Walter Möbius und der Autor Christian Försch zeigen in diesem Buch >7 Wege aus der Einsamkeit< auf. Sie erklären, wie man die Fähigkeit zum Miteinander wiedererlangt und warum wir sie gerade heute in unserer radikal marktorientierten Kommunikations-gesellschaft so oft verlieren. Zudem führen die Anforderungen durch unsere immer effizientere und schnellere Arbeitswelt zu Dauerstress, einem der Hauptrisikofaktoren für Einsamkeit. Kenntnisreich und anhand vieler Fallbeispiele beschreiben die Autoren, wie man sich aus gedanklichen und emotionalen Zwängen befreit und den Prozess aufhalten und umkehren kann. Die Akzeptanz der eigenen Person und der eigenen Grenzen ist dabei ebenso wichtig wie Spielfreude, Sinnlichkeit und Neugier.

Prof. Dr. Walter Möbius, geboren 1937 in Bonn, ist Internist und Neurologe. Seit 2002 hat er verschiedene Lehraufträge und ist als Berater für Patienten, Krankenhäuser und diagnostische Einrichtungen tätig. Er ist Mitglied des Kuratoriums der Deutschen Krebshilfe.

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Leseprobe

Vorwort

Dieses Buch ist das Ergebnis einer Entdeckung. Wir hatten uns als Autorenpaar bei der Niederschrift des Bandes »Der Krankenflüsterer« kennengelernt und wollten uns danach dem Thema »Alt und abgeschoben« widmen. Wir sammelten Geschichten von betagten Menschen, die in Pflegeheimen lebten und um die sich niemand wirklich kümmerte, die vor sich hin siechten oder sich in Verzweiflung und Perspektivlosigkeit das Leben nahmen. Dabei merkten wir schnell: Das eigentliche Übel liegt tiefer als der sogenannte »Pflegenotstand«. Ob Heimbewohner Essen auf Rädern oder frisch gekochtes Gemüse, ob sie von einer Pflegerin zwei oder zwanzig Minuten Zuwendung am Tag bekommen, macht gravierende Unterschiede aus, aber die eigentliche Tragik dieser Menschen ist meist die tiefe Einsamkeit, in der sie leben.

Als wir dann anfingen, Menschen zu dem Thema zu befragen, schienen wir plötzlich offene Türen einzurennen. Überall, nicht nur bei den Senioren im Heim, auch bei den Pflegern, bei Kindern und Enkeln. Jeder hatte Geschichten beizutragen, schien nur darauf gewartet zu haben, jemand davon zu erzählen. Wir merkten, dass die Einsamkeit sich durch alle Lebensabschnitte und Gesellschaftsschichten zieht. Sie betrifft keinesfalls nur alte Menschen, Kranke oder andere »Randgruppen«, die, aus welchen Gründen auch immer, aus den verlässlichen sozialen Netzwerken gefallen sind. Ob Rentner, deren Leben in geregelten Bahnen verlaufen. Kinder, die eingebettet in ihrer Familie und Schule gut zu funktionieren scheinen. Ob Arbeitslose oder Leistungsträger auf dem Zenit ihres Erfolges, ob alleinerziehende, pflegende Angehörige, die in Alkoholismus, Depression, Burn-out driften: Sie alle können an Einsamkeit leiden. Viele von ihnen haben niemanden, dem sie sich anvertrauen, den sie um praktische oder moralische Unterstützung bitten können, niemanden, der ihr Leid teilen, verstehen, durch Anteilnahme mildern kann. Sie fühlen sich abgeschnitten von den anderen und bald auch von sich selbst.

Einsamkeit bleibt oft unerkannt, wird versteckt, sie ist hinterhältig, allgegenwärtig. Sie treibt seltsame Blüten, sodass Menschen über Internetplattformen und Agenturen nicht nur Lebens- und Sexualpartner suchen, sondern auch Kuschelpartys und professionelle Zuhörer, die ihre Aufmerksamkeit vermieten. In England hat man jüngst in einem Ministerium eine Stelle zur Bekämpfung der Einsamkeit eingeführt, in Deutschland will man nachziehen. Immerhin, das Problem wird endlich nicht mehr totgeschwiegen.

