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E-Book

Alexander von Humboldt

AutorAndreas W. Daum
VerlagVerlag C.H.Beck
Erscheinungsjahr2019
ReiheBeck'sche Reihe 2888
Seitenanzahl128 Seiten
ISBN9783406734366
FormatePUB/PDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
Als Naturforscher von Weltrang und Vermittler zwischen unterschiedlichen Kulturen fasziniert uns Alexander von Humboldt bis heute. Seine vielfältigen Forschungen und ausgedehnten Reisen trugen zur Globalisierung des Wissens bei, und sie vernetzten die Welt auf neue Weise. Andreas Daums kompakter Überblick stellt den Menschen Humboldt, sein Leben und weitgespanntes Werk klar und anschaulich vor. Humboldts Biographie wird so zum Spiegel der dramatischen Umwälzungen, welche die Epoche vom späten 18. bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts erlebte.

Andreas W. Daum lehrt seit 2003 als Historiker an der State University of New York in Buffalo (USA). Er wurde 2018 von der Alexander von Humboldt-Stiftung mit einem Humboldt-Forschungspreis ausgezeichnet.

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Leseprobe

I. Den Verstand üben:
Von der Kindheit zum Studium, 1769–​1792


Alexander von Humboldt wurde am 14. September 1769 im Königreich Preußen geboren. Es ist nicht endgültig geklärt, ob er in Berlin, was wahrscheinlich ist, oder im nordwestlich gelegenen Schloss Tegel das Licht der Welt erblickte. Ein Deutschland als Nationalstaat gab es zu dieser Zeit noch nicht. Und hinsichtlich der Bevölkerungszahl lag Berlin deutlich hinter anderen europäischen Städten wie Lissabon, Wien und St. Petersburg. Mit London und Paris, den Zentren der globalen Mächte England und Frankreich, konnte sich die brandenburgische Stadt schon gar nicht vergleichen. Aber sie war im Kommen. In dieser Wandlung spiegelte sich der Aufstieg Preußens zu einer politischen und wirtschaftlichen Macht in Mitteleuropa. Friedrich II., der «Große», vergrößerte das Territorium Preußens durch seine Kriege. Er versäumte nicht, die Künste und das geistige Leben in seiner Sommerresidenz Potsdam am Rande Berlins zu pflegen. In die Regentschaft Friedrichs und die Jahrzehnte nach dem Siebenjährigen Krieg (1756–​1763), der Preußens Stellung in Europa festigte, fällt die Jugendzeit Humboldts.

Dass Humboldt fast neunzig Jahre alt werden würde, konnte man damals nicht ahnen. Er übertraf bei weitem die durchschnittliche Lebenserwartung in Europa; sie lag um 1800 für Männer bei etwa dreißig Jahren. Sollte er tatsächlich in seiner Kindheit nicht robust gewesen sein, wie die wenigen Quellen andeuten, so eignete er sich im Verlauf seines Lebens eine erstaunliche körperliche Zähigkeit an. Humboldt brauchte sie auf seinen ausgedehnten Reisen und als er Preußen weit hinter sich ließ.

«Jeder Mensch ist ein Produkt seiner Eltern und der Zeit», so schrieb Humboldt als junger Mann. Gewiss war er mehr als nur das. Trotzdem ist seine Familiengeschichte wichtig für die Entwicklung, die er als Persönlichkeit nahm, und für die Unabhängigkeit, die er früh erlangte. Humboldts Mutter, Maria Elisabeth, entstammte der bürgerlichen Familie der Colomb. Als Angehörige des Protestantismus in der hugenottischen Variante hatten die Colombs Frankreich im späten 17. Jahrhundert verlassen. Später kamen sie in Brandenburg, wo den Hugenotten religiöse Toleranz gewährt wurde, zu Vermögen. Für das ehrgeizige Preußen waren sie wegen ihrer unternehmerischen Tatkraft und Förderung des Handels nützlich. Sie trugen zum sogenannten Merkantilismus bei. Der Staat wollte die Binnenwirtschaft fördern, die Produktion einheimischer Güter ankurbeln und die Infrastruktur des Landes verbessern.

