Im folgenden Kapitel soll ein grundlegender theoretischer Rahmen für den Themenkomplex „Work-Family-Balance von berufstätigen Vätern“ definiert und theoretische Modelle in einen gemeinsamen Kontext gebracht.
Im Folgenden wird zunächst der Begriff der Work-Family-Balance definiert und theoretische Rahmenmodelle vorgestellt. Zudem werden Spillover- und Crossovereffekte der Work-Family Balance betrachtet.
Der Begriff der „Work-Life Balance“ ist mittlerweile sehr geläufig und wird in der Literatur breit angewandt. Dabei ist bleibt jedoch zumeist eine definitorische Lücke bestehen,[17] da Arbeit grundsätzlich als wichtiger und zeitintensiver Teil des Lebens verstanden werden kann.[18]
Der Begriff der Work-Family-Balance (WFB) stellt eine Konkretisierung dar, die sich an Arbeitnehmer mit Familie richtet,[19] dabei sind die Definitionen in der Literatur inkonsistent:
„… satisfaction and good functioning at work and at home.”[20]
„… the degree to which an individual is able to simultaneously balance the temporal, emotional, and behavioural demands of both paid work and family responsibilities.”[21]
„… the extent to which an individual is equally engaged in – and equally satisfied with – his or her work role and family role.”[22]
„… accomplishment of role-related expectations that are negotiated and shared between an individual and his or her role-related partners in the work and family domains.”[23]
Die vorliegende Arbeit entscheidet sich für den weiteren Verlauf, sowie die Befragung der Probanden, für den erstgenannten Ansatz von Clark, der Work-Family-Balance als ausgewogenes und individuell befriedigendes Verhältnis von Jobzufriedenheit, Zufriedenheit mit dem Familienleben und Familienzusammenhalt[24] versteht.
Im Folgenden werden theoretische Rahmenmodelle betrachtet. Nach der ökologischen Systemtheorie werden Work-Family-Conflict/Work-Family-Enrichment und Spillover-/ Crossovereffekte vorgestellt. Anschließend folgt die Erläuterung des integrativen Work-Family-Balance Modells.
Die ökologische Systemtheorie nach Bronfenbrenner[25] betrachtet Individuen ganzheitlich und übergreifend über alle Lebensbereiche. Gleichzeitig liegt der Fokus auf der Interaktion und den Wechselwirkungen der jeweiligen Umwelten aufeinander. Aufgrund der Annahme, dass Organismen zur Anpassung auf ihre Umwelt fähig sind, der Konzentration auf mehrere Systemebenen sowie der Wechselbeziehungen zwischen diesen Systemen,[26] ist die Systemtheorie ein geeignetes Rahmenmodell zur Untersuchung von Work-Family-Balance von berufstätigen Vätern.
Bronfenbrenners Theorie besagt, dass die Entwicklung eines Menschen ein aktiver, lebenslanger Prozess ist.[27] Die Systemtheorie schließt dabei Rückkopplungsschleifen zwischen dem Individuum und seiner Umwelt ein, wovon beide sich gegenseitig beeinflussen. Die Lebensumwelt wird als mehrschichtige Hierarchie von vier Systemen verstanden: dem Mikrosystem, dem Mesosystem, dem Exosystem und dem Makrosystem (siehe Abbildung 1).
