2. Selbstführung
2.1 Wer andere führen will, muss sich selbst führen
Als Führungskraft im Vertrieb tragen Sie eine Menge Verantwortung: dafür, dass die Vertriebsorganisation eine mittel- und langfristige Strategie mit klaren Zielen verfolgt, dass alle Aufgaben sinnvoll verteilt werden und jeder weiß, wann er was wie zu tun hat, dass die Prozesse in der Auftragsbearbeitung, Kundenakquise und Kundenbetreuung einwandfrei funktionieren, dass Ihre Mitarbeiter gute Laune haben, motiviert sind und sich weiterentwickeln und dass unterm Strich die Zahlen stimmen – um nur einige Aspekte Ihres Verantwortungsbereichs zu nennen.
Selbstorganisation: unverzichtbar
Das alles können Sie dauerhaft erfolgreich nur stemmen, wenn Sie sich selbst gut organisieren. Nur wenn Sie Ihren eigenen Schreibtisch regelmäßig aufräumen, seine Schubladen, die Sideboards und Schränke in Ihrem Büro eine klare Ablage für alle wichtigen Unterlagen haben, nur wenn auf dem Desktop Ihres Notebooks kein Dateienchaos herrscht und die Ordnerstruktur auf dem Vertriebsserver einem logischen Aufbau folgt, nur dann haben Sie auch den Kopf frei für das Alltagsgeschäft, können gelassen mit unerwarteten Situationen umgehen und haben Zeit für das eigentlich Wesentliche: strategische Planung und Leadership.
| Limbeck-Tipp Nur wenn Sie sich selbst organisieren, können Sie auch Ihren Verantwortungsbereich sinnvoll organisieren. |
Denken Sie daran: Sie haben eine wichtige Leitbildfunktion für Ihre Mitarbeiter (vgl. Kap. 3.12). Was sollen die über Sie denken, welche Schlüsse sollen sie für ihr eigenes Selbstmanagement daraus ziehen, wenn Sie immer wieder unvorbereitet in Meetings kommen, Telefontermine mit wichtigen Kunden versäumen und wichtige Dateien im CRM-System nicht richtig an- oder ablegen?
Keine Frage: Es gibt viele Vertriebs- und Teamleiter, denen Organisationstalent nicht gerade in den Schoß gelegt wurde. Denen gelingt es aber trotzdem, den Laden am Laufen zu halten, weil sie besonders stark darin sind, hervorragend mit ihren Mitarbeitern zu kommunizieren, sie zu motivieren und für eine tolle Arbeitsatmosphäre zu sorgen. Solchen Führungskräften verzeihen ihre Mitarbeiter gern einmal den einen oder anderen Fauxpas, kleinere Nachlässigkeiten und Versäumnisse – solange sie die wirklich wichtigen Aufgaben im Griff haben. Motto: »Na ja, manchmal ist der Chef ein bisschen verpeilt, aber ich habe Spaß an meiner Arbeit, weil er mir vertraut und wir uns alle gut verstehen.«
Das ist aber keine Aufforderung an Sie, die Zügel bei Ihren organisatorischen Aufgaben im Vertriebsmanagement schleifen zu lassen. Dieser Bereich ist ein Teil Ihrer Daseinsberechtigung: Widmen Sie ihm daher die notwendige Aufmerksamkeit und Einsatzbereitschaft. Denn nur mit dem Bewusstsein, dass die Strukturen und Prozesse in Ihrer Organisation auch in Ihrer Abwesenheit wie eine gut geölte Maschine funktionieren, können Sie sich um die Ressource kümmern, von denen auch Ihr Erfolg als Führungskraft im Vertrieb abhängt: Ihre Mitarbeiter (vgl. Kap. 1.8).
Sie als Teil der Führung sind auch ein Teil des (Vertriebs-)Ganzen – und zwar der wichtigste. Aber wenn Ihre Mitarbeiter Ihnen nicht folgen, weil Sie keinen Draht zu ihnen finden, wenn Ihre Mitarbeiter das Gefühl haben, als bloße Funktionsträger austauschbar zu sein, weil Sie über das rein professionelle Miteinander keine persönliche Verbindung zu ihnen aufbauen können – dann hilft Ihnen auch die perfekt durchorganisierte Vertriebsmaschinerie wenig.
Selbstsorge: lebensnotwendig
Sie sind die wichtigste Person, was die Entwicklung Ihres Teams und jedes einzelnen Mitarbeiters betrifft. Sie sind die Lokomotive, das Zugpferd, der Motor. Sie bestimmen die Richtung, in die Ihr Team marschiert, und das Marschtempo. Sie sind Leitbild, Kraftquelle und Inspiration für Ihre Mitarbeiter, in der Kommunikation untereinander und mit den Kunden, in der Motivation für sich selbst und für andere, in Ihrer Fähigkeit, für sich selbst und andere Ziele zu setzen und diese konsequent zu verfolgen.
