EINSTIEG
▶Der „Stehaufmensch-Effekt“
▶Stress und seine Auswirkungen bewältigen
▶Die drei Dinge, die Sie unbedingt tun müssen, um glücklich zu werden
▶Techniken, die Ihre Beziehung zu neuen Höhenflügen führen
▶Resilienz: Schritt für Schritt nachhaltig steigern
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Wenn wir diese Punkte durcharbeiten, sind wir ausgestattet mit dem Handwerkszeug für ein erfolgreiches Leben, resistent gegen Burnout und Stress, stets zielstrebig rational denkende Menschen randvoll mit Lebensbewältigungskompetenz. Glücklich, zufrieden und leistungsfähig.
Das verspricht jedenfalls eine Werbemail für ein Kompaktseminar, das mich und Tausende anderer Leute per E-Mail erreichte.
Und wenn man sich frühzeitig anmeldet, spart man auch noch 100 Euro!
Klingt doch super.
Oder?
Wenn man all das ganz einfach in Seminaren lernen kann, wie kommt es dann, dass Stress, Depressionen, Burnout und sogar daraus resultierende Selbstmorde Hochkonjunktur haben? Wie kann es sein, dass schätzungsweise jedes Jahr 120 Millionen EU-Bürger, also 30 % der Bevölkerung, von stressbedingten Erkrankungen betroffen sind, obwohl es doch so schöne Seminare gibt, dank denen all das demnächst kein Problem mehr ist? Laut einer Analyse des Wissenschaftlichen Instituts der AOK haben sich die Krankschreibungen aufgrund von Burnout-Symptomen seit 2004 verzehnfacht.
Weil es eben nicht so einfach ist.
Ich wünschte, es wäre so, aber meine Erfahrung erzählt eine andere Geschichte. Und ebenso die vieler, vieler anderer Menschen, die mittelunschöne und ganz schön unschöne Dinge erlebt haben und versuchen, damit klarzukommen. Denjenigen von ihnen, die solche Seminare besucht haben, haben diese nicht wirklich geholfen, und die Tipps und Ratschläge waren eher nur Schläge.
In meinem Fall zum Beispiel lief es so: Vor knapp acht Jahren bin ich mit dem Kopf gegen ein Auto gerannt, habe mir viermal das Genick gebrochen und bin seitdem von selbigem abwärts gelähmt. Ich kann keinen Finger rühren und bin rund um die Uhr auf Hilfe angewiesen. Meine Lebensentwürfe und Wunschvorstellungen waren zerstört. Hätte man mich zu diesem Zeitpunkt gefragt, was mein Plan B ist, hätte meine Antwort etwa so ausgesehen:
A. Ich habe keinen Plan B.
B: Ich halte an A fest.
Dank großartiger Unterstützung durch Freunde und Familie war ich sicher privilegiert, aber dennoch war es ein Kampf und ist es noch. Ich habe einige Schlachten verloren und größere Scharmützel gewonnen. Und obwohl ich mittlerweile wieder sagen kann, dass ich partiell-temporär-glücklich und sogar zufrieden bin, bin ich immer noch dabei, dieses einschneidende Erlebnis und seine Folgen in meinem Leben einzusortieren. Ich muss jeden Tag wieder damit ringen – erst letzte Nacht hatte ich mal wieder eine eklige Platzangstattacke – Platzangst im eigenen Körper. Natürlich nervt es immer wieder neu, sich nicht wirklich bewegen zu können und in einem 180-Kilo-Demutspanzer herumzugurken.
Würde ich eine statistische Erhebung aufstellen, welche Frage mir am häufigsten gestellt wird, ginge es in die Richtung: „Wie schaffst du das nur? Was gibt dir die Kraft, weiterzumachen und nicht aufzugeben?“
Und dann scheinen die Fragesteller sich von mir so etwas zu erhoffen, wie es in der kommerziellen Werbemail oben verkauft wird: meine fünf besten Tipps zur Bewältigung von Schicksalsschlägen oder einen Drei-Schritte-Plan zu mehr Durchhaltevermögen.
Ich sitze dann immer mehr oder weniger hilflos da und schaue den Leuten in die traurigen Augen, die mir ihre Geschichten erzählen. Und frage mich selbst, was um Himmels willen ich ihnen sagen soll. Dem Jungen, der mir gerade erzählt hat, dass er normalerweise beim Verlassen des Hauses vor lauter Angst Blut erbricht. Der Mutter, deren kleine Tochter gerade an Krebs gestorben ist.
Oder H., Schauspieler und Familienvater. Er leidet seit fünf Jahren an ALS. ALS oder Amyotrophe Lateralsklerose ist eine Erkrankung des zentralen und peripheren Nervensystems, die zu einem fortschreitenden Muskelschwund führt. Das bedeutet, dass H. immer mehr seiner Körperfunktionen verlieren wird, bis er schließlich erstickt. Das Hospiz in der Nähe seiner Familie hätte ihn nur aufgenommen, wenn er sich entschieden hätte, die Atemmaske wegzulassen, welche ihm Sauerstoff über die Nase zuführt. Denn sie gilt als lebenserhaltende Maßnahme. Spätestens seit wir uns in dem weiter entfernten Hospiz, in dem er jetzt auf den Tod wartet, eine ganze Nacht lang unterhalten haben, habe ich beim Schreiben dieses Buches immer wieder ihn vor Augen – obwohl es unwahrscheinlich ist, dass er das Erscheinungsdatum noch erlebt.