Zudem schätzte Friedrich II. die französische Sprache und Kultur. Sowohl die merkantilistischen Impulse als auch den kulturellen Bezug auf Frankreich nahm Humboldt auf. Er wurde zweisprachig erzogen und beherrschte Französisch als Muttersprache. Über viele Jahre hinweg – beginnend auf seiner Südamerikareise – schrieb und parlierte er mehr auf Französisch denn auf Deutsch. Zwei Jahrzehnte lang, von 1807 bis 1827, bildete Paris den Mittelpunkt seines Lebens.

Maria Elisabeth heiratete 1760 den Offizier Friedrich Ernst von Holwede. Er verstarb bereits fünf Jahre später. Das Erbe vergrößerte ihr Vermögen erheblich. Sie besaß bereits ein von den Eltern geerbtes Haus in der Jägerstraße in der Friedrichstadt, nahe dem Zentrum von Berlin. Die städtische Bleibe wurde für Alexander zum Anker im Stadtleben. Aus Holwedes Erbe kamen das Gut Ringelwalde östlich der Oder, heute im polnischen Dyszno, und das gepachtete Schloss Tegel, etwa vierzehn Kilometer nordwestlich von Berlin, hinzu. Zwischen Tegel und der Jägerstraße teilte sich Alexanders Zeit während der ersten beiden Lebensjahrzehnte.

1766 ging die verwitwete Maria Elisabeth ihre zweite Ehe ein und heiratete den preußischen Major Alexander Georg von Humboldt. Dessen Vorfahren hatten sich in staatlichen Verwendungen verdient gemacht, gehörten aber nicht zum alten Adel. Sein Vater ersuchte den preußischen König 1738 um die Nobilitierung. Alexander Georg selbst diente für einige Jahre als Kammerherr am preußischen Hof. Die Verbindung zum Königshaus intensivierte Alexander von Humboldt später. Je nachdem, welche Ziele er verfolgte, nutzte er geschickt die bürgerlichen und die adeligen Prädikate seiner Herkunft. Ein Baron, als den er sich hin und wieder bezeichnete, war Alexander indes nicht.

Zunächst gebar Maria Elisabeth im Juni 1767 den Sohn Wilhelm. Auch ihm war mit siebenundsechzig Jahren ein langes Leben beschieden. Wilhelm verstarb im April 1835 in Tegel. Zu diesem Zeitpunkt war er längst weltberühmt als neuhumanistischer Philosoph, Bildungsreformer und Sprachforscher. Mit der Geburt Alexanders 1769 stieg die Zahl der Söhne im Humboldtschen Haushalt auf drei, denn die Humboldtbrüder wuchsen mit einem Halbbruder auf. Die Mutter hatte aus ihrer ersten Ehe Heinrich von Holwede mitgebracht. Er konnte Wilhelm und Alexander in keiner Weise das Wasser reichen. Das änderte nichts daran, dass die Humboldtbrüder in einer Männergesellschaft groß wurden, auch wenn sie mitunter gemeinsam mit anderen Jungen unterrichtet wurden. Eine größere Bezugsgruppe an Kindern und Mädchen fehlte.

Und die Mutter? Die wenigen uns erhaltenen Quellen zeichnen das Bild einer disziplinierten, strengen Frau, die keine emotionalen Regungen zeigte und ihren Kindern nicht mit Wärme begegnete. Sie seien sich «von je her fremd» gewesen, schrieb Alexander, als sie starb. Der Kontrast zwischen Maria Elisabeth und ihrem zweiten Mann, dem Vater von Wilhelm und Alexander, erscheint im Rückblick umso deutlicher und geradezu tragisch. Der Vater galt als unternehmend und jovial. Als er im Januar 1779 unerwartet starb, hatte Alexander noch nicht einmal sein zehntes Lebensjahr vollendet.

