1 Warum dieses Buch?
Weshalb wissen wir so wenig über den Wechsel? · «Informationen», die angst machen · wir sprechen mit anderen Frauen über unsere Probleme
Vor uns liegt ein revolutionäres Buch: Es betrachtet die Wechseljahre als eine positive Erfahrung. Damit steht es genau im Gegensatz zu allem, was uns bisher – bewußt oder unbewußt – über unseren Körper vermittelt wurde. Welcher Frau wurde nicht beigebracht, ihren Körper abzulehnen, sich für ihr Regelblut zu schämen, die Wechseljahre zu leugnen und sich vor dem Älterwerden zu fürchten. Dieses Buch handelt davon, daß wir uns wohlfühlen können in unserer Haut und unserem Körper, daß wir uns mögen können, ja daß wir sogar Wallungen positiv erfahren und das Altern zum Erlebnis machen können. So ist das Buch ein bewußter Versuch, den Schaden wiedergutzumachen, den unsere von Männern geprägte Kultur an Frauen angerichtet hat, besonders an denen mittleren Alters, den Millionen der über 45jährigen, die sich ignoriert und minderwertig fühlen, einfach weil die Wechseljahre als tabu gelten. Ich möchte versuchen, dieses Schweigen zu durchbrechen und die Zeit des Wechsels von den ihm angedichteten Spinnweben zu befreien, indem wir ihn uns genau anschauen.
Was ist der Wechsel wirklich? Früher wußte ich auch lediglich, daß die Monatsblutungen aufhören würden. Ich hatte wohl von Wallungen gehört und von Andeutungen über mysteriöse «Frauenbeschwerden», die angeblich um diese Zeit herum auftreten. Als ich Anfang 40 war, begann ich mir dann Fragen zu stellen über den Wechsel, denn seit zwei Jahren verstärkte sich das, was man vormenstruelle Nervosität nennt. Könnte diese innere Spannung und Gereiztheit der Beginn des Wechsels sein? Ich wollte es genau wissen.
Nie hätte ich mir träumen lassen, daß es irgendwelche Schwierigkeiten geben könnte, Antworten auf meine Fragen zu finden. Als ich seinerzeit über das Kinderkriegen etwas wissen wollte, brauchte ich bloß in einen Buchladen zu gehen und unter einem recht großen Angebot auszuwählen, um zu erfahren, was sich während der Schwangerschaft und der Geburt meines Kindes in meinem Körper abspielt.
Glücklicherweise hatte ich mein erstes Kind in einer Zeit bekommen, als die «natürliche Geburt» schon bekannt war. So suchte ich mir einen sympathischen Arzt, der mich nicht betäuben würde, um mir «die Schmerzen zu ersparen» und damit mich und mein Erlebnis ausschalten würde. Ich wollte die Geburt miterleben. Und ich wollte die schrecklichen Dinge vermeiden, die mir andere Frauen über das Kinderkriegen erzählt hatten. So ging ich zur Schwangerengymnastik, machte gewissenhaft alle Übungen, hörte mir Vorträge an und las Dick Reads Buch «Geburt ohne Angst» sowie Bücher über die Entwicklung des Embryos. Ich interessierte mich für eine vernünftige, gesunde Ernährung und achtete darauf, daß ich genügend Vitamine zu mir nahm. Als ich dann schließlich im Kreißsaal im Spiegel über dem Gebärtisch meine Tochter Robin aus mir herauskommen sah, war es das schönste und aufregendste Erlebnis meines Lebens. Nach all den Monaten des Schwererwerdens war ich vor Glück und Erleichterung ganz euphorisch. Ich hatte die ganze Zeit gewußt, was in meinem Körper vorging und fürchtete mich keine Sekunde.
Ich hatte erwartet, daß ich auch über den Wechsel aus Büchern alles Wissenswerte erfahren könnte. Um zu lernen, wie man ein Käsesoufflé macht, brauchte ich mir nur ein Kochbuch zu besorgen. Als ich an der Börse arbeiten wollte, holte ich mir entsprechende Fachbücher. Aber als ich erfahren wollte, was während des Wechsels in meinem Körper geschieht, suchte ich vergeblich in einer großen Buchhandlung nach einem Regal «Wechseljahre». Es erging mir so ähnlich wie vor 30 Jahren, als ich in einer Drogerie Monatsbinden kaufen wollte und mich nicht getraute, danach zu fragen: es gehörte sich einfach nicht. Damals flüsterte ich schließlich verlegen, was ich wollte, und der Verkäufer brachte mir die Binden, bereits eingewickelt in braunes Papier.
Daß es keine Bücher über den Wechsel gab, machte mich nachdenklich. Über Gärtnerei oder Fischen gibt es massenhaft Bücher, aber wieviel Prozent der Bevölkerung hat schon einen Garten oder geht fischen? Sogar das Kinderkriegen berührt weniger Frauen als die Wechseljahre, denn jede Frau, gleichgültig ob sie ein Kind hatte oder nicht, macht sie durch – und wir Frauen sind der größere Teil der Gesamtbevölkerung! Mir wurde klar, daß der Wechsel als Thema einfach uninteressant ist, nicht so wichtig wie Sport oder Geschichte oder Krieg. Ich begriff die Hintergründe: vermutlich haben die Verlage und Buchhandlungen gar kein Vorurteil gegen die Wechseljahre; sie spiegeln bloß wieder, was in unserer Gesellschaft für wichtig gehalten wird.
