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Homosexualität im deutschen Fußball. Männlichkeitsideale, Diskriminierung und Homophobie in einer Männerdomäne

AutorSebastian Scheib
VerlagStudylab
Erscheinungsjahr2019
Seitenanzahl100 Seiten
ISBN9783960955481
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis34,99 EUR
In Bereichen wie Politik, Mode und Unterhaltung hat Homosexualität heutzutage an Normalität gewonnen. Homosexuelle können in ihren Berufen Erfolg und Anerkennung erreichen. Anders im Fußball: Hier ist Homosexualität noch immer eines der größten Tabuthemen. Abfällige Aussagen von Fans, aber auch von prominenten Spielern, Trainern und Funktionären sind keine Seltenheit. Sebastian Scheib geht der Frage nach, warum sich in Deutschland bis heute kein aktiver Fußballprofi als homosexuell geoutet hat. Fußball gilt als klischeehafter Männersport, in dem Aggressivität, Kraft und Ausdauer zählen. Homosexualität hingegen nimmt unsere Gesellschaft noch immer als Schwäche war. Sebastian Scheib untersucht ein zentrales Problemfeld unserer Gesellschaft und hat dafür mit zahlreichen Spielern, Fans und Aktivisten gesprochen. Aus dem Inhalt: - LSBTTIQ; - Homophobie; - Coming-Out; - Männlichkeit; - Diskriminierung; - Fanszene

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Leseprobe

3 Männerdomäne Fußball


 

„Unsere Kultur erzieht uns, dass Männer stark sind und nicht über Gefühle sprechen“ sagte der einstige Basketballprofi John Amaechi über die Männlichkeit im Sport (ZDF Sportstudio, 2010). Das folgende Kapitel setzt sich mit der Frage auseinander was man unter dem Begriff Männlichkeit versteht und welche Formen von Männlichkeit es gibt. Es zeigt auf, dass es im Fußball nicht die Männlichkeit schlechthin gibt, sondern, dass bei diesem Sport mehrere Formen von Männlichkeit aufeinandertreffen und miteinander verbunden sind. Die Konstruktion des Begriffs fällt von Nationalität zu Nationalität sehr unterschiedlich aus und spielt eine zentrale Rolle im Fußball, da hier Spieler aller Nationen aufeinandertreffen. Die Formen der Männlichkeit können sich laut de Hek (2011) entweder einander gleichen oder in Abhängigkeit voneinander stehen. Connell (1999) konstituiert den Begriff Männlichkeit zwischen Frauen und Männern sowie zwischen Männern untereinander. Die männliche Vielfalt wird von vielen Männern als eine Bedrohung der eigenen Männlichkeit wahrgenommen und somit existiert eine regelrechte Männlichkeitshierarchie im Fußball. Im ZDF-Sportstudio sagte Amaechi aus, dass sich viele Athleten entweder selbst als „hyper maskulin“ darstellen oder von der Öffentlichkeit so dargestellt werden.

 

„Wenn man ein wirklicher Sportler, Topsportler sein möchte, dann muss man hyper maskulin sein und absolut heterosexuell sein. Manche denken, dass es nicht reicht eine Frau zu haben als Sportler, sondern ein Topsportler braucht zwei oder drei oder vier Frauen. Und schwul zu sein das ist das Gegenteil was die Leute von einem Topsportler erwarten, obwohl die Sexualität ja ganz und gar keinen Einfluss auf die sportliche Leistung hat“ (ZDF Sportstudio, Interview mit John Amaechi, 2010).

 

Um einen genaueren Blick auf die Entstehung der Männlichkeit im Fußball zu geben werden zunächst die Anfänge des Fußballs beschrieben um danach auf die verschiedenen Formen der Männlichkeit einzugehen.

 

3.1 Vom wilden Volkssport zum geregelten Männersport


 

Um eine genauere Vorstellung zwischen dem Sport Fußball und dem Begriff Männlichkeit zu erhalten, muss man zunächst die Historie des Spiels begreifen. Kreisky (2006, S. 24) beschreibt diese Sportspiele als „rituelle Darstellungen dominanter Werte“, bei denen es „auch um Selbstdefinition als soziale oder geschlechtliche Gruppe bzw. (Sub-)Kultur“ geht.

