1Vorbereitungen, Sichtweise und Bildkomposition
Bob Luijks
Das Wetter ist immer und überall. Jedes Natur- und Landschaftsfoto ist indirekt auch immer ein Wetterfoto. Sind Sie erstmal vor der Tür, fällt Ihnen das schöne Licht der Wolken auf und Sie machen ein Foto davon. Da das Wetter bei uns in den Niederlanden so wechselhaft ist, können Sie es bei uns im Grunde auf den Zufall ankommen lassen. Doch gilt eigentlich auch hier, dass eine gute Vorbereitung die halbe Miete ist.
1.1Vorbereitungen
Bestimmte Wetterphänomene wie Cumulonimbus arcus, Polarlichter oder Halos treten nur unter spezifischen Bedingungen auf. Das Kennen und Erkennen dieser Erscheinungen und die nötigen Hintergrundinformationen dazu erhöhen die Chancen, auf sie zu treffen, enorm. Dieses Buch ermöglicht in Kombination mit weiterer meteorologischer Lektüre und zahlreichen nützlichen Websites zu diesem Gebiet, das Wetter zu verstehen und bestimmte Erscheinungen einigermaßen vorherzusagen.
Die Fähigkeit zur Interpretation aktueller Wetterdaten ist bis zu einem gewissen Maß unerlässlich. Das bekannteste Beispiel dafür sind die Sturmjäger, die Freunde extremer Wetterlagen. Diese versuchen zuerst grob zu ermitteln, wo und wann sich die Regenwolken aufbauen. Fängt es an zu regnen, schätzen sie den Verlauf des Regens und seine weitere Entwicklung ein. Haben die Sturmjäger eine geeignete Regenfront gefunden, probieren sie den richtigen Moment zu erwischen. Das muss alles ganz schnell gehen, da Regenfronten in kurzer Zeit schon wieder verschwunden sein können. Viel Zeit und Stress können Sie sich dabei sparen, wenn Sie in Ihrer eigenen Umgebung offene Landschaften kennen, die Sie für bestimmte Wetterlagen nutzen können. Das könnte ein ruhiger See für nebelverhangene Morgenstunden, ein freier Horizont nach Norden für eventuelle Polarlichter mit leuchtenden Nachtwolken oder ein unverstellter Blick nach Süd(west)en für anrollende Gewitter sein. Sobald sich eine bestimmte Wetterfront ankündigt, können Sie sich direkt auf den Weg machen, wobei das bei bestimmten Wetterlagen immer ein Glücksspiel bleibt.
In der Wetterfotografie zählt vor allem die Anwesenheit vor Ort. Das Wetter ändert sich oft rasend schnell. Das schöne Abendrot kann in fünf Minuten vorbei, der Nebel im Nu verzogen sein. Nur dadurch, dass man in den kritischen Augenblicken überhaupt draußen ist, hat man die Chance, das alles festzuhalten. Natürlich wird man in der Praxis schon mal enttäuscht, weil man sich umsonst auf den Weg gemacht hat.
In diesem Foto steckt mehr Vorbereitung, als Sie wahrscheinlich vermuten. Der Ort wurde vorher ausgekundschaftet, der Wetterbericht sorgfältig studiert und die Ausrüstung gut geschützt. | De Kiel | 10.02.2009, 14:30 Uhr | Karin Broekhuijsen | Canon EOS 5D Mk II mit Canon EF 70 – 200 mm 1:2,8 L IS II bei 200 mm, 1/40 s, Blende 8, ISO 100.
Gute Vorbereitung bedeutet, dass Sie draußen gut an die Bedingungen angepasst sind – sowohl Sie selbst als auch Ihre Ausrüstung.
- Kälte
Benutzen Sie warme Kleidung, vor allem an Händen und Füßen. Behelfen Sie sich eventuell zusätzlich mit Hand- und Fußwärmekissen. Ein heißes Getränk hilft Ihnen, sich von innen aufzuwärmen. Sind alle Ihre Kameraakkus vollgeladen? Bei Kälte kann deren Kapazität deutlich sinken. Reserveakkus sollten Sie daher körpernah tragen, um sie so warmzuhalten.
- Hitze
Hier ist in erster Linie leichte Bekleidung gefragt. Wichtig ist, ausreichend zu trinken. Schützen Sie sich vor möglichem Sonnenbrand, nehmen Sie eine Kappe mit und denken Sie auch an Mückenspray. Die kleinen Plagegeister können einem den Aufenthalt im Freien gründlich vermiesen. Reisen Sie in den hohen Norden Europas, reicht Mückenspray nicht mehr und Sie sollten sich Spezialausrüstung wie einen Mückenhut mit Netz besorgen.
- Nässe
Regenjacke und -schirm liegen hier auf der Hand. Besonders wichtig wird jetzt aber der Schutz der Ausrüstung. Der Fotorucksack sollte einen kurzen Schauer abhalten können. Außerdem benötigen Sie eine Regenschutzhülle für die Kamera und ausreichend trockene Tücher zum Abwischen.
- Nacht
Außer mit sinkenden Temperaturen haben wir es natürlich mit der Dunkelheit zu tun. Eine geeignete Lampe weist uns den Weg und erleichtert die Kameraeinstellungen.
