»Debating« als Methode
Debating entstand nach dem Vorbild der parlamentarischen Debatte. Wie im Parlament gibt es feste Regeln: Die Zugehörigkeit zu Pro- und Kontrateams steht im Voraus fest, ebenso die erlaubte Redezeit. Das Szenario spiegelt dabei den letzten Schritt des politischen Prozesses: Die Teilnehmer der jeweiligen »Partei« streiten darüber, ob der Vorschlag der Regierung, der sogenannte Antrag, in einer finalen Abstimmung angenommen oder abgelehnt wird.
Es gilt das Prinzip der Entscheidungsrede. Das bedeutet: Ein Kompromiss ist in jedem Fall ausgeschlossen. Daher versuchen die Rednerinnen und Redner, das Publikum persuasiv auf die eigene Seite zu ziehen – also durch einen überzeugenenden Beitrag zu überreden. Es gibt eine feste Redezeit (auf Turnieren sind es sieben Minuten pro Rede), die man weder über- noch unterschreitet.
Fragen und Einwürfe sind erlaubt. Aber es gilt: »Man wahre den parlamentarischen Stil!« Kommt es im Eifer des Gefechts zu Zeitüberschreitungen, persönlichen Angriffen oder Störungen, dann interveniert der »Präsident der Debatte«, der Schiedsrichter.
Weltweit existieren zahlreiche verschiedene Debattierformate, die sich teils stark voneinander unterscheiden: Im Format der Offenen Parlamentarischen Debatte (OPD) sprechen beispielsweise neben Pro und Kontra auch fraktionsfreie Redner, beim British Parliamentary Style (BPS) gibt es insgesamt vier Teams, im Wartburg-Format wiederum wird kein Antrag gestellt. Bei den Debatten der Wirtschaftsjunioren kommen Redner mehrfach zu Wort, die Tübinger Debatte bezieht in einer freien Aussprache sogar das Publikum mit ein, bei »Jugend debattiert« kann jeder nach der Aussprache den vertretenen Standpunkt noch einmal verändern und die amerikanische Policy Debate fokussiert ein gesamtes akademisches Jahr auf ein Thema und ergänzt die Reden um ein Kreuzverhör.
Jedes Debattenformat setzt im Lernprozess der Redner andere Akzente. Ihnen allen gemeinsam sind streitbare Themen und der rhetorische Schlagabtausch auf höchstem Niveau. Die große Vielfalt an Formaten zeigt jedoch, wie wichtig es ist, sich auf das genaue Format einzulassen und sich darauf vorzubereiten – nicht umsonst benötigen selbst erfahrene Redner gute Debattiertrainerinnen und -trainer, um jeweils die richtigen Akzente zu setzen, sich über Feedback zu verbessern, um schließlich den Siegerpokal nach Hause tragen zu können.
Legen Sie los: Ihre erste Debatte
Seien wir ehrlich: Die meisten wollen die Methoden des Debattierens direkt einsetzen und sich nicht mit den Feinheiten der Formate beschäftigen. Darum stelle ich Ihnen die »Mini-Debate« als Einsteigermethode vor. Die vereinfachten Regeln lassen sich in Trainingssituationen, in Kleingruppen-Coachings mit Führungskräften und mit Kollegen schnell und problemlos umsetzen und in ihr schlägt trotzdem das Herz des Debattierens.
Übung: Der Ablauf der Mini-Debate
Wenn Sie alle Positionen besetzen möchten, benötigen Sie neun Personen: Präsident und zwei Juroren sowie je drei für die Teams. Der Ablauf geht folgendermaßen:
Wählen Sie zunächst ein streitbares Thema. Die Positionen Pro und Kontra werden zugelost.
Das Pro- und das Kontrateam bestehen jeweils aus drei Personen, die sich gemeinsam 15 Minuten auf die Debatte vorbereiten.
