2
Zuhören lernen
Es gibt Zeiten im Leben,
wo du still werden und zuhören musst.
Du verschwendest so viel Zeit damit, außerhalb von dir nach Antworten auf deine Probleme zu suchen. Wenn du dir einfach Zeit nehmen würdest, bei dir zu bleiben, käme die Antwort von selbst zu dir.
Lerne, in deinen Erfahrungen präsent zu sein. »Da zu sein« ist keine analytische Aktivität. Du musst erkennen, dass du deine Erfahrungen nicht mit dem Verstand erfassen kannst. Du kannst sie durchleben oder intellektualisieren – was natürlich eine Form von Flucht ist.
In jedem Augenblick bekommst du Hinweise, die dir helfen können, das Schiff deines Lebens wieder auf Kurs zu bringen. Aber du kannst diese Ratschläge nicht hören, wenn du dir nicht die Zeit zum Zuhören nimmst. Paradoxerweise müsstest du genau dann am dringendsten still werden und zuhören, wenn du am eifrigsten versuchst, deine Probleme in den Griff zu bekommen. Das mag dir anfangs nicht auffallen. Aber du kommst nicht umhin, zu erkennen, dass deine Verwirrung umso größer wird, je mehr du versuchst, aus den Dingen schlau zu werden.
Wenn du den Versuch aufgibst, dein Leben so »hinzubekommen«, wie es deiner Meinung nach sein müsste, kannst du dich für die innere spirituelle Führung öffnen. Normalerweise wirst du, wenn du dich auf Kollisionskurs befindest, etwas hören wie »Mach langsam, schau dich um«. Das hört sich vielleicht nicht nach großartiger spiritueller Führung an, aber es ist der Beginn der Korrektur.
Solange in deinem Leben alles reibungslos läuft, brauchst du dich nicht um eine Korrektur zu bemühen. Aber wenn die Wasser aufgewühlt sind, tätest du gut daran, innezuhalten und deinen Kurs zu überdenken.
Eine rechtzeitige Innenschau kann deinem Leben eine völlig andere Richtung geben. Es gibt Zeiten, in denen sich die äußere Realität einfach vor dir verschließt und du nur noch nach innen gehen kannst.
Ich verlange gar nicht, dass du jeden Tag zwei Stunden meditierst. Aber ich sage auch nicht, dass regelmäßiges Meditieren nicht hilfreich ist. Ich sage einfach nur, dass es Zeiten in deinem Leben gibt, in denen ihr still werden und zuhören müsst. Wenn du lernst, diese Zeiten wertzuschätzen, wirst du dir viel Leid ersparen. Je mehr du lernst, nach innen zu lauschen, desto öfter gelingt es dir, in deinen Erfahrungen präsent zu sein. Du wirst zum »Partner« deines Lebens, wirst bereit, daran teilzuhaben und das, was dir begegnet, zu durchleben und zu fühlen.
Die Wahrheit ist, dass dich das Leben weder segnet noch bestraft. Es arbeitet mit dir zusammen, um dir dabei zu helfen, zur Wahrheit zu erwachen. Das Leben ist dein Lehrer, der dich beständig aufweckt und korrigiert.
Liebe ohne Bedingungen
Wer bedingungslos liebt,
erlegt seiner Freiheit und der Freiheit
anderer keinerlei Schranken auf.
Du hast mit Bedingungen verknüpfte Liebe von Menschen gelernt, deren Liebe zu dir von ihrer eigenen Schuld und Furcht beeinträchtigt war. Sie waren deine Vorbilder. Du musst dich dessen nicht schämen. Du musst dir dieser Tatsache nur bewusst sein.
Du bist von klein auf konditioniert worden, dich nur dann zu achten, wenn die Menschen positiv auf dich reagieren. Du hast gelernt, dass Selbstwert von außen kommt. Dieser fundamentale Irrtum hat sich dein Leben lang fortgesetzt.
Deine Eltern haben dieselbe Erfahrung gemacht. Und die deiner Kinder wird ähnlich sein. Ihr alle müsst von den gleichen Wunden genesen. Alle Übergriffe oder Verletzungen müssen bewusst gemacht und die mit ihnen verbundenen Gefühle aufgelöst werden. Auf diesem Weg schreiten alle Wesen, die Wunden davongetragen haben, von der Erfahrung der bedingten Liebe zur Erfahrung der bedingungslosen Liebe fort.
Während des Heilungsprozesses lernt ihr, euch die bedingungslose Liebe zu schenken, die ihr von euren biologischen Eltern nie bekommen habt. In diesem Prozess werdet ihr noch einmal großgezogen, aber diesmal nicht von Autoritätsfiguren, sondern von der Quelle der Liebe in euch selbst.
Wenn wir dem verletzten Wesen in uns Liebe schenken wollen, beginnt der Lernprozess damit, den Gedanken zu verwerfen, dass unser Selbstwert davon abhängt, wie andere auf uns reagieren. Allmählich bringst du dir wieder bei, dich zu würdigen, wie du hier und jetzt bist – ohne Einschränkungen. Niemand kann das für dich tun. Andere Menschen können dich unterstützen und ermutigen, aber niemand kann dich lehren, wie du dich selbst lieben kannst. Diese Arbeit obliegt der individuellen Seele.