1.2Sichtweise
Neben guter Vorbereitung entspringt ein spannendes Foto vor allem einer persönlichen Sichtweise. Das Wetter kann jeder fotografieren, weil man dafür nur den Blick nach oben richten muss. Doch was soll ein Foto aussagen? Was will man überhaupt fotografieren? Durch kreative Entscheidungen bekommen die Fotos sehr viel mehr Aussagekraft, sodass man ihnen regelrechte Geschichten erzählen kann. Denken Sie nur an die Aufnahmen der Fotografen, die jahrelang in den Polarregionen unterwegs waren. Auf diesen Expeditionen kamen die Folgen des Klimawandels deutlich zum Vorschein. Ganz so spektakulär muss es für uns natürlich nicht sein. Auch bei uns vor der Haustür findet jeder Bildergeschichten, der einen Blick für die Wetterfotografie hat. Sie können zum Beispiel einen heftigen Regensturm als Thema wählen: Dazu gehören dann Fotos von bedrohlichen Wolken, Blitzeinschlägen, überfluteten Straßen oder von im Wasser spielenden Kindern. Andere Möglichkeiten wären die Interaktionen von Wetter und Menschen, abendliche Farben, Reflexionen in Regenpfützen usw. Sie können das Wetter selbst zu einer Art Leitmotiv machen oder es einfach als Kulisse nutzen, um ein anderes Motiv, wie etwa Architektur oder Blumen, unter unterschiedlichen Wetterbedingungen in Szene zu setzen.
Ein abstraktes Foto wie dieses erkennt man vermutlich nicht gleich als Wetterfoto. Dennoch war das Wetter an diesem grauen Tag mit seinen schweren Bildtönen der entscheidende Faktor für die Bildstimmung. Kurz vor Sonnenuntergang bekam der Himmel noch kurz einen Orangeton. Die Farben dieses Moments wurden durch die Drehung der Kamera während der Belichtung zusammengebracht. Für die Erfassung der Stimmung muss das Foto nicht immer scharf sein. Extreme Bedingungen wie Regen, Wind, Sand und Salz erfordern die entsprechenden Vorsichtsmaßnahmen für die Ausrüstung. | Bergen aan Zee | 02.10.2009, 18:37 Uhr | Bob Luijks | Canon EOS 40D, Canon EF 24 – 70 mm 1:2,8 L USM bei 70 mm, 1 s, Blende 16, ISO 100, Stativ.
Bei der persönlichen Sichtweise geht es weniger um das, was Sie sehen, als darum, wie Sie es sehen. Diese Sichtweise wird durch persönliche Erfahrungen und vor allem Ihren Charakter und Ihre Stimmung geprägt: intro- oder extrovertiert, chaotisch oder ruhig, optimistisch oder traurig usw. In einem Foto können Sie Ihr Wesen oder das gerade vorherrschende Gefühl zum Ausdruck kommen lassen. Wie Sie das machen, steht Ihnen völlig frei. Sie brauchen sich dazu keinen Kompositionsregeln zu unterwerfen. Mehr noch: Ein Foto muss noch lange nicht immer scharf sein!
Die persönliche Sichtweise macht ein Foto oder eine Reportage zu etwas Besonderem. Es ist zugegebenermaßen nicht leicht, jedem Wetterphänomen seine persönliche Note zu geben. Eine Möglichkeit, dem näherzukommen, besteht in der Beschränkung oder der Frage, was man nicht möchte, um dadurch darauf zu kommen, was man vermitteln möchte. Setzen Sie sich anschließend klare Rahmenbedingungen und ein festes Ziel. Wenn Sie von einem Motiv oder Ereignis persönlich berührt werden, entsteht die eigene Sichtweise oft von ganz allein.
Das Herausarbeiten eines Themas, wie hier das Hochwasser, eröffnet schnell Möglichkeiten für eine persönliche Sichtweise. | Ijssel bei Deventer | 06.01.2013, 16:46 Uhr | Arno ten Hoeve | Canon EOS 5D Mk II, Canon EF 70 – 300 mm 1:4,0 – 5,6 L IS USM, 1/125 s, Blende 5,6, ISO 500
Das Herausstellen einer einzelnen Wolke betont ihre Form und ihre Individualität. | Leiden | 13.09.2012, 11:54 Uhr | Thomas Kalkman | Panasonic Lumix DMC, SLR Magic 35 mm 1:1,7, 1/4000 s, Blende 5,6, ISO 160
1.3Bildkomposition
Bei der Wetterfotografie nimmt der Himmel mit seinen Wolken oder Wettererscheinungen im Bild häufig viel Raum ein. Andererseits gibt es natürlich auch Situationen, wo das Wetter eher Teil des Geschehens ist, wie etwa bei einem Foto von Lichtstrahlen in einem nebligen Wald. In solchen Fällen sorgt das Wetter in erster Linie für die Bildstimmung.
Ein Wolkenhimmel allein wirkt leicht befremdlich: Wo soll man hinschauen, wie sind die Größenverhältnisse? Deshalb empfiehlt es sich meist, zumindest ein wenig von der Landschaft ins Bild zu nehmen. Eine schöne Landschaft wertet ein Wetterfoto auf, wie ein interessantes Wetterphänomen auch ein Landschaftsfoto bereichert. Achten Sie dabei stets auf einen geraden Horizont. Doch ist es nicht immer nötig oder gar möglich, ein Stückchen Landschaft mit zu fotografieren, da diese entweder so gar nicht hübsch ist oder sich das Wetterphänomen zu hoch am Himmel befindet. Für mehr räumliche Tiefe und Abwechslung können Sie auch nach geeigneten Vordergründen Ausschau halten, wie etwa schöne Blätter an einem Baum. Ist eine...