 

Laut Kreisky (2006, S. 24) spekulieren Experten darüber, wo der Fußball seine Wurzeln hat. Eine Annahme ist, dass Chinesen Anfang des dritten Jahrtausends vor der Zeitrechnung diesen Sport ausgeübt haben sollen. Eine andere Vermutung geht davon aus, dass die Azteken den Sport erfunden haben sollen (Bredekamp, 1993; Stemmler, 1998). Die jedoch wichtigste und einflussreichste Grundlage erlebte man in den Anfängen des zehnten Jahrhunderts in England. Angefangen hat es mit einem kaum geregeltem „Volksspiel“ zwischen verschiedenen Dörfern, bei dem man ein fußballähnliches Spiel spielte. Bei diesem Spiel gab es keine Regeln und keine Teams, spielentscheidend waren lediglich Ausdauer und Kraft. Dieses wilde, körperbetonte Spiel wurde mit der Zeit immer beliebter da die Spieler ihren Emotionen freien Lauf lassen konnten, was ihnen im normalen Alltag nicht gewährt wurde. Laut Elias & Dunning, (1971/ 1982, S. 96) erwies sich diese Art des Fußballs als eine „Form institutionalisierter Gewalt“, die gesellschaftliche Spannungen innerhalb dörflichen Gemeinschaften und den verschiedenen sozialen Gruppen mindern konnte.

 

Mit Anbruch der Industriellen Revolution im späten 18. Jahrhundert kam es zum Ende des wilden Volkssports. Die untere Bevölkerungsschicht wurde mit Gewalt in das Fabriksystem gezwungen und der beliebte Sport Volksfußball wurde verboten. Lediglich in privaten Public Schools wurde laut Kreisky (2006) das Fußballspiel in organisierter Form angeboten. Aus dem einst robusten, körperbetonten Spiel wurde ein körperloses, faires Spiel mit einem Regelwerk. Diese Regeln sollten das Spiel berechenbarer machen, vor allem weil es anfänglich noch ohne einen Schiedsrichter auskommen musste. 1863 wurden Fußball und Rugby voneinander getrennt und es kam zu der Gründung der „Football Association“ in England. Laut Kreisky (ebd.) erwies sich Fußball mit der Zeit als die beliebtere Sportart, unter anderem weil sich das Spiel als variantenreicher darstellte und die Regeln verständlicher waren.

 

Mit der Gründung der Football Association blieb auch das Geschlecht des Fußballs weitestgehend unbeachtet. Laut Kreisky (ebd.) ging man davon aus, dass der Sport Fußball nur von Männern betrieben werden kann. Auch noch heute findet man im Sprachgebrauch die Inszenierung, dass Fußball männlich sei. So werden lokale, regionale, nationale und internationale Turniere der Männer lediglich mit dem Begriff Fußball tituliert, während Frauenfußball geschlechtlich explizit genannt werden muss „um sein Anderssein, sein Minderwertigsein nach außen hin sichtbar zu machen“ (ebd. 2006, S. 27). Des Weiteren fielen die Anfänge des modernen Fußballs in eine Zeitepoche als das Militär ein sowohl politisches als auch gesell­schaftliches Bild prägte. Tugenden wie Aufopferung, Ehre, Kameradschaft und Pflichterfüllung wurden auf dem Sportplatz ausgetragen und lenkten dazu, dass der Sportplatz sinnbildlich zu einem Ort der hegemonialen Männlichkeit wurde. Fairness und regelkonform hatten zu dieser Zeit auf dem Fußballplatz noch keine Verwendung und wurden erst später in den Sport einbezogen.

 

Fußball gilt laut de Hek (2011, S. 72) als eine „Domäne heterosexueller, monokultureller Männlichkeit“ dessen Raum als ein „Ort der Inszenierung von Männlichkeiten“ geprägt und dargestellt wird. Es ist eine „Männerdomäne, ein Männerbund, eine Männerbastion“ sowie „ein Schutz- und Rückzugsraum für überkommene Männlichkeitsvorstellungen“ (ebd.) und wird somit automatisch zur Männersache erklärt.

