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E-Book

Lieber high als stinknormal?

Ein Buch über Drogen

AutorLina Rhan, Ulla Rhan
VerlagKösel
Erscheinungsjahr2012
Seitenanzahl128 Seiten
ISBN9783641084585
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
Der Authentische Bericht einer 19-jährigen
Mein Leben ist verloren. Ich kiffe und schmeiße ständig Pillen und wenn ich so weitermache, ist sowieso alles egal. Shit. Mein Leben ist nur noch schön, wenn ich high bin.
Lina mit 13 in ihrem Tagebuch

Partys feiern und der Normalität des Alltags entfliehen - für viele Jugendliche gehören die so genannten Designerdrogen zum Spaßhaben einfach dazu. Doch der Absturz in die Abhängigkeit kann mit Ecstasy & Co. genauso schnell gehen wie mit Heroin.
Lina, heute 19, erzählt die Geschichte ihres harten Ausstiegs mit eigenen Worten, ergänzt durch ausführliche Infoblöcke: Wo und warum beginnt die Sucht? Was können Angehörige und Freunde tun? Was, wenn der Betroffene sich nicht helfen lassen will?
Umfassender Adressteil.

Ulla Rhan, geb. 1956, ist Coach, Übersetzerin und freie Autorin. In ihrer Praxis berät sie Eltern suchtgefährdeter und drogenabhängiger Jugendlicher. Sie ist Projektleiterin der Qualifizierungsinitiative Drogen- und Suchtprävention und lebt in Mainz und Königstein/Ts.

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Leseprobe

rebel


Als ich dreizehn war, da gab es zwei Videos, auf die bin ich total abgefahren: Menace to Society und Boys in the Hood. Allein die Outfits, die die in dem Film anhatten, fand ich voll geil. Damals habe ich noch Hiphop gehört und alles, was damit zu tun hatte, gefiel mir eben. Es ging da um Schwarze, die den ganzen Tag im Getto mit ihren Freunden rumhingen und Party feierten. Um an Geld zu kommen, klauten sie Autos, überfielen irgendwelche Leute oder verkauften Drogen. Dass daran was Schlimmes sein könnte oder was da real abgeht, darüber habe ich mir überhaupt keine Gedanken gemacht. Die haben eben Spaß gehabt. Auch alle meine Freunde standen auf die Gangsta Rapper. Und je krasser man war, desto höher war man in der Clique angesehen. In ihren Augen muss ich wohl krass genug gewesen sein, denn vor mir hatte jeder Respekt. Ich hab mir nichts sagen lassen und immer gemacht, was ich wollte. Und das, was ich wollte, war hammerhart. Ich wollte klauen, kiffen, Drogen nehmen und von zu Hause abhauen.

»Ich wollte so sein wie die Gangsta Rapper und habe geglaubt, das Leben auf der Straße wäre voll cool. Erst als es zu spät war, habe ich gemerkt, wie viel Dreck du da frisst.«

In der Zeit spielte ich Baseball und in unserem Klub gab es einen Spieler, Charles, der früher selbst in Amerika in einem Schwarzengetto gelebt hatte, bevor er nach Deutschland kam. Mit ihm hingen Anna und ich immer rum. Eines Tages schaute er mich mitten im Gespräch auf einmal so an und sagte: »Also Lina, ich weiß auch nicht, aber du bist ein Rebel.« Der Name passte einfach zu mir und darum hab ich mich von da an nur noch so genannt.

»Wir nahmen uns vor, nach den Ferien im Unterricht die Füße auf den Tisch zu legen.«

