3 Ich, die Führungskraft
Elemente, wie beispielsweise Selbstvertrauen, soziale Kompetenz, Bestimmtheit und Integrität sowie Verbindlichkeit sind notwendige Eigenschaften einer modernen und nachhaltigen Führungskraft. Wenn die Führungskraft dann noch in der Lage ist, in sich selbst hineinzuhorchen, sich selbst zu verstehen; dann ist die Führungskraft auch in der Lage, sich in ihre Mitarbeiter hineinzudenken und diese besser zu verstehen. Es bedarf hier einer gesunden Portion der Selbstreflexion und die Kenntnis über seine eigenen Stärken und Schwächen sowie über seine positiven und negativen Charaktereigenschaften.
Empathie ist zudem eine wichtige Führungseigenschaft. Empathie bezeichnet die Fähigkeit und die Bereitschaft, Gedanken, Emotionen und Motive einer anderen Person zu verstehen und zu erkennen, ohne diese im Vorfeld zu bewerten. Weiterhin gehört auch die Reaktion auf die Gefühle anderer wie beispielsweise Mitleid, Trauer, Schmerz und Hilferufe dazu. Grundlage hierfür ist die Selbstwahrnehmung. Je mehr man in der Lage ist, in sich selbst hineinzuhorchen und seine Gefühle zu verstehen, desto besser kann man die Gefühle anderer deuten.
In den folgenden Abschnitten möchte ich Sie auf diese Dinge aufmerksam machen und Sie auf dem Gebiet der Selbstwahrnehmung und Selbstreflexion sensibilisieren.
3.1 Reflexion über meine Stärken & Schwächen
Um sich seiner eigenen Stärken und Schwächen bewusst zu werden, ist es notwendig, ein Selbstbild über sich anzufertigen – möglichst objektiv. Die Psychologie nennt dieses Selbstbild auch Selbstkonzept. Hierzu zählen beispielsweise die vorhandenen Fähigkeiten und Entwicklungsfelder, die persönlichen Kompetenzen aber auch die realistische Einschätzung der eigenen Leistungsfähigkeit. Weiterhin ist es wichtig, aus negativen Erfahrungen (z. B. Kritik, Lebenserfahrungen etc.) zu lernen, hieraus positives Feedback zu gewinnen und es beim nächsten Mal besser zu machen. Erst wenn dieses Bild erstellt ist und diese Vorgänge objektiv und nahezu automatisiert in der Führungskraft ablaufen, erst dann kann man mit der Einschätzung und Führung anderer Personen beginnen. Besonders der Umgang mit Kritik fällt vielen Menschen schwer, da sie die Kritik nicht auf der fachlichen Ebene sehen und wahrnehmen, sondern sich persönlich angegriffen und verletzt fühlen. Diese beiden Formen der Kritik zu differenzieren ist nicht einfach und erfordert einiges an Übung.
Wer gut führen kann, befähigt andere dazu, sich selbst zu führen. Damit sich Ihre Mitarbeiter dann anschließend entfalten können, müssen durch Sie entsprechende Rahmenbedingungen geschaffen werden, was durch Ihren Führungsstil geschieht (z. B. kooperativ, fördernd etc.). Hierbei geht die Führungskraft mit einem guten Beispiel voran. Dieses Vorbild muss natürlich durch eine entsprechende Authentizität unterfüttert werden. Beispielsweise würden Sie sich auch veräppelt vorkommen, wenn ein massiv übergewichtiger Fitnesstrainer Ihnen erklären möchte, wie Sie sich richtig zu ernähren haben. Seien Sie also sich selbst gegenüber kritisch, analysieren Sie sich– seien Sie aber auch Sie selbst. Dies funktioniert bis zu einem gewissen Grad, danach sind Sie auf externes Feedback angewiesen. Beispielsweise durch Ihren Partner/Partnerin, Ihre Mitarbeiter oder durch Mitmenschen.
Übung: Denken Sie einige Momente über Ihre Stärken und Schwächen sowie über Ihre positiven und negativen Charaktereigenschaften nach. Versuchen Sie dies aus der Sicht eines neutralen Beobachters zu tun. Was fällt Ihnen über sich selbst dabei auf?
3.2 Die situationsabhängige Führung
Um in einem Gespräch handlungsfähig zu sein, müssen Sie wissen, welche Rolle Sie während eines Gesprächs einnehmen. Sie müssen sich hierzu der jeweiligen Rolle vor dem Gespräch und während des Gesprächs tatsächlich bewusst werden. Sind Sie beispielsweise im Unternehmen der Leiter einer Abteilung für Forschung und Entwicklung, so werden Sie mit Ihren Mitarbeitern auf einem hohen wissenschaftlichen Niveau sprechen. Sind Sie hingegen zu Hause der Elternteil, der zu seinem Kind spricht und diesem eine Schulaufgabe erklärt und versucht anschaulich zu erläutern, werden Sie a) eine andere Sprache verwenden und b) eine weniger autoritäre Atmosphäre erzeugen, als bei Ihren Mitarbeitern. Ihrem Sohn oder Ihrer Tochter werden Sie in eher einfachen Worten das Problem näherbringen, es motivieren und aufbauen sich damit auseinanderzusetzen und es am Ende stolz in Ihre Arme schließen. Natürlich können Sie auch Ihre Mitarbeiter in die Arme schließen, jedoch könnte dies zu Irritationen führen oder gar als Belästigung empfunden werden. Sie sehen also, es ist äußerst wichtig, sich seiner Rolle, seiner Umwelt und Umgebung, der Thematik und der allgemeinen Situation bewusst zu werden und sich darauf entsprechend einzustellen.