Der Präsident eröffnet die Debatte und ruft jeweils die einzelnen Redner auf, bevor sie vor die Zuhörer treten.
Gesprochen wird vom Pult aus. Jeder Redner hält eine Rede von sieben Minuten Länge. (Für Anfänger wird die Redezeit auf drei oder fünd Minuten begrenzt.) Es beginnt immer das Team, das Pro vertritt. In der Folge wechseln sich Pro und Kontra ab, wobei jeder Redner nur einmal zu Wort kommt.
Nach sechs Reden ist die Debatte vorbei, der Präsident schließt die Debatte mit dem Aufruf zum Shakehands.
Jurorenbesprechung: Die Juroren bleiben allein im Raum. Sie vergleichen ihre Bewertung der Einzelreden und entscheiden, welches Team gewonnen hat.
Im Anschluss daran kommen alle Beteiligten wieder zusammen. Die Teams werden informiert, wer gewonnen hat. Die Redner erhalten zudem Verbesserungsfeedback zu ihrer Leistung im Team und als Einzelredner.
Die Bewertung einer Debatte orientiert sich an festgelegten Debating-Kriterien, die im vierten Teil dieses Buchs erläutert werden. Für den Anfang reicht die Erkenntnis: Sich in den »Ring« zu wagen ist der erste Schritt zur Verbesserung. Daher empfehle ich: Fangen Sie aktiv an! Das Debattieren lebt vom Feuer der unterschiedlichen Meinungen und vom Spaß am Wettbewerb.
Das richtige Thema
Debating-Themen sind Entscheidungsfragen, die mit Ja oder Nein beantwortet werden können und auf eine konkrete Maßnahme abzielen. Sie werden als Frage formuliert »Sollte der Bundespräsident direkt gewählt werden?« oder nach dem Stil des britischen Unterhauses: »Dieses Haus würde den Bundespräsidenten direkt wählen.«
Wenn Sie ein Thema auswählen, dann sollte es folgende Kriterien erfüllen:
Es ist klar formuliert mit einem eindeutigen Streitpunkt. Debatten wie »Brauchen wir statt der Frauenquote mehr Kindergartenplätze?« zerfasern, weil nicht klar ist, worüber gestritten wird.
Zudem ist es kontrovers, aber ausgewogen. Es gibt Argumente für beide Seiten. Unfair sind einseitige Themen wie »Brauchen wir den Weltfrieden?«. (Alle sind sich einig: Ja.)
Der Status quo wird verändert. Langweilig werden Debatten, die nicht oder nur minimal über den aktuellen Stand hinausgehen, wie zum Beispiel: »Brauchen wir die Afrikanische Union?« (Die AU existiert seit 2002.)
Übung: Welche dieser Themen eignen sich für eine Debatte?
Sie wollen eine Debatte üben. Überlegen Sie zunächst einmal anhand der vorgegebenen Themen, welches sich wirklich dafür eignet.
Sollte das Wahlrecht durch eine Wahlpflicht ersetzt werden?
Sollten EU-Ausländer bei Kommunalwahlen kandidieren dürfen?
Du bist der Kommandant eines israelischen U-Boots im Persischen Golf. Es ist der Tag, nachdem Israel in einem Überraschungsangriff vom Iran ausgelöscht wurde: Sollte er Israels Zweitschlagskapazitäten nicht zum Einsatz bringen?
Brauchen wir die »Weihnachtsfrau«?
Sollte Mord erlaubt sein?
Wie sollten Eltern mit schlechten Schulnoten umgehen?
Die Auflösung finden Sie auf der nächsten Seite.
Auflösung
Ja.
Nein. Es wird der Status quo gefordert. Einzig bayerische Bürgermeister und Landratsposten sind bisher ausgenommen.
Nein, zu schwer für Einsteiger. Dies war das Halbfinalthema beim University College Utrecht Open 2011.
Ja, auch Scherzthemen eignen sich.
Nein, zu unausgewogen: Die meisten Menschen sind...