In dem Sommer ist meine beste Freundin Anna mit uns in den Familienurlaub nach Spanien gefahren. Ich war total glücklich, dass ich sie mitnehmen durfte, denn ohne sie hätte ich mich zu Tode gelangweilt. Wir waren unzertrennlich, machten alles zusammen. Als Zeichen meiner Freundschaft zu ihr hatte ich mir sogar an der Hand in die Mulde zwischen Daumen und Zeigefinger mit Tinte ein A für Anna tätowiert. Zusammen in Ferien zu fahren – das war für mich ungefähr so, als ob der Traum vom großen Glück wahr würde. Eine echt fette Zeit war das. Wir sind durch alle Läden gezogen und haben unser ganzes Geld für Hiphop-Klamotten im Partnerlook ausgegeben. Und wir haben Pläne geschmiedet. Nie wieder brav sein. Krass auffallen, das war unser Ziel. Außerdem wollten wir total frech sein. Und wir haben das tatsächlich durchgezogen. Anna ist nicht ganz so weit gegangen wie ich. Sie ist halt vom Wesen her nicht so aufbrausend. Sie hat A gesagt und ich den Rest – B, C, D, E und vielleicht auch noch F. Die Schule hatte mich sowieso schon die ganze Zeit angekotzt. Besonders die Französischlehrerin, die war ein richtiges Ekelpaket. Das soll nicht heißen, dass ich dauernd rumgeschrien hätte. Aber wenn mich irgendwas aufgeregt hat – und das kam ziemlich häufig vor –, dann hab ich die Klappe weit aufgerissen. Bestimmt hab ich dabei manchmal übertrieben. Aber ich habe auch Leuten geholfen. Wenn in meiner Klasse jemand fertig gemacht wurde oder man einen nicht leiden konnte, dann hab ich ihn regelrecht aufgebaut. Das war für mich wie ein Spiel. Jedes Mal, wenn ich einen Außenseiter zu mir holte, haben die anderen gedacht, wenn die Lina mit dem rumhängt, dann muss der bestimmt cool sein. Oder sie trauten sich nicht mehr an ihn ran und ließen ihn in Ruhe. Denke ich jetzt darüber nach, dann merke ich erst, wie leicht die zu beeinflussen waren.

»Probiert hatte ich Hasch vorher noch nicht, das musste ich schon zugeben.«

Eines Tages lernte ich Sven kennen. Das war so’n Typ aus meiner Schule. Er ging schon in die Oberstufe. So jemandem wie ihm war ich noch nie begegnet. Seine schwarzen langen Haare, seine Art zu reden, zu lachen, einfach alles gefiel mir an ihm. Er war unheimlich lustig. Seine Mutter war aus Korea, und er brachte ihr falsches Deutsch bei, zeigte ihr einen Löffel und sagte »Gabel«. Und sie plapperte es gutgläubig nach. Ich hab mich kaputt gelacht über ihn. So oft es ging war ich mit ihm zusammen. Ich mochte ihn total gern. Dass ich mit einem von den »Älteren« befreundet war, ließ mein Ansehen in meiner Clique noch mal wachsen – es machte mich für die anderen zu was ganz Besonderem, Unerreichbarem. Aber seit ich Sven kannte, interessierte ich mich eigentlich nicht mehr für das, was sie dachten. Anna und ich fanden sie auf einmal nur noch kindisch.

An einem Nachmittag stand Sven mit einem seiner Freunde bei mir vor der Tür. »Wir haben da eine Überraschungfür dich«, sagte er und grinste geheimnisvoll. Ich war total neugierig, aber die beiden wollten mir nichts verraten. Sie führten mich an den Spielplatz, der damals eine Art Treffpunkt für uns war, und wir setzten uns dort auf eine Treppe. »Weißt du, was das ist?« Sven hielt mir ein Päckchen mit so ‘nem braunen Zeug hin. Klar wusste ich das. Hasch! Ich war doch kein Baby mehr! Ohne viele Worte zu verlieren, machte sich jeder der beiden daran, eine Tüte zu bauen. Als Sven fertig war, hielt er mir seine hin. Dabei sah er mir direkt in die Augen. Mir war irgendwie feierlich zumute. Und ich griff zu. Komisch! Das war nicht das erste Mal, dass man mir was angeboten hatte, aber bisher hatte ich immer abgelehnt. Doch diesmal war es anders. Ich hab mich einfach nur darüber gefreut, dass sie mich eingeladen hatten – dass sie mich dabei haben wollten. Ansonsten machte ich mir keine Gedanken. Zigaretten hatte ich schon seit längerem geraucht, damit hatte ich schon in der Grundschule angefangen und so hab ich mit dem Rauchen selbst keine Probleme gehabt.

Wir ließen die Tüten rumgehen und ich zog mir den Rauch tief in die Lungen. Wenn schon, dann wollte ich wenigstens was davon haben! Eine ganze Weile hingenwir nur rum, laberten, lachten. Irgendwann kam einervon uns auf die Idee, auf die Garagendächer neben dem Spielplatz zu klettern. Wir waren auf einmal in einerunheimlich übermütigen Stimmung. Wie wild gewordene Affen hangelten wir uns an der Mauer hoch und sprangen wie die Verrückten auf der morschen Fläche rum. Ich wusste selbst nicht, was in mir abging. Ich fühlte mich auf einmal so beflügelt, so grenzenlos frei. High eben. Ging wie auf Wolken.

