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Lesereise Schottland

Whisky, Seetang und karierte Röcke

AutorRalf Sotscheck
VerlagPicus
Erscheinungsjahr2011
Seitenanzahl132 Seiten
ISBN9783711750211
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
Wie kann Schottland an Europa kleben, wo es doch einstmals ein Teil Kanadas war und dort lag, wo wir heute auf der Karte Australien sehen? Was bewegt selbst einen echten Schotten zum Traditionsbruch - nämlich doch eine Unterhose zu tragen? Existiert es nun oder nicht - das Ungeheuer? Was macht das Getränk mit dem Duft nach Torf und Seetang zu Whisky erster Qualität? Bei seiner Reise durch den schottischen Alltag, seinen Erkundungen natürlicher Gegebenheiten, rätselhafter Geschehnisse und kulinarischer Eigentümlichkeiten und seiner Darstellung der wirtschaftlichen, politischen und sozialen Situation geht Ralf Sotscheck immer wieder zurück in die Vergangenheit des Landes. Er führt in die Städte und an die entlegensten Orte, in das schottische Hochland, auf Halbinseln und legendenumwobene Eilande, auf Schlösser, in Kerker und Verliese mit akustischer Kulisse. So trifft man auf die Welt zwischen Lowlandern und Highlandern ebenso wie auf die Schwierigkeiten der städtischen Gesellschaft von Glasgow und die Ängste eines Volkes, dem erzählt wird, das norwegische Leichtöl vor der Küste der Shetlandinseln werde von der Natur selbst abgebaut.

Ralf Sotscheck, geboren 1954 in Berlin, lebt seit 1985 in Dublin. Er ist Korrespondent der 'taz' für Irland und Großbritannien und schreibt gelegentlich auch für Zeitschriften - von 'Spiegel' über 'essen & trinken' bis hin zum 'Playboy'. Er veröffentlichte zahlreiche Reisebücher. Seine Kolumnen, die seit 1991 jeden Montag auf der Satireseite der 'taz' erscheinen, sind in bisher acht Bänden zusammengefasst. Im Picus Verlag erschienen seine Lesereisen Irland, Dublin, Schottland und Britische Inseln.

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Leseprobe
Die Lairds von Eigg (S. 66-67)

Das Tuckern der Dieselgeneratoren ist das einzige Geräusch, das die Stille durchdringt. Eigg hat keinen eigenen Strom, und wenn die Generatoren um Mitternacht abgeschaltet werden, liegt die Insel im Dunkeln. Man gewöhnt sich dran. Für die fünfundsechzig Einwohner auf dem drei Hektar großen Eiland ist es ein Luxus, für ein paar Stunden am Tag Strom zu haben, für die Waschmaschine und den Fernseher. Eigg gehört zu den »Small Isles«, den vier kleinen Inseln vor der Westküste.

Die anderen sind Rum, Muck und Canna. Eine Fähre klappert die Inselgruppe von Mallaig aus täglich ab. Sie befördert nicht nur Besucher, sondern auch Lebensmittel, Getränke, Baumaterialien und alles, was man sonst noch zum Leben braucht. Weil das Schiff im Hafen von Kildonnan nicht anlegen kann, schicken sie von der Insel ein kleines Motorboot hinaus in die Bucht. Dort muss alles umgeladen werden, Waren und Menschen. Auch Henry Vollam Morton hat die Reise gemacht: »Es dunkelte bereits, als ich zu dem äußersten Vorposten der Welt kam, nach Mallaig:

Da gibt es einen Hafen, und in diesem Hafen ankert eine seltsame, sturmgepeitschte Flotte von kleinen Schiffen mit hohen Vordecks. Dort riecht es nach all jenen Sachen, die Hunger aufs Meer machen, nach Erbsensuppe, Hammelfleisch und Speck. Diese Schiffe führen [82]für die Menschen der Hebriden fast den Beweis, dass es irgendwo auf der Welt einen Fleck Erde gibt, den man Großbritannien nennt.« Die Ankunft der Fähre ist das Ereignis des Tages, eine kleine Menschenmenge hat sich an der Pier eingefunden. Der Inseldoktor nimmt seine neue Schubkarre in Empfang, Sue Kirk lädt die Waren für ihren Laden ins Auto, Angus McKinnon holt einen Nachbarn vom Festlandausflug ab, das Inseltaxi wartet auf eine Fuhre.

Und wer nichts zu tun hat, kommt auf ein Schwätzchen zum Steg. John Cormack, ein großer Mann Mitte dreißig, hat etwas zu tun. Er ist Briefträger und hat das beste Auto auf der Insel, einen roten Kombi mit der Aufschrift »Royal Post«, wie sie auch in London herumfahren. Er lädt die beiden schwarzen Postsäcke ein und fährt damit zu Sue Kirks Laden. Es gibt auf Eigg nur eine einspurige Teerstraße, die sich an beiden Enden gabelt. Kein Schild weist die blaue Wellblechhütte mit rotem Dach oberhalb des Hafens als Einkaufsladen aus, nur ein kleiner Aufkleber am Fenster verrät, dass hier auch das Postamt untergebracht ist – ein Tresen in der Ecke neben der Tür, dahinter zwanzig Fächer mit den Familiennamen der Einwohner.

Dreimal in der Woche fährt John Cormack die Post aus. »Ein Brief aus London braucht schon seine Zeit«, sagt er bedächtig, »es kommt halt auf die Fähren und das Wetter an.« Auf Eigg gibt es keine Eile. Sue Kirks Laden ist das Gemeindezentrum. Die meisten Inselbewohner trudeln nach und nach ein, weil sie wissen, dass die Fähre frisches Obst und Gemüse gebracht hat – und Bier. Die vier Kästen [83]sind im Handumdrehen ausverkauft, denn es gibt kein Wirtshaus auf Eigg. Die Leute bleiben noch ein Weilchen, tauschen Nachrichten aus und sammeln ihre Post ein. John Cormack muss mit seinem roten Auto gar nicht mehr losfahren.
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