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E-Book

Alltagskultur: sakral – profan. Ausgewählte Aufsätze

VerlagWaxmann Verlag GmbH
Erscheinungsjahr2011
Seitenanzahl292 Seiten
ISBN9783830974253
FormatPDF
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis35,90 EUR
„Ich bin Lebensforscherin – Leben und Alltag auf dem Lande, Glaube und Frömmigkeit, Religion und Rituale sind meine Forschungsfelder.“
Dieser Satz fokussiert nicht nur das umfangreiche und breite Œuvre von Christel Köhle-Hezinger, sondern könnte auch als Motto über ihrer wissenschaftlichen Vita stehen.
Der 65. Geburtstag von Christel Köhle-Hezinger gibt Anlass, Leistung und Werk der Jubilarin mit dem vorliegenden Buch zu würdigen und zu ehren. Die Publikation enthält ausgewählte Schriften, die zum Teil an entlegenen Orten erschienen und daher nur schwer greifbar oder vergriffen sind. Es soll ein Einblick in die Vielgestaltigkeit der Forschungen von Christel Köhle-Hezinger gegeben werden, deren virtuose Ansätze und Ideen aktuell und erfrischend im Fach und universitären Alltag sind.

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Kapitelübersicht
  1. Inhalt und Vorwort
  2. Willkommen und Abschied. Zur Kultur der Übergänge in der Gegenwart
  3. Abendmahl als Gesetz. Beiträge aus der Volkskunde
  4. Pfarrvolk und Pfarrersleut
  5. Gemischtkonfessionelle Dörfer in Württemberg
  6. Treuezeichen. Zur kulturellen Kodierung industrieller Identifikation und Gratifikation
  7. Das Dino-Abenteuer. Anmerkungen zu Archaik und Aktualität eines Phänomens der Gegenwartskultur
  8. Fromme Frauen, fromme Bilder
  9. Schwester Maria Benedikta Ströle ( Gertrud Ströle, geboren 1918)
  10. Wie kam das Grün ins Haus? Anmerkungen zum Verhältnis Mensch – Haus – Pflanze
  11. Der Weihnachtsbär. Verbärung der Weihnacht – Verbärung der Welt?
  12. Fortschreiten – fortgehen – fortlaufen. Fortschritt als kulturelles Handeln
  13. Das Harmonium oder: Frommes Schwellen, sanfte Bewegung
  14. Heimatinszenierungen. Beobachtungen zur ländlichen Geschichtskultur in der Gegenwart
  15. Protestantische Volkskultur
  16. Ritual – Brauch – Tradition: volkskundlich- kulturwissenschaftliche Blicke auf den Gottesdienst
  17. Die Welt der frommen Dinge. Wege des popularen Pietismus ins 20. Jahrhundert
  18. „Guter Tod und schöne Leich“ Sterben, Tod und Bestattung in Traditionen und Ritualen
  19. „Zu Späth?“ Von Landsmannschaften, Seilschaften und Netzwerken
  20. Schriftenverzeichnis Christel Köhle-Hezinger
  21. Drucknachweise
Leseprobe
Protestantische Volkskultur (S. 211-212)

1. Begriff und Sache


„Von der protestantischen Volkskultur“, so Richard Weiss in seiner „Volkskunde der Schweiz“ von 1946, „sieht und greift man objektiv wenig. Im Gegensatz dazu ist die katholische Volksreligiosität reich an Schaubarem und Zeigbarem, an sinnennahen Gegenständen, welche man als Äußerung volkskundlicher Sinnenfreude, zugleich aber auch als Zeichen und Gradmesser volkstümlicher Frömmigkeit aufzufassen gewohnt ist.“

Dieser Satz war der Volkskunde Konsens, Credo und Dogma. Und auch, so meine Eingangsthese, Schutzschild und Alibi, sieht man von Karl Sigismund-Kramers umfassenden und grundlegenden Arbeiten zur Volkskultur seit den 1950er Jahren ab. Weiss’ Satz bündelte das frühe volkskundliche ‚Faszinosum Konfession‘ – von Wilhelm Heinrich Riehls Augsburger „Paritätskuriosa“ der Trachten, Kopfbedeckungen und Kaffeehäuser bis hin zu den evangelischen und katholischen Schweineställen, die für Riehl eine nicht zu erschöpfende Fundgrube der Komik darstellten.