Es schien, als sei ein Tabu gebrochen. Auch zwischen uns. Wir fingen an, über unsere eigenen Erfahrungen mit Einsamkeit zu reden, und stellten fest: Wir kennen das Gefühl nur zu gut. Wie wir beide Einsamkeit erlebt und immer wieder überwunden haben, gehört zur Geschichte und den Geschichten dieses Buches.

Ich, Christian Försch, habe als Kind unter der Isolation des Zugezogenen gelitten, ich habe mich in dem unterfränkischen Dorf immer und überall fremd gefühlt, in der Kirchengemeinde, der Fußballmannschaft, der Klasse – und letztlich auch in der eigenen Familie.

Und ich, Walter Möbius, erlebte Einsamkeit schon als Siebenjähriger. Im Zuge der Kinderlandverschickung wurde ich zwei Tagesreisen von meiner Familie entfernt auf einen Bauernhof in Schlesien verbracht. Als ich dann später Arzt wurde und sowohl in der Psychiatrie wie in der Inneren Medizin arbeitete, musste ich immer wieder versuchen, Patienten nicht nur aus ihrer Krankheit, sondern auch aus ihrer Isolation zu lotsen.

Ist also Einsamkeit ein universelles Gefühl, so alt wie die Menschheit? Natürlich, das ist sie. Sie gehört zum Menschsein, ist ein Gefühl, das jeder Mensch in seinem Leben erfährt. Und doch hat sie in unserer Gesellschaft eine neue Qualität angenommen. Die Anforderungen durch unsere immer effizientere, kurzlebigere Arbeitswelt führen zu Dauerstress, zu Burn-out und in die Einsamkeit.

»Wir leben in einer Zeit, in der der Zusammenhalt unserer Gesellschaft sich immer schneller aufzulösen scheint, in der Egoismus, Gewalt und Niedertracht die Qualität unseres Gemeinschaftslebens zu untergraben scheinen«, schrieb der Amerikaner Daniel Goleman schon vor zwanzig Jahren in seinem Buch »EQ. Emotionale Intelligenz«1.

Innerhalb weniger Generationen ist unser Gemeinwesen, das sich einst in Kirchengemeinden, in Großfamilien, Vereinen, Blaskapellen, in gemeinsamer Arbeit auf dem Feld oder in Werksschichten versammelt, das gemeinsam gebetet, gesungen und gegessen hat, in Monaden zerfallen. Wir werden in einem reißenden Daten- und Optimierungsstrom über den Globus gespült, von den Konzernen auf fremde Kontinente gebeamt. Oder wir haben den Zeitgeist verinnerlicht und sind selbst ständig auf der Suche nach dem nächsten Karrieresprung, dem smarteren Partner, dem günstigeren Standort, dem nächsten Kick. Die Welt teilt sich in Gewinner und Verlierer, jeder kämpft gegen jeden, jenseits der Bettkante beginnt das Feindesland. Oder diesseits? Der Stress setzt schon im Vorschulalter ein, wo Kleinkinder getestet, selektiert, optimiert werden, und er endet in den Verwahranstalten der Gebrechlichen, die keine Wirtschaftsleistung mehr erbringen und deshalb als »Ausschuss« unserer Gesellschaft empfunden und an den Rand geschoben werden.

Zudem ist Einsamkeit in unserer Welt der effizienten Macher ein Makel, ein Tabu. Das gute Netzwerk ist zum Aushängeschild geworden, Teil des Sozialstatus. Wer einräumt, einsam zu sein, beichtet einen Defekt. Er stigmatisiert sich, treibt die anderen zum Rückzug, wird noch einsamer.

»Einsamkeit erzeugt das Bedürfnis nach Anschluss, aber auch Gefühle von Bedrohung und Furcht. Mit zunehmender Intensität dieses Erlebens bewirkt das Gefühl des Bedrohtseins die Tendenz, anderen kritisch gegenüberzustehen«2, hat der Einsamkeitsforscher John T. Cacioppo festgestellt. Ein Teufelskreis. Der Teufelskreis der Vereinsamung.

