Seit Beginn der Burnoutforschung lag der Schwerpunkt der Untersuchungen im Gesundheitswesen und den damit verbundenen helfenden Berufen, in denen eine ausgeprägte emotionale Bindung zu den Klienten vorherrscht. Erst im Laufe der Zeit erkannten die Forscher die universelle Tragweite des Burnoutphänomens und seine Erscheinung in Beruf, Familie und Freizeit. Unter anderem erweiterten Pines et al. (2006) den Forschungshorizont, indem sie behaupteten, dass alle an Burnout erkranken können, die hoch motiviert, idealistisch und sehr begeisterungsfähig sind.
Freudenberger (1975) war einer der ersten, der Burnout bereits in den siebziger Jahren in Verbindung mit dem Sport brachte und Maslach und Jackson (1986) erkannten eine reduzierte Bindung der Betroffenen zum Sport als Resultat des Syndroms (Cresswell & Eklund, 2002). Nachdem also die Prävalenz von Burnout in anderen Milieus entdeckt wurde und die Popularität des Begriffes zunahm, rückte auch der Leistungssport in den Fokus der Burnoutforschung. Innerhalb dieses Forschungsbereichs setzte man sich schon früh mit Burnout bei Trainern und sportlichen Leitern auseinander. Hier konnte bereits das Burnoutkonzept und der MBI von Maslach und Jackson vielversprechend angewendet werden, allerdings auch nur, weil das Personal im Sport Rollen erfüllt, die denen im Berufsalltag ähnlich sind und für die der MBI ursprünglich entwickelt wurde (Goodger, Gorely, Lavallee & Harwood, 2007; Cresswell & Eklund, 2002). Sportler wurden aufgrund der traditionellen Meinung über Burnout zunächst ausgeklammert. Mit der wachsenden Erkenntnis und der universellen Anwendung des Begriffes haben auch im sportlichen Kontext der Burnoutforschung Veränderungen stattgefunden, die positiv zum allgemeinen Verständnis des Phänomens beigetragen haben. Angesichts der immer größer werdenden Anforderungen im Leistungssport, des wachsenden medialen Interesses und des Konkurrenzdenkens, nimmt der Druck und die Belastung auf die Sportler zu; mit ihm vermutlich auch die Anzahl derjenigen, die an Burnout erkranken. Anfang der neunziger Jahre gab es einen Richtungswechsel hin zu Untersuchungen von Burnout unter Sportlern (Goodger et al., 2007). Unterdessen entstanden, geprägt durch die weitläufige und umgangssprachliche Verwendung des Begriffes Burnout, verschiedene Konzepte und Entstehungsmodelle, die sich sehr von dem psychosozialen Ansatz unterscheiden (Eklund & Cresswell, 2007). Im Folgenden wird das „Athlete- Burnout“ - Syndrom aus Sicht diverser Autoren näher beschrieben mit dem Ziel, es besser von dem allgemeinen Burnout-Syndrom und anderen Überlastungserscheinungen abgrenzen zu können.
Die Entwicklung der Burnoutforschung mit ihren unterschiedlichen allgemeinen Definitionsversuchen wurde bereits eingehend erläutert. Folglich werden in diesem Kapitel ausschließlich Definitionen hervorgehoben, die Burnout aus sportwissenschaftlicher Perspektive beschreiben.
Eine etwas allgemeinere Definition stammt von Smith (1986) aus den achtziger Jahren. Demnach handelt es sich um einen psychologischen, emotionalen und physischen Rückzug aus dem einst „geliebten“ Sport, ebenfalls das Resultat zu hoher Belastungen. Diese Definition scheint zunächst sehr plausibel zu sein, dennoch unterscheidet sie nicht zwischen Sportlern, die wegen Burnout dem Sport den Rücken kehren und solchen, die andere Gründe haben. Obendrein besteht die Möglichkeit, dass ein Sportler wegen chronischem Stress mit dem Sport aufhört aber nicht an Burnout leidet. Burnout ist also eher als eine von vielen möglichen Konsequenzen von chronischem Stress anzusehen, und aus dem Grund sind stressbasierte Definitionen als kritisch einzustufen (Raedeke et al., 2002).
Sportpsychologen haben in Anlehnung an Maslach (1981) die Definition überarbeitet. So formuliert Raedeke (1997), dass „Athlete-Burnout“ ein multidimensionales Syndrom ist, welches durch die physische und emotionale Erschöpfung, die Abwertung des Sports und die sportliche Leistungsunzufriedenheit charakterisiert ist (Lemyre, Roberts & Stray- Gundersen, 2007). Wegen formaler Unterschiede zwischen Sportlern und Mitarbeitern im Gesundheitswesen, platziert Raedeke (1997) die Abwertung des Sports an die Stelle der Depersonalisation. Einhergehend mit den anhaltenden Beschwerden entwickelt sich eine negative Haltung gegenüber dem Sport, der eigenen Leistung und Person. Folglich distanziert sich der Athlet emotional und körperlich vom Leistungssport (Raedeke et al., 2002; Lemyre et al., 2007). Darüber hinaus ergänzt Raedeke (1997) in seiner Definition die emotionale Erschöpfung mit der physischen Komponente, da die körperliche Anstrengung im Sport eine wesentliche Rolle spielt. Der Vorteil von Raedekes (1997) Herangehensweise liegt in dem symptombasierten Ansatz, der auch Athleten berücksichtigt, die an Burnout leiden und weiterhin dem Sport verbunden bleiben. Zudem vermutet Raedeke (1997), dass Burnout nicht alleine durch chronischen Stress verursacht wird (Hodge, Lonsdale & Ng, 2008). Schutte, Toppinen, Kalimo & Schaufeli (2000) vertreten ebenfalls eine Definition, die sehr an die von Raedeke (1997; Raedeke & Smith,2001) erinnert. Sie beruht auch auf dem psychosozialen Ansatz und orientiert sich an den Burnoutsymptomen. Laut Schutte et al. (2000) ist „Athlete-Burnout“ durch die berufliche Leistungsunzufriedenheit, die Abwertung des Sports und Zynismus und eine physische und emotionale Erschöpfung charakterisiert.