Jede Seele tritt in ihre physische Existenz ein, um sich mit diesen Selbstwert-Themen auseinanderzusetzen. Jedoch werden der natürlichen Liebesfähigkeit der Seele und ihrer Bereitschaft, andere in ihre Erfahrungen einzubeziehen, schon sehr früh während ihres Aufenthaltes hier Bedingungen auferlegt.
Diese Bedingungen müssen aufgehoben werden. Wenn die Seele die physische Welt in dem Glauben verlässt, dass sie das Opfer ihrer dortigen Erfahrungen war, wird sie in die Welt zurückgezogen, um eines Besseren belehrt zu werden. Erkennt sie jedoch die Wahrheit, dass ihr Wert von nichts und niemandem außerhalb ihres Geistes und ihrer Erfahrung abhängig ist, wird sie sich in der Quelle der Liebe verankern und aus dem Albtraum des Missbrauchs erwachen.
Und das bedeutet, die Illusion aufzugeben, dass du so, wie du bist, nicht liebenswert bist. Du stellst die Liebe unter Beweis, indem du sie dir selbst bedingungslos gibst. Sobald du damit anfängst, ziehst du Menschen in dein Leben, die ebenfalls in der Lage sind, dich bedingungslos zu lieben.
Dein Versuch, die Liebe außerhalb von dir selbst zu finden, scheitert fortwährend, weil du von niemandem empfangen kannst, was du dir selbst nicht gegeben hast. Wenn du dir selbst Liebe vorenthältst, ziehst du Menschen an, die dasselbe tun.
Die Erfahrung bedingungsloser Liebe beginnt in deinem eigenen Herzen, nicht in dem einer anderen Person. Mache deine Fähigkeit, dich selbst zu lieben, nicht von der Fähigkeit eines anderen abhängig, das zu tun. Vertraue nicht auf die Bedingungen, mit denen die Liebe verknüpft ist, oder auf die Form, in der sie sich präsentiert. Denn diese sind vergänglich und dem Wandel des täglichen Lebens unterworfen.
Wahre Liebe ändert sich niemals. Sie existiert unabhängig von ihrer Ausdrucksform. Die Quelle dieser ewigen, allgegenwärtigen, form-losen Liebe ist in dir. Auf sie musst du vertrauen, denn diese Liebe ist so gewiss, wie etwas nur sein kann. Ist dein Herz erst fest in ihr verankert, musst du das Glück nie wieder außerhalb suchen.
Die Menschen in deinem Leben kommen und gehen. Einige werden dich gut behandeln, andere kaltherzig. Du wirst die Liebe annehmen, die dir entgegengebracht wird, und einen Mangel an Liebe als das erkennen, was er ist, nämlich der Hilfeschrei eines leidenden Wesens. Du wirst andere ermutigen, die Quelle der Liebe in sich selbst zu suchen, so wie du es getan hast, und dabei wissen, dass du die Probleme der anderen niemals lösen kannst. Sie können dem Drama ihres Lebens nur begegnen, wenn sie die Bereitschaft haben, in ihr eigenes Herz und ihren eigenen Geist zu schauen.
Wer bedingungslos liebt, erlegt seiner Freiheit und der des anderen keinerlei Schranken auf. Er versucht nicht, die Liebe festzuhalten, denn das bedeutet, sie schon verloren zu haben. Liebe ist ein Geschenk, das immer so gegeben werden muss, wie es die jeweilige Situation erfordert. Und der Gebende weiß stets, wann und wem er dieses Geschenk machen muss.
Zu lieben ist keine komplizierte Sache. Es wird nur dann kompliziert, wenn man anfängt, Liebe zurückzuhalten, denn so ist die Liebe nicht länger ein Geschenk.
Wer bedingungslos liebt, liebt nicht in Graden oder mit versteckten Fallstricken. Er sucht nicht nach einer bestimmten Person, die er lieben kann. Er liebt jeden, der vor ihm steht. Der eine verdient seine Liebe nicht mehr als der andere. Das ist die Liebe, die ich euch biete und die ihr anderen entgegenbringen sollt. Liebe nimmt keine Geiseln. Sie schließt keine Verträge. Sie lässt sich nicht von Furcht beirren. Wahrlich, wo Liebe ist, kann die Angst mit ihren unzähligen Bedingungen nicht sein.
Tod und Wiedergeburt
Was stirbt, ist all das, was du zu sein glaubtest.
Wenn du wahre Liebe erfährst, erfährst du nicht länger die Welt der Bedingungen. Dann fühlst du dich nicht mehr von anderen getrennt. Du öffnest dich einer umfassenderen Realität, die das Wohlbefinden der anderen einschließt. Das Urteilen fällt von dir ab, und das Annehmen tritt an seine Stelle.
Als ich zu euch sagte: »Es sei denn, dass einer von Neuem geboren werde, so kann er das Reich Gottes nicht sehen«, habe ich nicht von...