„Katholische Überlebsel beim evangelischen Volk“ – dieser Titel von Richard Andree (1911 in der Zeitschrift für Volkskunde publiziert) trug ins 20. Jahrhundert den Glauben vom katholischen Relikt, von Reliquie, Derivat und Surrogat: vom Festhalten und der „zähen Ausdauer, die altkatholische Bräuche und Anschauungen im evangelischen Volke besitzen“. Die Volkskultur, so die Botschaft von Andree, überdauere eine „kaum 400 Jahre alte“ neue Kirche. Die Gewichtungen, genauer die gleichgewichtige Betrachtung von protestantischer und katholischer Volkskultur bereitet bis heute – nicht nur in meinem Fach – Probleme.

Im monumentalen Band „Volksfrömmigkeit in der Schweiz“, erschienen im Jahre 1999, kommt dem explizit Protestantischen bei einem Gesamtumfang von 548 Seiten kaum zehn Seiten zu: Thomas Hengartner setzt in seinem schmalen Beitrag der katholischen Volkskultur als ein gleichsam sonderkulturelles Fallbeispiel das protestantische Emmental entgegen. Angesichts der „Visibilität“ der katholischen Volksfrömmigkeit falle es „schwer, Elemente einer eigenständigen protestantischen Volkskultur zu erkennen; es seien – nach Weiss – negative Traditionen“: ein Weniger, ein Weglassen, „Verneinung und Leugnung“.

