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Gleichheitsrechtliche Ermessensrestriktionen am Beispiel der AC-Treuhand Rechtsprechung

AutorMichael Staudinger
VerlagDiplomica Verlag GmbH
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl68 Seiten
ISBN9783961460878
FormatPDF
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis14,99 EUR
Die AC-Treuhand Rechtsprechung des Gerichtshofs der EU ist bereits in sich kontrovers, wurde damit doch die Haftung von Beratungsunternehmen nach Maßgabe des Art 101 AEUV sowie Art 23 Absatz 2 VO 1/1003 bestätigt. Insofern wurde, ohne dies genauer zu spezifizieren und Leitlinien aufzustellen, der Haftung von Rechtsanwälten, Wirtschaftsberatern und ähnlichen Berufen Tür und Tor geöffnet. Ein interessanter und kontroverser Aspekt des Ganzen ist die kasuistische Entscheidungspolitik der Kommission, welche im Rahmen dieser Rechtsprechung zu diametralen Ergebnissen geführt hat und in der Regel auch von der Judikative der Union bestätigt wurde. Dieser Mangel an Konsistenz führt dabei zu grundrechtlichen Problemen, welche durch die spärliche Auseinandersetzung expressis verbis seitens europäischer Institutionen auch nicht abgeschwächt wurde. Ziel dieser Abhandlung ist eine diesbezügliche Kritik sowie der Versuch, materielle Restriktionen der Entscheidungsprärogative der Kommission und mutatis mutandis des Gerichtshofs der EU nachzuweisen.

Michael Staudinger wurde 1995 in St. Pölten in Österreich geboren. Nach seinem Studium des Wirtschaftsrechts an der Wirtschaftsuniversität Wien, welches er 2017 mit dem Bachelor abschloss, absolvierte er auch ein Studium der Slawischen Philologie an der Universität Wien. Derzeit ist er, neben seiner beruflichen Tätigkeit u. a. im Bereich des Wettbewerbsrechts, im fortführenden Studium des Wirtschaftsrechts tätig.

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Leseprobe
Textprobe: Kapitel IV) Ermessensrestriktionen bei der Bebußung von Kartellgehilfen Zum Ende dieser Abhandlung werden nun die Urteile AC-Treuhand I, AC-Treuhand II sowie RM AC-Treuhand II und jeweils zugehörige Entscheidungen der Kommission dargelegt und anhand der vorstehenden Ausführungen kritisch durchleuchtet. Dabei soll die Haftung von bloßen Kartellgehilfen vorausgesetzt werden und der Fokus bloß auf die Sanktionierung des Verhaltens von Kartellgehilfen durch die Kommission sowie diesbezügliche gerichtliche Kontrolle durch den GHdEU und die jeweiligen dabei bestehenden Ermessensrestriktionen gelegt werden. Zu diesem Zweck werden vorab die, sehr ähnlichen, Sachverhalte, die den Urteilen zugrunde liegen, in den relevanten Aspekten dargestellt. Danach sind die jeweiligen Bußgeldvergaben zu skizzieren, wobei auf die dargelegten Rahmenbedingungen des Bußgeldrechts - inklusive der Erläuterungen zur bestehenden administrativen Entscheidungsprärogative - eingegangen wird. Zuletzt wird eine Kritik der angewandten Bußgeldvergabe aus grund- und prozessrechtlichen Überlegungen sowie daraus entspringende Restriktionen des kommissionellen und gerichtlichen Ermessens formuliert. A) Sachverhaltsdarstellungen 1) Sachverhalt AC-Treuhand I Die beim EuG angefochtene Entscheidung 2005/349/EG der Kommission zur Sache COMP/E-2/37.857 (fortan 'Kommissionsentscheidung I') handelt von einem Kartell auf dem europäischen Markt für organische Peroxide ('Peroxid-Kartell'). Das Peroxid-Kartell hat 1971 eine schriftliche Vereinbarung, abzielend auf Erhaltung von Marktanteilen sowie Preiskoordinierung, abgeschlossen ('Kartellvereinbarung I'). Von 1993 bis 1999 war die AC-Treuhand AG ('Klägerin') als Beratungsunternehmen auf Basis von mit den Kartellanten abgeschlossenen