Was könnte fundamental und kraftvoll genug sein, dass es wirklich in allen schwierigen Situationen helfen kann – selbst in seiner?
„Was gibt dir Kraft?“ Schon in dem Buch „Rolle vorwärts“ habe ich ein ganzes Kapitel dieser Frage gewidmet und dabei gemerkt, dass man sie eigentlich kaum beantworten kann. Jedenfalls nicht vollumfänglich, nicht stellvertretend für andere Menschen und schon gar nicht in Form von Tipps oder Ratschlägen zum Mitnehmen.
Außerdem habe ich unter anderem in den letzten Jahren eines gelernt: Es gibt keine universale Betriebsanleitung für den Umgang mit schwierigen Zeiten. Methoden, die mir aus „tiefen Momenten“ helfen, können für andere genau das Falsche sein, und Tipps, die ihnen wiederum helfen, mich nur runterziehen. Und sogar bei mir selbst kann eine Maßnahme an einem Tag hilfreich sein und am nächsten genau das Gegenteil bewirken.
Als mir kurz nach dem Unfall andere Betroffene ans Bett geschickt wurden, die mir erzählten, dass das Leben auch im Rollstuhl lebenswert ist und was ich nun unbedingt alles tun, lassen und empfinden sollte, hat mir das überhaupt nicht geholfen – im Gegenteil, ich fühlte mich nach solchen Besuchen immer noch niedergeschlagener als vorher. Wie das Leben im Rollstuhl ist, musste ich zunächst einmal selbst herausfinden und mir nicht von jemand anderem schmackhaft machen lassen.
Dementsprechend bin ich immer sehr vorsichtig, wenn ich in Krankenhäuser eingeladen werde, um Frischverletzte zu besuchen. Ich begegne ihnen mit einer möglichst großen Zurückhaltung und mit möglichst wenig überstülpender Pseudo-Fröhlichkeit. Wenn jemand in diese Situation kommt, muss er zunächst selbst damit zurechtkommen, leider.
Es ist einfach absurd zu glauben, da könne jemand von außen kommen, der sagt: „So, Schalter umlegen, jetzt geht’s wieder vorwärts!“ Das funktioniert leider nicht.
Aber: Die Leute fragen nicht nur aus Neugier, sondern sind meist selbst von großen Schwierigkeiten oder extremen Herausforderungen betroffen. Und an der Häufigkeit und Dringlichkeit der Fragen merkt man, dass ein starkes Bedürfnis nach Antworten herrscht, die für viele überlebenswichtig zu sein scheinen.
Deshalb wollte ich mich unbedingt auf die Suche machen, um nicht nur mir selbst, sondern auch den vielen anderen Fragenden zumindest den Ansatz einer Antwort geben zu können. Doch erwartet den geneigten Leser hier nicht der x-te Ratgeber oder „Ratschläger“, sondern eine Reise durch meine eigenen Erfahrungen und Fragen. Und da meines ein besonders intensives Erlebnis war und ich immer noch daran knabbere, habe ich auch umso intensiver versucht herauszufinden, wie ich damit umgehen kann.
Es wäre aber ziemlich langweilig und einseitig, nur über mich zu schreiben, schon allein, weil meine Umstände nun mal meine Umstände sind und mein Leid mein Leid ist – und deshalb auch mein Umgang damit und meine Lösungsansätze nicht zwangsläufig für andere gelten oder einfach so transferierbar sind.
Deshalb habe ich die Erfahrungen und Erkenntnisse anderer Leute aus der Vergangenheit und Gegenwart angezapft, die Wichtiges zum Thema beitragen können. Um vor allem auch aus dem wirklichen Leben zu lernen und zu erfahren, was Menschen in schweren Zeiten geholfen oder sie gar gerettet hat.
Um ein möglichst umfassendes Bild zu bekommen und vor allem auch reichhaltige Lösungsansätze zu finden, war ich unter anderem im Bundeskriminalamt und im Bildungsministerium, im Gefängnis und im Hospiz … Ich habe Glücksforscher, Hirnforscher, Ärzte, Mörder, Waisenkinder, Suizidgefährdete, Topmanager, Schauspieler, Künstler, Todkranke, Politiker, Holocaust-Überlebende und Gisela von nebenan einbezogen.
„Gisela von nebenan“ steht für die vielen Menschen, deren Situation auf den ersten Blick oder oberflächlich betrachtet vielleicht nicht ganz so schlimm erscheint wie die von anderen. Doch das subjektive Leidempfinden von Menschen kann man nicht messen oder vergleichen, und die Ängste und Nöte von Gisela können genauso schmerzhaft sein wie die eines Todkranken oder eines Topmanagers, der Verantwortung für Hunderte Mitarbeiter hat. Ein scheinbar sinnloser Beziehungsstreit über Kleinigkeiten oder existenzielle Konflikte, bei denen es um Leben und Tod geht – wie die Betroffenen damit umgehen, sich erholen, neu finden, aufstehen und gestärkt weitermachen, läuft doch letztlich immer auf ähnliche...