 

3.2 Hegemoniale Männlichkeit


 

Der Begriff hegemoniale Männlichkeit bezieht sich laut Connell (1999, S. 98) auf die gesellschaftliche Dynamik, mit welcher eine Gruppe eine Führungsposition im gesellschaftlichen Leben einnimmt und aufrechterhält“. Unter dem Begriff Hegemonie versteht man somit die Vorherrschaft einer Institution oder Organisation politischer, religiöser oder kultureller Hinsicht, welche sich durch die Überlegenheit einer Person darstellt. Durch die hegemoniale Männlichkeit kommt es zu einer Hierarchie unter Männern und somit automatisch zu Ausgrenzungen und Abwertungen anderer Formen von Männlichkeit. Als zentrales Merkmal dieser Form von Männlichkeit steht die eigene Heterosexualität im Vordergrund und die Abwertung sowie Diskriminierung von Homosexualität (de Hek, 2011, S. 74). Für einen hegemonialen Fußballspieler ist es wichtig, dass er selbstverständlich als heterosexuell wahrgenommen und dass seine Leistung als überdurchschnittlich anerkannt wird. De Hek (ebd.) beschreibt diesen Prototyp als einen Führungsspieler, der für spielentscheidende Situationen zuständig ist und an dem sich der Rest der Mannschaft orientiert. Diese Spieler stehen durch ihr Können und ihren (möglichen) Erfolg sowohl bei Fans, in den Medien als auch bei den eigenen Mitspielern und Funktionären im Mittelpunkt. Laut de Hek (ebd.) gehen diese Spieler über die eigene Schmerzgrenze hinaus um den höchst möglichen Erfolg zu erzielen.

 

3.3 Komplizenhafte Männlichkeit


 

Der Begriff komplizenhafte Männlichkeit entsteht laut Connell (1999, S. 98) aus der hegemonialen Männlichkeit. In dieses Bild passen Männer, welche hegemoniale Männlichkeit nicht darstellen oder repräsentieren aber dennoch mit ihr in Verbindung stehen. Laut Heißenberger (2008, S. 22) ist für sie „die hegemoniale Männlichkeit mehr eine normative Orientierungsfolie denn verkörperte Realität“, d. h. es sind Männer, die aus der hegemonialen Männlichkeit ihren Nutzen ziehen. Für diese stehen, neben der Unterdrückung der Frau, Ansehen, Erfolg und Macht im Vordergrund. Laut de Hek (2011, S. 75) stehen die meisten Fußballspieler mit dem komplizenhaften Männlichkeitsbild in Verbindung zu einander, da sie stets im Schatten der Führungsspieler stehen und es nur wenige Führungsspieler in einer Mannschaft gibt. Diesen Spielern werden gute durchschnittliche fußballerische Leistungen zugesprochen. Ferner kennzeichnen sich diese durch ein hartes Zweikampf- und Abgrenzungsverhalten gegenüber Frauen und Homosexuellen um sich so einen Platz in der Mannschaft zu finden.

 

3.4 Untergeordnete Männlichkeit


 

De Hek (2011, S. 75) behauptet, dass über Generationen hinweg ein Gedankenbild von Männlichkeit und Weiblichkeit in der Gesellschaft entstanden ist, welches durch geschlechtsspezifische Verhaltensweisen und Eigenschaften reduziert wird. Meuser versteht unter der untergeordneten Männlichkeit einen spezifischen Habitus wobei „die Angehörigen einer Geschlechterkategorie gemäß einem Prinzip handeln, das für diese, nicht aber für die andere Geschlechtskategorie Gültigkeit hat“ (2006, S. 117). Unter dem Begriff Männlichkeit verbindet die Gesellschaft, laut Walther (2006, S. 5), Attribute wie Mut und Durchsetzungsvermögen. Weiblichkeit steht demnach für Einfühlsamkeit und Schwäche. Wer diesen Idealen nicht entspricht...

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