Wie man im Folgenden erkennen kann, stimmen nicht alle „Athlete-Burnout“ - Untersuchungen mit Maslach und Jacksons (1981) Verständnis von Burnout als psychosoziales Syndrom überein, die sich somit maßgeblich von dem ursprünglich anerkannten Modell unterscheiden (Eklund & Cresswell, 2007). Dieses Problem beginnt schon bei dem Versuch eine operationalisierbare Definition zu finden, auf die sich die Forschung einigen kann. So sehen einige Experten bereits in der Verknüpfung erhöhter Trainingsumfänge, ungenügender Regenerationszeiten und erhöhter Wettkampfbelastungen ein verstärktes Risiko an Burnout zu erkranken (Gustafsson, Kenttä, Hassmen & Lundqvist, 2007). Coakley (1992) hingegen verfolgt ein soziologisches Konzept und versteht „Athlete-Burnout“ als Einstellung oder Beendigung der sportlichen Laufbahn, die bereits bei sehr leistungsorientierten Jugendlichen beobachtet werden kann. Bildhaft ausgedrückt handelt es sich um den ,shooting star‘, der sich durch ehemals hohes Engagement und beträchtlicher Erfolge unerwartet aus seiner Sportart zurückzieht (Eklund & Cresswell, 2007, p. 623). Coakley (1992) stellt in diesem Zusammenhang fest, dass die soziale Struktur verbunden mit dem großen Aufwand im Leistungssport die Athleten daran hindern anderen Freizeittätigkeiten nachzugehen, in denen sie ihre Persönlichkeit auch außerhalb des Trainingsumfeldes frei entfalten können. Die einseitige Identität des Sportlers basiert ausschließlich auf den Erfolgen und Erfahrungen, die er oder sie im Leistungssport gemacht hat (Cresswell & Eklund, 2006). Die sehr einengenden Beziehungen zwischen den Sportlern und ihren Erziehungsberechtigten können das Gefühl hervorrufen, nicht mehr „Herr des eigenen Lebens“ zu sein. Kontrollverlust und eine verminderte Selbstständigkeit sind das Ergebnis (Cresswell & Eklund, 2006; Gustafsson et al., 2007). Coakley (1992) sieht in der Burnoutmanifestation das Ende der sportlichen Karriere mit dem Ziel der Sportler, mehr Selbstständigkeit zu genießen und ihre Persönlichkeit mehrdimensional zu entwickeln (Eklund & Cresswell, 2007; Cresswell & Eklund, 2006). Coakleys (1992) Entstehungsmodell beruht vereinfacht gesagt auf der Idee, dass „Athlete-Burnout“ eine spezielle Form von „sport dropout“ ist, was insofern problematisch ist, dass Burnout mit Dropout, also dem Ausstieg aus dem Sport, gleichgesetzt wird (Eklund & Cresswell, 2007, p. 623). Autoren wie Raedeke (1997), Silva (1990) und Smith (1986) betrachten Dropout als mögliche Folge von Burnout. An dieser Stelle sollte noch einmal betont werden, dass sich nicht alle von Burnout betroffene Sportler aus dem Sport zurückziehen. Es wäre fahrlässig, diese Gruppe von Sportlern in der „Athlete-Burnout“ - Forschung zu übersehen. Nichtsdestotrotz bietet Coakleys (1992) Ansatz den Anreiz für die Erforschung der Faktoren, die „Athlete-Burnout“ begünstigen können (Eklund & Cresswell, 2007).
Silva (1990) deutet in seiner Theorie des ,training stress syndrome‘ an, dass „Athlete- Burnout“ auf einer maladaptiven Reaktion erhöhter Trainingsbeanspruchungen basiert, die sich auf psychophysiologischer Ebene auswirken und vom Zustand der Abgeschlagenheit bis hin zu Burnout fortsetzen kann (Eklund & Cresswell, 2007, p. 624). Sobald der Athlet ein gewisses Leistungsplateau erreicht, kann der Burnoutprozess ausgelöst werden (Eklund & Cresswell, 2007). Die Anpassungsmechanismen des Körpers schlagen zunächst fehl, den durch die Trainingsreize entstandenen psychophysiologischen Stress zu verarbeiten. Die resultierende Abgeschlagenheit oder Stumpfheit des Körpers kann nach wiederholter Anpassungsunfähigkeit in den Zustand des Übertrainings führen (Silva, 1990). Dieser entsteht aus der Kombination von zu hohen Trainingsreizen und zu geringer Erholung und führt unweigerlich zur Leistungsabnahme und zur anhaltenden Erschöpfung (Lemyre et al., 2007). Burnout kann auf diesem Kontinuum als Endzustand oder...