Dienstverträgen mit der Verwahrung geheimer Dokumente, der Erhebung von Daten über die Geschäftstätigkeit der Kartellanten und damit korrespondierender Mitteilungspflicht sowie sonstigen Sekretariats- und Vermittlungsaufgaben im Zusammenhang mit der Organisation von Zusammenkünften der Kartellanten beauftragt ('Dienstleistungen I'). Nachdem einer der Kartellanten im Jahr 2000 Kontakt mit der Kommission aufnahm ermittelte letztere, leitete das Prüfverfahren ein (in diesem Zusammenhang wurde die Klägerin das erste Mal im Jahr 2003 informiert) und verhängte eine Strafe an die Kartellanten, wobei sich die Sanktion zulasten der Klägerin als bloß untergeordneter Berater auf EUR 1.000,- beschränkte. Trotzdem diente dies als Warnung an alle Beratungsunternehmen, da nun auch sie in den Anwendungsbereich des europäischen Kartellrechts fallen können. Dieses Ergebnis wurde idF auch vom EuG in AC-Treuhand I bestätigt. Im Folgenden sollen unter Punkt IV)B)1) die Aspekte, die zu einem bloß symbolischen Bußgeld führten erläutert werden. Dabei wird auf obige Grundsätze zum Bußgeldrecht des europäischen Kartellrechts anhand des konkreten Beispiels einzugehen sein. Die Haftung von Kartellgehilfen gemäß Art 101 AEUV sei somit hintangestellt und vorausgesetzt. Eine Kritik der erfolgten Bebußung erfolgt sodann unter Punkt IV)C). Zunächst soll jedoch kurz der Sachverhalt zu AC-Treuhand II sowie zugehörigem Rechtsmittel skizziert werden. 2) Sachverhalt AC-Treuhand II und RM AC-Treuhand II Der AC-Treuhand II und RM AC-Treuhand II zugrundeliegende Sachverhalt gestaltet sich hinsichtlich der faktischen Tatelemente der Klägerin fast ident zum Sachverhalt von AC-Treuhand I, einzig mit dem Unterschied, dass die (fast identen) Zuwiderhandlungen ('Dienstleistungen II') in diesem Fall an zwei unterschiedliche Kartelle (Zinn- und ESBO/Ester-Wärmestabilisatoren; zusammen 'WS-Kartell'), wobei die letzte diesbezügliche Tätigkeit im Jahr 2000 erbracht und sodann die Beteiligung als Ganzes eingestellt wurde. Demnach wurde nach Ansicht der Kommission seitens der Klägerin (tatsächlich exakt dasselbe Unternehmen wie im Rahmen der Kommissionsentscheidung I und AC-Treuhand I) eine mehrfache Zuwiderhandlung begangen. Beachtenswert ist hierbei, dass die Kommission in ihrer Entscheidung K(2009) 3682 zur Sache COMP/38589 ('Kommissionsentscheidung II') diesmal von der Verhängung einer symbolischen Geldstrafe absah und gleich zweimal die Höchststrafe verhängt hat. In diesem Zusammenhang hat die Klägerin (i) vor dem EuG uA behauptet, dass bloß eine einheitliche Zuwiderhandlung vorlag und demnach die Bußgeldhöhe abgeändert werden müsse (weil nur ein Bußgeld verhängt werden dürfe) sowie, nach Ablehnung des EuG, (ii) darauffolgend vor dem EuGH selbiges Abänderungsbegehren (also Bußgeldminderung) auf eine Verletzung des europäischen Gleichbehandlungsprinzips gestützt, wobei der EuGH sich in dieser Sache aufgrund des bestehenden Neuerungsverbots bedeckt hielt. Im Folgenden soll unter Punkt IV)B)2) abermals die Bußgeldhöhe anhand des konkreten Beispiels thematisiert werden. In diesem Zusammenhang soll auch die unterschiedliche bußgeldrechtliche Behandlung der Kommissionentscheidung I und der Kommissionsentscheidung II erläutert werden. Eine Kritik der erfolgten Bebußung, inklusive Synthetisierung bestehender gleichheitsrechtlicher Ermessensrestriktionen der Kommission sowie des GHdEU, erfolgt unter Punkt IV)C)2). B) Bußgeldvergaben der Kommission 1) Bußgeldvergabe Kommissionsentscheidung I und AC-Treuhand I Wie bereits erwähnt, hat die Kommission der Klägerin im Rahmen der Kommissionsentscheidung I ein Bußgeld in Höhe von EUR 1.000,- auferlegt. An