Abbildung 1: Modell der ökologischen Systemtheorie
(Quelle: Eigene Darstellung)
Jeder Mensch ist Teil mehrerer Mikrosysteme. Die wichtigsten Mikrosysteme von Vätern sind beispielsweise ihr Arbeitsplatz, ihre Familie und die verschiedenen Freundeskreise. Sie bestehen aus allen Aktivitätsmustern, Rollen und zwischenmenschlichen Beziehungen, die mit diesen Lebensbereichen verbunden sind.[28]
Auf der nächsthöheren Ebene befindet sich das Mesosystem. Es repräsentiert die Verbindungen, die zwischen einzelnen Mikrosystemen entstehen, wenn das Individuum aus einem Bereich heraustritt und in andere hineinwechselt. Es kommt zu einer gegenseitigen Beeinflussung der Bereiche, so z.B. bei den Bereichen „Arbeitsplatz“ und „Familie“. Im Kontrast dazu bezieht sich die Ebene des Exosystems auf Faktoren, die nicht im Handlungsspielraum des Individuums liegen, es aber dennoch stark beeinflussen. So wirkt beispielsweise die Berufstätigkeit des Vaters als Stressor auf ein Kind ein und das Kind wirkt sich gleichzeitig als Stressor auf die Arbeitstätigkeit des Vaters (z.B. im Hinblick auf Fehlzeiten) aus. Auf diese Weise wirkt sich das Exosystem auf das Mesosystem aus.[29] Die Kombination aller oben beschriebenen Systeme, erzeugt je nach Kultur und Subkultur ein divergentes Muster. Dieses Muster bezeichnet Bronfenbrenner als Makrosystem.[30]
Die ökologische Systemtheorie wird im Rahmen der wissenschaftlichen Untersuchung von Konflikten zwischen Beruf und Familie häufig als Leitfaden benutzt.[31][32] Einige Forscher arbeiten mit den Prozessen auf der Ebene des Exosystems, [33] [34] ein großer Teil der Studien untersucht die Makrosystem-Ebene.[35] [36] Die meiste Forschung jedoch wird auf der Ebene des Mesosystems durchgeführt.[37] [38] Das bedeutet, dass vor allem die Auswirkungen von Privat- und Berufsleben aufeinander sowie deren Effekte untereinander untersucht wurden. Auch diese Arbeit ist auf dieser Ebene einzuordnen, da sie sich mit den Effekten der Work-Family-Balance beschäftigt, also der gegenseitigen Beeinflussung der Mikrosysteme „Arbeit“ und „Familie“.
Im Folgenden soll nun betrachtet werden, inwiefern die Mikrobereiche „Familie“ und „Beruf“ im Sinne von Work-Family-Conflict und Work-Family-Enrichment durch Spillover und Crossover negativ bzw. bereichernd erlebt werden können.
Als Spillover bezeichnet man die Übertragung von Zuständen des Wohlbefindens von einem Bereich des Lebens in einen anderen. Der Prozess findet intrapersonell, jedoch über verschiedenste Lebensdomänen übergreifend hinweg statt.[39] Dabei können die Erfahrungen und Emotionen, die von einem Bereich in den anderen übertragen werden, sowohl positiv (Positiver Spillover) als auch negativ (Negativer Spillover) sein.
Im Gegensatz zu Spillover, der immer nur das erlebende Individuum an sich betrifft, erfolgt bei Crossover die Übertragung von Zuständen des Wohlbefindens auf eng verwandte oder nahestehende Personen. Der Übertragungsprozess findet interpersonell statt – die Befindlichkeiten der Individuen „kreuzen“ sich.[40]
Die Emotionen und Erfahrungen, die von der erlebenden Person auf eine ihr nahestehende Person übertragen wird, können dabei sowohl negativ (negativer Crossover), als auch positiv (positiver Crossover) sein. Studien zeigen, dass sich z.B. Stress und Müdigkeit des einen Partners auf den anderen übertragen.[41]
Das Spillover-Crossover Modell (SCM)[42] kombiniert die Spillover- und Crossover-Einzeltheorien. Demnach werden zunächst die Erlebnisse der Arbeitswelt auf die Familie übertragen (Spillover). Diese Erfahrungen und Emotionen gehen sodann durch soziale Interaktion auf einzelne oder mehrere Familienmitglieder über (Crossover). So bringen Väter beispielsweise negativen Druck aus der Arbeit mit nach Hause, der das Familienklima negativ beeinflusst (Spillover). Dabei fühlt sich nicht nur der Vater unter Druck gesetzt und gestresst, sondern auch die Partnerin (Crossover).
Diese positiven oder negativen Übertragungsformen, beeinflussen die Arbeits-, sowie die Familiendomäne und führen zum Work-Family-Enrichment bzw. Work-Family-Conflict.
Das Konzept des Work-Family-Conflict basiert auf der Scarcity Hypothesis von Goode.[43] Diese besagt, dass jeder Mensch in Bezug auf seine verfügbare Zeit und Energie limitiert ist. Mehrfache und konkurrierende Anforderungen an die verschiedenen Rollen einer Person führen demnach zu zeitlichen und energetischen Spannungen, die als belastend oder gar überfordernd wahrgenommen werden. Die Anforderungen von Berufs- und Familienpflichten überschneiden sich bei Eltern und sorgen durch die Kollision von sozialen Normierungen und Erwartungshaltungen an die jeweilige soziale Rolle[44] für einen Interrollenkonflikt. Als negativer Spillover werden die negativen Erlebnisse und Emotionen des Arbeitslebens sodann in den Bereich der Familie übertragen und vice versa. Da die Belastungen bidirektional in verschiedenen Bereichen auftreten, können zwei Konflikttypen entstehen (Abbildung 2 ):
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