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E-Book

Mein Herbstgarten

AutorVita Sackville-West
VerlagInsel Verlag
Erscheinungsjahr2019
Seitenanzahl125 Seiten
ISBN9783458764274
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis10,99 EUR

Vita Sackville-West, Schriftstellerin und begnadete Gärtnerin, hat nicht nur den berühmtesten Garten der Welt - Sissinghurst - geschaffen, sondern auch ihre Liebe zur Natur in ihren legendären, weil ebenso kenntnisreichen wie charmanten Gartenkolumnen festgehalten, die hier, nach Jahreszeiten geordnet, vorgestellt werden.

Jede Jahreszeit entfaltet ihren eigenen Zauber im Garten: Im Spätherbst erinnern noch einige Rosen und Hortensien an den vergangenen Sommer. Jetzt erblühen Dahlien, Astern, Clematis und Gladiolen in zahlreichen Farben. Die Nussbäume tauchen den Garten mit ihren Blättern in ein goldenes Gelb, und die ersten glänzenden Kastanien landen im raschelnden Laub. Nun gilt es, die Beete auf den Winter vorzubereiten und erste Zwiebeln der Frühblüher in den Boden zu bringen.



<p>Victoria Mary Sackville-West (1892-1962), genannt Vita, publizierte in ihrem Leben &uuml;ber f&uuml;nfzig B&uuml;cher. F&uuml;r den Observer schrieb sie jahrelang eine erfolgreiche Gartenkolumne. 1930 erwarb sie Sissinghurst Castle in Kent, wo sie zusammen mit ihrem Mann einen der sch&ouml;nsten G&auml;rten Englands entwarf und anlegte.</p>

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Leseprobe

September


September … was für ein Wendepunkt, was für eine Wasserscheide im Jahreslauf. Ich denke an die Monate immer wie an Jahrzehnte im Menschenleben: April-Mai; Juni-Juli; August-September. Die Zeit von März bis Ende April ist die Jugend; die von Mai bis Juni die spätere Jugend bis zum dreißigsten Geburtstag, diesem unangenehmen Meilenstein; Juni und Juli ist die Zeit zwischen dreißig und vierzig, oder wollten wir sagen, fünfzig? Nach Ende Juli erreichen wir das unangenehme Stadium der Gewißheit, daß wir uns den sechzig nähern; dann kommt der September und wir gehen auf die siebzig zu, und wenn wir bei Oktober, November und Dezember angekommen sind, wäre es taktlos, die Parallelen noch weiter zu vertiefen.

Im September sollten wir an die bevorstehenden rauhen, windigen Tage denken. Kalte Winde können eine Pflanze ebenso nachdrücklich verletzen wie Feuer, aber ich stelle mir vor, daß wir die Winde weitgehend abwehren können, wenn wir zu dem Verfahren greifen, das in Kent »Hop-Lewing« genannt wird. »Lew« ist ein nettes kleines, altes Wort, das »Schutz« bedeutet (es ist verwandt mit dem deutschen Wort »lau«). Hier auf dem Land hört man es noch oft: »Die Lämmer wären alle erfroren, wenn ich nicht ein paar lews gemacht hätte.« Unter Hop-Lewing verstehen wir eine sehr grob gewebte Art Sackleinen, wie Hopfenzüchter sie auf hohen Pfählen an der Windseite ihrer Hopfengärten aufstellen. Sie sind an die einsachtzig breit und werden in Längen von etwa fünfundvierzig Metern verkauft. Ich sehe wirklich keinen Grund, warum wir sie nicht passend zuschneiden und in unseren Gärten verwenden sollten. Wir müssen sie ja nicht unbedingt auf hohen Pfählen anbringen.

Wir sollten sie auf dem Boden aufspannen und in regelmäßigen Abständen mit Stöcken feststecken. Das lockere Gewebe läßt die Luft hindurch, die alle Pflanzen so dringend brauchen und die so oft von mit Stroh und Farnkraut verdichteten Weidengeflechten oder durch die dicke Verpackung ausgesperrt wird, in die manche ihre Schätze während des Winters hüllen wie in einen warmen Schlafrock.

Ein länglicher Geist aus hop-lewing, ein grauer, durch die Mangel gedrehter Geist. So wird mein Garten im nächsten Winter umherspuken.

Jetzt treffen langsam die Herbstkataloge ein, und sie erinnern mich an die Päonien (Pfingstrosen). Es gibt nur wenige dankbarere Pflanzen. Kaninchen mögen sie nicht; sie blühen den ganzen Mai und Juni hindurch; als Schnittblumen halten sie sich im Haus oft über eine Woche; sie blühen in Sonne und Halbschatten; sie vertragen fast jede Art Boden, kalkhaltig oder nicht; sie finden sich sogar mit Ton ab; sie brauchen niemals vereinzelt oder verpflanzt zu werden; das hassen sie geradezu; und sie sind so langlebig, daß sie Sie vermutlich überleben werden, wenn Sie erst einmal eine Pflanzung gezogen haben (was gar nicht schwer ist). Dazu kommt auch noch, daß sie Vernachlässigung ertragen können. Meine haben sich durch das Unkraut des Krieges hindurchgekämpft und scheinen keinen Schaden daran genommen zu haben.

Aber wenn Sie ihnen Gutes tun, dann reagieren sie, wie jede Pflanze auf gute Behandlung reagiert. Wenn Sie ein wenig Knochenmehl übrig haben, streuen Sie es im Herbst aus. Das ist jedoch nicht unbedingt nötig. Unbedingt nötig ist zunächst sorgfältiges Pflanzen, darunter verstehe ich, daß Sie ein um die fünfzig Zentimeter tiefes Loch graben sollten; geben Sie zunächst verrotteten Dung oder Kompost hinein; füllen sie es dann mit normalem Erdreich, und pflanzen Sie untief, d. ‌h., vergraben Sie die Spitze nicht tiefer als vielleicht zehn Zentimeter. Das ist wichtig.