Beispiel: Eine Mitarbeiterin in einem mittelständischen Unternehmen (Abteilungsleiterin) hatte es geschafft, von den üblichen Meetings, bei denen alle Mitarbeiter anwesend waren, sich in das Meeting der Geschäftsleitung „einzuschleichen“. Sie war die einzige Abteilungsleiterin des Unternehmens, die an den Sitzungen der Geschäftsleitung teilnahm. Warum, wusste wohl nur sie. Der Geschäftsführung fiel dies nicht negativ auf und verstand dies auch als normalen Vorgang. Erst im Rahmen eines Coachings wurde die Betriebsblindheit geheilt und die Geschäftsführung wurde sich ihrer tatsächlichen Rolle im Unternehmen wieder bewusst. Die Abteilungsleiterin wurde daraufhin aus dem Kreise der Geschäftsführung sorgsam entfernt. Dies sorgte für einige Wochen für Verstimmung bei der Abteilungsleiterin, konnte jedoch durch das beharrliche Rollenverhalten der Geschäftsführung nachhaltig in rechte Bahnen gelenkt werden. Zu guter Letzt wurde sich die Abteilungsleiterin über ihre Rolle ebenfalls bewusst.
Übung: Reflektieren Sie die letzten Meetings und Gespräche mit Ihren Mitarbeitern. Welche Rolle hatten Sie jeweils eingenommen? Waren Sie sich der Rolle bewusst? Hat jemand versucht, Ihre Rolle zu übernehmen?
3.3 Selbstreflexion und externes Feedback
Die sogenannte Selbstreflexion, das Nachdenken über sich selbst und sein Tun und Handeln, ist naheliegend, wenn man sein eigenes Verhalten nachhaltig verbessern will. Aber es ist auch schwierig, objektiv und selbstkritisch sich selbst gegenüber zu sein. Man muss sich zwangsläufig mit negativen Gedanken und Gefühlen der Vergangenheit und der Gegenwart auseinandersetzen. Diese Vorgänge sind mitunter nicht immer einfach. Vor diesem Hintergrund sind die meisten Führungskräfte bestrebt, diesen Vorgang zu unterdrücken, um weiterhin selbstsicher auftreten zu können. Wie lange diese „Farce“ jedoch aufrechterhalten werden kann, kann nicht abgeschätzt werden.
Die Selbstreflexion wird damit zu einer Gratwanderung zwischen der eigenen Ehrlichkeit und einer großen Lüge. Ehrlich sich selbst gegenüber zu sein bedeutet, dass man eigene Misserfolge betrachtet und ungünstige Verhaltensweisen erörtert, die zu diesen Misserfolgen geführt haben könnten. Die Lüge hingegen beschönigt die Sicht auf die eigene Person, die liebenswert bleibt, auch wenn sie Fehler begangen hat.
Möglichkeiten der Selbstreflexion
Wir sehen also, dass die Selbstreflexion ein wichtiges Instrument ist, um sein Führungsverhalten nachhaltig zu verbessern. Es gibt verschiedene Möglichkeiten dies durchzuführen. Diese Möglichkeiten können interne Betrachtungen sein, aber durchaus auch durch externe Personen (externes Feedback) geschehen. Hierzu zählt beispielsweise Folgendes:
Die eigene Erzählung anregen: Hierbei geht es darum, mit sich selbst ins Gespräch zu kommen. In eine eigene Erzählung fließen Erfahrungen, Situationen, Gefühle und Gedanken ein, welche man selbst noch einmal gedanklich erleben und fühlen kann. Hieraus lassen sich wertvolle Informationen gewinnen.
Externe Methoden einsetzen: Damit Selbstreflexion nicht in ziellosem Grübeln endet, werden oftmals Methoden von externen Dienstleistern angeboten. Meist sind diese Methoden (z. B. psychoanalytische Sitzungen, Schreibübungen etc.) im Rahmen der Führungskräfteentwicklung Teil eines bestehenden Lehrplans. Ziel ist es hierbei, einen Weg bzw. ein Rezept mit auf den Weg zu geben, bei dem das Denken objektivierbar wird und man dadurch in die Lage versetzt wird, sein Verhalten zu analysieren und nachhaltig zu ändern.
Ausgewählte Themen: Die zentralen Themen der Selbstbetrachtung sind beispielsweise die eigenen Gedanken und Gefühle, bisherige Verhaltensweisen, bestimmte Situationen und Probleme, die Umgebung und andere Menschen sowie Wünsche und die persönliche Zukunft. Da all diese Elemente untrennbar miteinander zusammenhängen, sollten bestimmte Teile herausgegriffen und gesondert betrachtet werden....