Wie lange wir so da rumtobten, weiß ich nicht mehr. Dann kriegte ich plötzlich voll den Bock auf was zu essen.Sven und sein Freund lachten nur über meinen Fressanfall. Ich wusste ja noch nicht, dass das normal ist, wenn man gekifft hat. Wir sind also zum Kentucky rüber und haben uns total voll gefressen. So viele Hähnchenteile wie an dem Tag hab ich noch nie in mich reingestopft. Noch eins und noch eins und noch eins. Das Fett lief mir übers Kinn und ich hatte Ketchup an den Fingern. Genüsslich leckte ich sie mir ab. Mann, tat das gut! Als ich so richtig abgefüllt war, bin ich nach Hause und hab erst mal geschlafen. Ich war völlig fertig. Damit fing’s an. Von da an gehörte Kiffen für mich dazu.

 

Ein paar Monate später machte Lina den nächsten Schritt. Sie war gerade zu Besuch bei einer Freundin gewesen, aber die beiden hatten sich gestritten, und deshalb war sie runtergegangen und hatte sich vors Haus gesetzt – sie brauchte einfach ein bisschen frische Luft, um von ihrer Wut runterzukommen.

»Techno, das ist mehr als boom, boom, boom. Das ist ein Lebensgefühl.«

Ich hockte noch nicht lange da, als zwei Typen vorbeikamenund mich anquatschten. Die beiden gefielen mir auf Anhieb – kein Wunder, denn es waren Hiphopper.Da sie Mischlinge waren, dachte ich gleich an Gettound Gangsta Rapper und so. Damals war das ja das Größte für mich. Wir haben uns gleich super verstandenund von da an trafen wir uns so gut wie jeden Tag. Brian und Roco hießen die beiden. Einmal – es war so um die Mittagszeit und wir liefen gerade ein bisschen zusammen rum – hielt so ein Amischlitten neben uns. Der Fahrer ließ die Seitenscheibe runtergleiten. Offensichtlichkannte er die zwei. »Es ist da was Neues auf dem Markt«, meinte er. »Glasierte Zitronen. Wollt ihr die mal testen?« Glasierte Zitronen, erklärte er, das wärenmit LSD glasierte Pillen.1 Brian nahm gleich einen ganzen Schwung. Dann sind wir zu ihm nach Hause. Ich war noch nie dort gewesen. Ziemlich primitiv eingerichtet,ein klappriges Sofa, ein Riesenposter an der Wand, ein paar Klamotten auf einem Stapel in der Ecke. Sonst nichts. »Da, ‘ne halbe reicht für den Anfang!« Brian drückte mir das Teil in die Hand. Ich sah es nicht mal an, fraß es, ohne lang zu überlegen. Dann haben wir Techno gehört. Es war das erste Mal, dass ich diese Art von Musik gehört habe. Ich meine, richtig gehört  – so gehört, dass ich sie in meinem Körper fühlen konnte. Dass ich Drogen genommen hatte, hab ich in dem Moment gar nicht realisiert. Es kam mir nicht in den Sinn, dass ich druff war. Ich fand’s einfach nur schön, was da abging. Als wir nach ‘ner Weile raus auf die Straße sind, kam es mir so vor, als würden meine Beine von alleine laufen. Stundenlang sind wir spazieren gegangen. Dabei hab ich noch mal ‘ne halbe Pille genommen. Es muss schon mitten in der Nacht gewesen sein, als wir zu so ‘nem Typ nach Hause sind, den wir unterwegs getroffen hatten. Die Zunge klebte mir fast am Gaumen, solchen Durst hatte ich. Ich musste unbedingt was trinken. Roco brachte mir gleich ein Glas Wasser. Voll lieb! Er hatte sich sowieso schon die ganze Zeit um mich gekümmert. Als wir so zusammen rumhockten, fing plötzlich das große Gähnen an. Einer nach dem anderen wurde müde. Nur ich saß noch da und war wach. Ich wollte Musik hören, ganz in Ruhe, mich...

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