Sieht man sich zum Beispiel die Persönlichkeitsprofile der Amokläufer an, so wird man auf den ersten Blick wenige Gemeinsamkeiten zwischen ihnen finden. Bei genauerem Hinsehen erkennt man jedoch: Sie sind fast ausnahmslos männlich, kommen aber aus den unterschiedlichsten sozialen und kulturellen Milieus. Und alle litten vor ihrer Tat unter Einsamkeit, unter der totalen Isolation des Mobbingopfers, des entwurzelten Immigranten oder des vom Leistungsdruck Überforderten (wie etwa der Pilot Andreas Lubitz, der im März 2015 die Germanwings-Maschine mit Absicht gegen die Felsen steuerte). Zum IS und dessen Rekrutierungserfolgen in unserer Gesellschaft schreibt der Psychotherapeut und Neurologe Joachim Bauer: »Bevor sich die Betroffenen einer Terrorgruppe angeschlossen hatten, (…) handelte es sich durchweg um fern von ihrer Heimat unter sozialer Isolation lebende und dringend nach Gemeinschaft suchende junge Leute arabischer oder fernöstlicher Herkunft. Da ihnen aber diese Gemeinschaft in den westlichen Ländern, in denen sie lebten, offenbar versagt blieb, hatten sie der Studie zufolge den Anschluss dann im Umfeld radikalisierter religiöser Gruppierungen gefunden …«3

Aber wie kommt man der Einsamkeit bei, wenn sie sorgfältig versteckt wird? Wie kann man den Teufelskreis der Vereinsamung aufbrechen?

Mit unserem Buch wollen wir zweierlei liefern: Diagnose und Therapie. Das heißt, wir wollen die Anzeichen von Vereinsamung benennen, um Kriterien für eine Selbsteinschätzung zur Verfügung zu stellen. Vor allem aber wollen wir konkrete Hilfestellungen zur Überwindung der Einsamkeit geben.

Unsere neoliberale Umwelt, die Profit über menschliche Werte stellt, lässt sich vom Einzelnen nicht stoppen. Und doch sind wir nicht machtlos. Wir leiden unter diesem Druck, und wir müssen uns dagegen wehren. Um unser aller Leben lebenswerter zu gestalten und der »epidemischen Verbreitung«4 von Einsamkeit entgegenzuwirken. Wir glauben, wie Mahatma Gandhi, dass, wer die Welt verändern will, bei sich selbst anfangen muss. Es geht um die Gesundheit des Einzelnen, zu der die Erfahrung von Gemeinschaft nötig ist. Es ist gut, dass der Staat das Problem angehen möchte. Aber mit Mehrgenerationen-WGs, Kulturinitiativen und veränderter Infrastruktur wird man nicht alle Betroffenen erreichen. Denn wer erst einmal in der Vereinsamung gefangen ist, nimmt Hilfe oft nicht mehr an. Deshalb wollen wir mit diesem Buch beim Einzelnen ansetzen, wollen helfen, das Auge zu schärfen und das Herz zu öffnen, wollen praktische Mittel an die Hand geben, mit denen man sich aus der Einsamkeit lösen und eine neue Kultur des Miteinanders entwickeln kann. Denn ebenso wie Einsamkeit »ansteckend« sein kann, so ist es auch das Gegenteil: das Miteinander. So wie die Einsamkeit überall lauert, kann man ihr auch überall entgegenwirken. Man kann seine emotionale Intelligenz und sozialen Fähigkeiten schulen, man kann sich gegen Stress und Leistungsdruck wappnen und Neugier, Offenheit und den Sinn für Gemeinschaft stärken. Manchmal sind ein freundliches Wort, eine Geste der Zuwendung, ein paar Sekunden Aufmerksamkeit schon Impulse, die neue Zuversicht in einem Menschen wecken. Unsere sozialen Fähigkeiten sind wie Muskeln, sie werden gesteuert über neurobiologische Vorgänge, die sich trainieren lassen. Unser Buch liefert dafür Trainingsansätze.

Der erste Schritt, nämlich sich zu öffnen, ist immer riskant. Wir wollen Wege aufzeigen, mit denen man den Mut dazu aufbringt und das Risiko, noch weiter verletzt und von der Gemeinschaft ausgesondert zu werden, verringert. Und wir wollen erläutern, wie die Gesellschaft, wie Institutionen, aber auch Mitmenschen Hilfestellung geben können, um Einsame aus ihrer Isolation zu befreien.

Die Leistungs- und Kommunikationsgesellschaft hat einen modernen Helden kreiert: stark,...

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