dieser Stelle ist kurz der diesbezügliche Entscheidungsprozess zu erläutern. Die Kommission hat in diesem Zusammenhang festgestellt, dass die Klägerin das Peroxid-Kartell umfassend, bspw. durch die Organisation von und Teilnahme an Zusammenkünften der Kartellanten, unterstützt hat. Dabei wurde klargestellt, dass die Unterstützung maßgeblich war, die Klägerin Kenntnisse der wettbewerbswidrigen Kartellvereinbarung hatte und einen Vorteil aus der Teilnahme zog. Insbesondere die Qualität der Rolle der Klägerin im Peroxid-Kartell als Vermittlerin, also die Qualität und Kausalität des Tatbeitrags zur Kartellverwirklichung, wurde dabei von der Kommission thematisiert. Demnach war die Klägerin ob der Zugehörigkeit des Dienstvertrags zum komplexen wettbewerbswidrigen System Kartellteilnehmerin, trotzdem eine unmittelbare Parteistellung zur Kartellvereinbarung nicht gegeben war. Eine Notwendigkeit der Marktidentität bestand dabei nicht. Im Ergebnis wird daher zwischenzeitlich festgestellt, dass die Klägerin als Unternehmen an einer Vereinbarung teilgenommen hat, die eine Wettbewerbsbeschränkung bezweckte und bewirkte. Auf dieser Ausgangslage basierend hat die Kommission sodann den Grundbetrag des Bußgeldes festgestellt. Wie bereits erwähnt, liegt die Ermittlung desselben im umfassenden Ermessen der Kommission, wobei die Einschränkungen der Angemessenheit hinsichtlich Schwere und Dauer des Verstoßes sowie allgemein die Schuld des zu Sanktionierenden zu beachten sind. Vorab hat die Kommission dabei festgestellt, dass das Peroxid-Kartell eine vorsätzliche Zuwiderhandlung gegen Art 101 AEUV begangen habe. Die Vorwerfbarkeit des Verstoßes lag demnach in der Beschränkungsintention der wichtigsten Marktteilnehmer im EWR, insofern der Verstoß besonders schwer war. Hinsichtlich der Dauer wurde festgehalten, dass die Klägerin mehr als fünf Jahre am Verstoß teilnahm und somit ein Verstoß von langer Dauer vorlag. Nichtsdestotrotz hat sich die Kommission dazu entschieden, die Klägerin bloß in Höhe des ermittelten Grundbetrags von EUR 1.000, also der Mindeststrafe, zu belasten und keine erschwerenden Umstände geltend zu machen. Begründet wurde dies darin, dass ein Unternehmen in einer derartigen besonderen Rolle, also ein Unternehmen welches nicht im relevanten Markt tätig ist und bloß unterstützende Tätigkeiten an das Kartell erbringt, nicht mit so einer Haftung rechnen musste und demnach privilegiert belangt wird. Im Ergebnis hat die Klägerin den Tatbestand des Art 101 AEUV also schuldhaft erfüllt, indem über lange Zeit einem wettbewerbsrechtlich besonders bedenklichen Kartell die Kartelldurchführung in maßgeblicher Weise ermöglicht wurde. Bloß die individuelle Konstellation der erstmaligen Strafbarkeit solcher Kartellgehilfen führte daher zu der Vergabe eines bloß symbolischen Bußgeldes. Somit wurde mit dieser Entscheidung dem Konflikt zwischen grundsätzlicher Strafbarkeit und dem, im Kartellrecht wenngleich abgeschwächten, strafrechtlichen Bestimmtheitsgebot nullum crimen, nulla poena sine lege Rechnung getragen. Zwar hat die Klägerin den Instanzenzug zum EuG gemäß Art 263 AEUV wahrgenommen, allerdings im Zuge dessen keinerlei Anträge hinsichtlich der Abänderung der Bußgeldhöhe gestellt (was im Übrigen auch absurd wäre, stellen die EUR 1.000,- doch die Mindeststrafe dar). Unter Punkt IV)C)1) wird das hierbei bestehende weitgehende kommissionelle Ermessen anhand dieser Bußgeldvergabe dargestellt. Darüber hinaus dient sie unter Punkt IV)C)2)(b) als Vergleichsgruppe zum Sachverhalt der Kommissionsentscheidung II sowie von AC-Treuhand II und RM AC-Treuhand II.
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