So bleiben auf den ersten Blick die Erinnerungen Alexanders an eine trostlose Jugend, in denen er Zwängen ausgesetzt war und sein Gemüt «gemißhandelt» wurde. Allerdings hören wir auch von einem Alexander, der gerne tanzte, zeichnete und zeitweise mit dem Gedanken spielte, Soldat zu werden. Einem Jugendlichen, der die reichhaltige Flora und Fauna in der malerischen Umgebung des Tegeler Schlosses mit naturkundlichem Interesse durchstreifte. Unbestreitbar aber klaffte eine Lücke an emotionaler Befriedigung und innerer Erfüllung, zumal nach dem Tod des Vaters. Umso enger fühlte sich Alexander seinem Bruder verbunden. Je älter beide wurden, desto deutlicher empfanden sie sowohl das, was sie verband, als auch ihre Eigenheiten. Wilhelm erkannte, dass Alexander keineswegs nur ein Kopfmensch war. Er verstand, wie rastlos Alexander blieb und dass er ehrgeizig immer neue Ziele suchte. Umgekehrt bewunderte Alexander den Intellekt seines Bruders. Wilhelm blieb für ihn ein «prächtiger Mensch», wenn auch «zu esoterisch».

Beide spürten beim Heranwachsen, dass man sie als entgegengesetzte Pole begreifen konnte. Hier wurde Alexander zu einem attraktiven, kräftig gebauten Mann, der seine Interessen an den Naturwissenschaften und der Geographie ausbaute. Unruhig blieb er und nicht willens, kontinuierlich einem Beruf nachzugehen. Dort begann Wilhelm, eher hager und knochig, sich auf Literatur und Philosophie zu konzentrieren. Später übernahm er Aufgaben in der preußischen Diplomatie und Staatsverwaltung. Hier war Alexander, den besonders Männer angezogen, der nie heiratete oder Vater wurde. Dort der von Frauen faszinierte Wilhelm, der als Vierundzwanzigjähriger eine Ehe mit Caroline von Dacheröden einging, aus der nicht weniger als acht Kinder hervorgingen, und doch ein Schwerenöter blieb.

Die Nuancen und die Überschneidungen zwischen beiden sind nicht weniger wichtig. Alexander blieb von früh auf an Kunst, Geschichte und Sprachen interessiert. Zum Dienst im preußischen Bergwesen und zu politischen Missionen im Auftrag der Krone war er ebenso bereit wie zu seinen Verpflichtungen als Mitglied des Königshofs in seinen späten Jahren. Mit gebildeten Frauen kommunizierte er respektvoll und durchaus kokettierend. Wilhelm seinerseits verfolgte die Forschungen seines Bruders mit lebhaftem Interesse. In den 1790er Jahren sezierte er gar mit Alexander Kaninchen und Ratten. Wilhelm, der sich selbst gern Askese zuschrieb, ließ der Gedanke nicht los, schon in der Jugend weniger begabt als sein Bruder gewesen zu sein.

Keiner der beiden besuchte je eine Schule. Hauslehrer übernahmen ihre Erziehung in allen Fächern. Im 18. Jahrhundert war dies in adeligen Familien üblich und selbst in wohlhabenden, bürgerlichen Haushalten oft der Fall. Alexander und Wilhelm schätzten die Kompetenz ihrer Privatlehrer. Diese waren vernetzt in den gelehrten und literarischen Kreisen, die sich im späten 18. Jahrhundert deutlich auszuweiten begannen. Aber sie verstärkten noch die...

Blick ins Buch
Inhaltsverzeichnis
Cover1
Titel3
Zum Buch2
Über den Autor2
Widmung4
Impressum4
Inhalt5
Die Faszination Humboldts6
I. Den Verstand üben: Von der Kindheit zum Studium, 1769–17929
II. In ständiger Bewegung: Praktiken und Ideen, 1792–179922
III. Das Zusammenwirken der Kräfte: Auf dem Weg zu Humboldts Wissenschaft40
IV. Ein Bild des Ganzen gewinnen: Die amerikanische Reise, 1799–180444
V. Dem Publikum übergeben: In der bürgerlichen Gesellschaft, 1804–182762
VI. Lieben, was man begreift: In wechselnden Welten, 1827–184085
VII. Zwischen Kosmos und Fragmenten: Die letzten Jahre, 1840–1859104
Zeittafel119
Nachwort121
Literaturhinweise122
Verzeichnis der Abbildungen und Karten125
Personenregister126

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