„Das konfessionelle Zeitalter war zu Ende gegangen“5: Sätze wie dieser von Christof Dipper, in solchen und ähnlichen Formulierungen die Konfessionsforschungen der Frühneuzeit durchziehend, wollen zäsieren und phrasieren. Der volkskundliche Blick sucht nach Anderem. Er sieht – um mit Victor Turner zu sprechen – das Flüssige eher als das Feste; die Unterströmung, die bleibt – bei und trotz allem Wandel. So ist „das Dorf als Verteidigungsgemeinschaft“, auch und gerade in Konfessionsdingen, weder neu noch “das Ende des konfessionellen Zeitalters“6. Es geht vielmehr um das andere Zeitmaß, um den eigenen Sinn – etwa im Kampf gegen die „tanz- und feiersüchtigen Landleute“, die Zahl der Festtage im Jahreslauf und im Zyklus des menschlichen Lebens oder um das „Hochzeitsschenken“. Es geht um andere Blicke und Grenzen, weniger um andere Quellen, Ansichten, Fragen.
Blick ins Buch
Inhaltsverzeichnis
Inhalt6
Vorwort8
Willkommen und Abschied. Zur Kultur der Übergänge in der Gegenwart12
I. Abschiedswelten12
II. Willkommen und Abschied, dialektisch verbunden13
III. Stand und Geschlecht14
IV. Well-come and well-go15
V. Trennung und Übergang16
VI. Stufen, Schwellen, Rituale18
VII. Zum Beispiel Lichtmeß20
VIII. Übergänge in die Moderne21
IX. Revisionen23
X. Übergänge als Dauer24
Literatur26
Abendmahl als Gesetz. Beiträge aus der Volkskunde30
THESE 1: Abendmahl ist – ab origine – Gesetz, Zwang.33
THESE 2: Abendmahl bedeutet nicht Ersatz (für die Messe), sondern ein Weniger an religiöser Norm.34
THESE 3: Abendmahl ist dem „gemeinen Volk“ unverständlich, ist Tabuzone.35
THESE 4: Abendmahl ist kein „Fest“ fürs Volk, allenfalls Feier, religiöses Ritual.37
Pfarrvolk und Pfarrersleut42
I. Von den „Verflechtungen in den Alltag“ (M. Weber)42
II. „Der große, ehrwürdige Teil des Publikums, der Volk heißt“ Der Pfarrer als Volks- und Landeskundler56
Literatur66
Gemischtkonfessionelle Dörfer in Württemberg68
Nähe und Ferne69
Dörfliche Parität: Die Zeit bis 184871
Konfessionelle Zuspitzung75
Treuezeichen. Zur kulturellen Kodierung industrieller Identifikation und Gratifikation80
Quellen93
Literatur93
Das Dino-Abenteuer. Anmerkungen zu Archaik und Aktualität eines Phänomens der Gegenwartskultur96
Vorbemerkung96
I. Prolog: Zum Thema96
II. „Zugänge: Dino-Futter“101
III. Merkmale106
Insel statt Höhle? Nachgedanken112
Dank112
Fromme Frauen, fromme Bilder114
Sind ‚fromm‘ und ‚heilig‘ gleichzusetzen?116
„lustus: gerecht, frum“116
Geistliche Hausmagd als „Mahnbild“118
Fromme Anwartschaften: evangelisch – fromm120
Frömmigkeit ins Gesicht geschrieben: pietistisch – fromm124
Mystikerinnen, Heilige, Nonnen: katholisch – fromm125
Schwester Maria Benedikta Ströle ( Gertrud Ströle, geboren 1918)128
Literatur141
Wie kam das Grün ins Haus? Anmerkungen zum Verhältnis Mensch – Haus – Pflanze142
I.142
II.145
III.146
IV.149
V.151
VI.152
VII.154
Literatur158
Der Weihnachtsbär. Verbärung der Weihnacht – Verbärung der Welt?162
1. Vorbemerkung: Forschungsneugier162
2. Der Mensch und sein Tier163
3. Wilder Bär, Teddy und Bärle165
4. Bären im Advent167
5. Verbärung der Weihnacht: Bärenweihnacht?168
6. Bärenfeldforschung170
7. Nachgedanken: Schleckbär und Maibär172
Fortschreiten – fortgehen – fortlaufen. Fortschritt als kulturelles Handeln174
Fort und daheim174
Fortgehen oder Daheimbleiben174
Fortschritt in den Köpfen176
„Fort von Hunger und Not“178
Fort in ausländische Fabriken179
Heraus aus dem Haus, weiblich181
Das Harmonium oder: Frommes Schwellen, sanfte Bewegung184
1. Kinderstunden184
2. Mutterstunden186
3. Salonstunden187
4. Musikstunden189
5. Stubenstunden190
6. Geschwisterstunden193
7. Englische Stunden194
8. Wegstunden197
Literatur zum Thema198
Heimatinszenierungen. Beobachtungen zur ländlichen Geschichtskultur in der Gegenwart204
I. Das Exempel204
II. Der Spielplan205
III. Das Repertoire206
IV. Die Requisite207
V. Volksszenen208
VI. „Volkstheater“?209
Literatur zum Thema210
Protestantische Volkskultur212
1. Begriff und Sache212
2. Suchen, Lesen, Schreiben: Das Bild des erweckten Handwerkers213
3. Beobachten, Malen, Dichten: Die Welt des barocken Pfarrers215
4. Hören, Lesen, Zweifeln: Ein Pietist als Erfinder216
Literatur220
Ritual – Brauch – Tradition: volkskundlich- kulturwissenschaftliche Blicke auf den Gottesdienst222
Zu Wort und Bedeutung223
1. Bild: Gottesdienst-Räume, oder: Orte und ihre Zu-Ordnungen als Bräuche und Gebräuche224
2. Bild: Gottesdienst und Sonntag, oder: Die Zeit225
3. Bild: Das andere Ritual, oder: Alterität erleben, lernen, reden226
4. Bild: Gottesdienst, traditional, oder: die Einheit von Ort, Zeit, Handlung227
Literatur233
Die Welt der frommen Dinge. Wege des popularen Pietismus ins 20. Jahrhundert236
„Guter Tod und schöne Leich“ Sterben, Tod und Bestattung in Traditionen und Ritualen246
1. Sterben, ländlich-katholisch-traditional im 19. Jahrhundert249
2. Sterben, katholisch-ländlich, Anfang des 20. Jahrhunderts252
3. Sterben, evangelisch-städtisch, Ende des 19. Jahrhunderts253
4. Sterben, ländlich-katholisch im 20. Jahrhundert254
Fazit I: Alles ist Regel und Ordnung255
Fazit II: Alles ist Tradition oder: Die Kultur des Ansehens256
Fazit III: Tod als Teil des Lebens oder: „mediae in vitae? ...“257
Fazit IV: Statt „guter Tod“ und „schöner Leich“ der „glückliche Tod“?258
Literatur260
„Zu Späth?“ Von Landsmannschaften, Seilschaften und Netzwerken262
1. Military look oder Ethno look?263
2. In der Fremde sein – Wanderer und Ausländer265
3. Raumorientierung und Raumerfahrung269
4. Netz und Seil, Band und Geflecht271
5. Männerbünde adieu?273
Literatur274
Schriftenverzeichnis Christel Köhle-Hezinger276
I. Selbständig erschienene und herausgegebene Veröffentlichungen und Aufsätze276
II. Publikationen als Herausgeberin291
Drucknachweise292

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