Kurz: Sie sind im Job die wichtigste Person für Ihre Mitarbeiter. An Ihnen richtet sich alles aus, Ihre Mitarbeiter orientieren sich an Ihnen. Und das kostet Kraft. Für den wichtigsten Menschen zu sorgen – nämlich sich selbst – ist daher nicht etwa selbstsüchtig, sondern nur logisch und absolut notwendig. Denn wer nicht darauf achtet, bei Kräften zu bleiben, ist irgendwann kraftlos – und kann als Führungskraft seine Mitarbeiter nicht unterstützen. Ganz im Gegenteil: Wenn Sie sich übernehmen, auspowern, wenn Sie ausbrennen, dann fallen Sie (nicht nur) Ihren Mitarbeitern zur Last.
Deshalb ist Selbstführung mehr als Selbstorganisation. Es bedeutet darüber hinaus die Fähigkeit, sich Ruhephasen, Pausen, Auszeiten zu gönnen, auf sein Bauchgefühl zu hören, seine innersten Bedürfnisse zu respektieren, gut mit sich selbst umzugehen. So paradox es auch klingen mag: Übernehmen Sie Verantwortung für sich selbst, denn dann können Sie auch Verantwortung für Ihre Mitarbeiter übernehmen (vgl. Kap. 2.14 und 2.15)!
| Limbeck-Tipp So geht die Formel: Selbstführung = Selbstorganisation + Selbstsorge |
AUF EINEN BLICK
•Führungskräfte, die gut organisiert sind, können sich auf ihre wesentlichen Aufgaben konzentrieren und sind somit Leitbilder für ihre Mitarbeiter.
•Führungskräfte, die für sich selbst sorgen, übernehmen Verantwortung für sich selbst und ihre Mitarbeiter.
2.2 Gute Führungskräfte überprüfen sich selbst
Gute Selbstführung als Basis guter Mitarbeiterführung hat neben der Selbstorganisation und der aktiven Sorge für sich selbst noch eine dritte Dimension: Selbstreflexion. Denn wer sich selbst führen will, muss auch bereit und fähig sein, das eigene Denken und Handeln immer wieder zu hinterfragen, seine Ziele, sein Können, sein Wissen und seine Wirkung auf andere. Als Führungskraft erwarten Sie von Ihren Mitarbeitern, dass sie sich weiterentwickeln, und sind bereit, sie dabei zu unterstützen. Aber wer sorgt eigentlich dafür, dass Sie selbst nicht stagnieren?
Selbstreflexion: unentbehrlich
Vielleicht haben Sie Vorgesetzte, die ein Auge auf Ihre fachliche und persönliche Weiterentwicklung haben und Sie entsprechend fördern. Dann können Sie sich glücklich schätzen, jemanden an Ihrer Seite zu haben, der die Rolle innehat, die Sie für Ihre Mitarbeiter einnehmen. Allerdings sind Sie in erster Linie selbst dafür verantwortlich, regelmäßig Ihren Standort zu bestimmen, zum Beispiel mit den Fragen auf der folgenden Checkliste.
Checkliste: Selbstreflexion und Standortbestimmung
•Warum bin ich im Vertrieb? Warum bin ich Führungskraft im Vertrieb? Was daran treibt mich an? Wofür brenne ich? Was motiviert mich, diese Verantwortung zu tragen, diese Rolle auszufüllen?
•Welche Aufgaben machen mir dabei Spaß? Auf welche Tätigkeiten könnte ich gut verzichten?
•Auf welchem Stand sind meine fachlichen Kompetenzen? Sind sie State of the Art? Oder muss ich mich mit neuen Entwicklungen im Vertrieb auseinandersetzen?
•Welches berufliche Know-how, welche praktischen Fertigkeiten besitze ich, um auch im operativen Tagesgeschäft bestehen zu können? Und welche muss ich mir eventuell aneignen, zum Beispiel digitales Know-how bzw. IT-Kenntnisse?
•Welche Stärken und Schlüsselqualifikationen bringe ich für meine Position mit? Was zeichnet mich besonders aus? Was schätzen andere an mir? Und welche persönlichen Eigenschaften konnte ich bisher noch nicht entfalten?
•Welche Rolle nehmen meine eigenen Ziele und Visionen in meiner Arbeit ein? Wie wichtig ist es mir, sie zu realisieren?
•Welche Werte bestimmen mein Denken und Handeln? Und welche sollen meine Beziehungen zu meinen Mitarbeitern, Kollegen, Vorgesetzten, Kunden prägen? Welches Bild sollen diese Personen von mir haben?
•Was lebe ich meinen Mitarbeitern, Kollegen und Vorgesetzten vor? Welche Werte, welche Motivation, welche Einstellung strahle ich aus? Und was davon nimmt mein Umfeld tatsächlich wahr?
•Warum bin ich wertvoll für mein Team? Was gebe ich meinen Mitarbeitern, damit die ihre Aufgaben nicht einfach nur erledigen, sondern ihnen...