Grob gesagt gibt es zwei Päonienarten: die krautartigen, zu denen wir die eigentliche Spezies zählen, und die Baumpäonie (Paeonia suffruticosa). Baumpäonien werden heute nicht mehr häufig angeboten und sind entsprechend teuer. Aber die Ausgabe lohnt sich, vor allem, weil sie schon früh zu blühen beginnen und sich in zunehmendem Alter darin noch immer weiter steigern. Sie sollten sie niemals beschneiden. Meine wurden von einem Aushilfsgärtner ruiniert, der noch dazu (was ich damals aber nicht wußte) ein Zeuge Jehovas war und der sie eines Herbstes in Grund und Boden beschnitt.

Die krautartige Päonie ist die Art, die wir oft in Cottagegärten in nicht sonderlich attraktiven Farbtönen von Rot oder Rosa sehen. Aber wir sollten sie deshalb nicht verdammen. Es gibt heute viele Varianten, einfache wie gefüllte, in allen Farben von reinem Weiß über Weißgelb bis zu Muschelrosa, Tiefrosa und dem Abendhimmelrot der P. peregrina. Diese lodert wirklich, und ihre Genossin P. lobata Sunshine kann sich mit ihr messen, wenn sie sie nicht sogar übertrifft. Von den Gelben würde ich P. mlokosewitschii empfehlen, wenn sie nicht so teuer wäre; ich habe meine aus einer preiswerten Samenpackung gezogen, aber dazu gehört viel Geduld. Von dieser abgesehen, ist P. Laura Dessert vermutlich die beste Gelbe, die für einen vernünftigen Preis zu haben ist. Sarah Bernhardt, die noch etwas preisgünstiger ist, hat riesige, blaßrosa gefüllte Blüten; die um einiges teurere Kelway's Supreme ist von feinem Weißrosa; Duchesse de Nemours, wiederum billiger, ist weiß mit einem leicht gelblichen Farbton und kleineren Blüten; Monsieur Martin Cahuzac, zum gleichen Preis, ist dunkelrot, und seine Blätter sind im Herbst von schöner Farbe.

Dieser Artikel wird von zwei Dingen handeln, von einem Baum und einer Lilie nämlich. Der Blasenbaum, Koelreuteria apiculata, ist im August, wenn er seine endgültige Größe von fünf bis fünfzehn Metern erreicht hat, von außergewöhnlicher Schönheit. Ein Baum erlangt eine solche Größe natürlich nicht innerhalb weniger Jahre, deshalb gilt diese Empfehlung nur für die, die für öffentliche Parks oder Gärten Bäume aussuchen oder vorhaben, sehr lange auf ihrem Grund und Boden zu bleiben; für die Besitzer eines kleinen Landhauses zum Beispiel. Nomadisierende Mieter können es sich nicht leisten, so lange zu warten.

Ich habe die Samen der Koelreuteria im verlassenen Garten einer alten französischen Abtei gesammelt; ich wußte damals nicht, was ich da vor mir hatte. Ich konnte nur sehen, daß es sich um einen eleganten Baum handelte, dessen Samenkapseln aussahen wie chinesische Lampions oder die Hülsen der Pflanze, die wir Lampionblume (Physalis peruviana) nennen und als Winterdekoration anpflanzen. Zu Hause säte ich die Samen in einer Schale aus, und sie keimten so energisch wie Gras. Ich sah natürlich, daß die Blätter ein sehr hübsches Rosa annahmen, aber erst, als ich in einem benachbarten Garten ein ausgewachsenes Exemplar sah, ging mir auf, welchen Schatz ich da erbeutet hatte. Dieses Exemplar stand in voller Blüte, hellgelbe Blüten auf geraden, etwa dreißig Zentimeter hohen spitzen Stengeln, ein wenig wie die Goldrute, wenn Sie sich Goldrute vorstellen können, die unmittelbar über Ihrem Kopf aus einem Baum herauswächst, und diese Blüten ragten kühn über Mengen von korallenroten Samenkapseln, die Ähnlichkeit mit Quasten hatten, und über fedrigen grünen Blättern auf. Ich übertreibe wirklich nicht. Der Anblick dieses Baums vor dem blauen Himmel war geradezu atemberaubend.

Die Lilie, um die es mir heute geht, ist Lilium regale (Königslilie), die süßduftende Trompete, vielleicht das am leichtesten anzubauende Mitglied dieser launischen Familie. Zwischen dieser Lilie und der Koelreuteria gibt es keinerlei Ähnlichkeiten, abgesehen davon, daß sie sich beide leicht aus Samen ziehen lassen. Reife Zwiebeln sind derzeit ziemlich teuer, wenn Sie also größere Mengen anpflanzen möchten, lohnt es sich, sie aus dem Samen zu ziehen – und dann ist jetzt der Moment gekommen, um in Ihrem eigenen oder den Gärten Ihrer Bekannten danach Ausschau zu halten. Sie können den Samen natürlich auch kaufen, aber es macht mehr Spaß, eine Samenkapsel aufzubrechen und die wunderbar verpackten, papierdünnen Samen selber herauszuschütteln. Jeder von ihnen keimt normalerweise, und eine Kapsel liefert mehr Lilien, als Sie vermutlich in Ihrem Garten unterbringen können. Nehmen Sie die Samen...

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