Noch begann das «Abenteuer» der Wechseljahre nicht; ein paar Jahre würde es noch dauern. Denn jedesmal, wenn die Anzeichen, die ich vor der Regel hatte, mit ihr auch wieder verschwanden, vergaß ich meine Fragen. Meine verstärkte Nervosität war kein Dauerzustand, sie kam und ging ohne ersichtlichen Grund. Mein Interesse am Wechsel war nicht vordringlich. Ich hörte wohl hin, wenn Frauen darüber sprachen, aufmerksamer als früher. Und ich suchte weiter nach Büchern zu dem Thema. Dabei stellte ich fest, daß das Wort Wechsel selten direkt benützt wird. In den wenigen Büchern, die es über den Wechsel gibt, wird das Wort schon im Titel beschönigend umschrieben, wie «Du wirst es überleben», «Frau ohne Alter», «Ewige Weiblichkeit» und «Höhepunkt des Frauenlebens» und ähnliches. Diese Bücher waren zwischen 1937 und 1967 geschrieben worden.
Ich las diese Bücher und war sehr unglücklich. Kam das, was sie beschrieben, wirklich auf mich zu? Ich hatte nie erwartet, daß der Wechsel ein Spaß oder ein Spiel sein würde. Schließlich war ich in den Vierzigern und hatte drei Kinder. Aber die Einstellung, die diese Bücher vermittelten, erinnerte mich an die biblische Drohung: «Dein Schmerz wird vervielfacht werden.»
Dr. Robert Wilson, der Autor von «Ewige Weiblichkeit» (Feminine Forever) züchtete geradezu unsere Angst. Das fünfte Kapitel heißt «Wechseljahre, der Verlust von Weiblichkeit und Gesundheit». Im folgenden einige Zitate aus diesem Kapitel:
… die Eierstöcke vertrocknen und sterben durch den Wechsel.
… die Frau wird (im Wechsel) zu einer Art Eunuch.
Mir sind Fälle bekannt, bei denen die im Wechsel entstandene körperliche und seelische Qual so unerträglich wurde, daß die Patientin Selbstmord beging.
… keine Frau kann sich darauf verlassen, dem Schrecken dieses körperlichen Verfalls (‹living decay›: lebendige Verwesung!) zu entkommen. Jede Frau wird von ungewöhnlichem Leid und Untauglichkeit bedroht.
… die meisten Frauen sind sich bewußt, wie sehr sie durch den Wechsel zu Krüppeln werden.
Ich habe Frauen gesehen, die nicht behandelt wurden und die zu Karikaturen ihrer selbst geschrumpft sind.
Obwohl das körperliche Leid durch den Wechsel wahrhaft schrecklich sein kann, hat mich die Persönlichkeitszerstörung am tragischsten berührt.
Direkter Mord mag eine ziemlich seltene Konsequenz des Wechsels sein, jedoch nicht so selten, wie die meisten von uns vermuten würden.
… diese gewöhnliche Abweichung.
Plötzlich zum geschlechtslosen Wesen zu werden ist eine echte Katastrophe für sie …
… sie ist unfähig, rational ihre eigene Situation zu erfassen.
Die Umwandlung einer tüchtigen, sympathischen Frau in wenigen Jahren in eine dümmliche, aber scharfzüngige Karikatur ihrer selbst ist eines der traurigsten menschlichen Schauspiele.
In einem Irrgarten von Sehnsüchten und Einbildungen verlieren sie Kontakt mit der Wirklichkeit, daraus besteht die Wechseljahrneurose.
Es war mir instinktiv klar, daß eine derartig negative Darstellung nur negative Auswirkungen haben kann. Der Wechsel, genauso wie das Gebären, vollzieht sich in meinem Körper, und ich möchte ihn verstehen. Ein Kind auf die Welt zu bringen war ein schönes Erlebnis, trotz Gewicht und Schmerzen. Wäre es nicht möglich, mit dem Wechsel eine ähnliche Erfahrung zu machen, trotz der Wallungen? Schließlich handelt es sich um ein und denselben Körper.
Ich höre schon so manche sagen: «Wie kann man nur den Wechsel und das Gebären miteinander vergleichen, wenn das eine ein schöpferischer Akt ist und das andere das Ende eben dieses Schöpferisch-sein-Könnens bedeutet?» Ohne vergleichen zu wollen, stelle ich mir aber doch die Frage: Weshalb ist die herrschende Einstellung zum Kinderkriegen positiv und die zum Wechsel so generell negativ? Was spielt da alles mit? Warum bewundert man es einerseits, wenn mein Körper entsprechend seiner natürlichen Funktion reagiert und verachtet andererseits, nun zwanzig Jahre später, eine genauso natürliche Funktion? Mein Leben schien sich viel tiefgreifender zu verändern, als ich mein erstes Kind bekam, als durch das Ausbleiben meiner Monatsblutungen, und ich finde, daß die Mutterschaft viel eher als ein fundamentaler «Wechsel» im Leben einer Frau anzusehen ist als die Phase des Klimakteriums.
Als ich die wenigen vorhandenen Bücher über den Wechsel gelesen hatte, stellten sich mir mehr und mehr Fragen. Eine der medizinischen Definitionen bezeichnet den Wechsel als «Mangelkrankheit». Bis dahin hatte ich geglaubt, eine Krankheit ist etwas, was Ärzte zu heilen versuchen. Ich fand heraus, daß viele Ärzte verschiedene Medikamente für den Wechsel verschreiben. Das irritierte mich, denn ich hatte weder als ich zu menstruieren begann noch als ich Kinder bekam Medikamente gebraucht. Weshalb sollte ich nun Arzneien brauchen, wenn die Menstruation...