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Malerinnen und Musen des »Blauen Reiters«

AutorHildegard Möller
VerlagPiper Verlag
Erscheinungsjahr2012
Seitenanzahl368 Seiten
ISBN9783492956192
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis13,99 EUR
Ihre Namen kennt jeder, ihre Bilder erzielen Höchstpreise - doch wer waren die Künstler der Gruppe »Der Blaue Reiter«? Hildegard Möller stellt die Frauen in den Mittelpunkt: Gabriele Münter, Marianne von Werefkin, Elisabeth Macke. Sie erzählt von leidenschaftlichen Liebesbeziehungen und der Sehnsucht nach freiem künstlerischen Leben. Aber auch davon, wie sehr die Frauen zugunsten ihrer Männer zurücksteckten.

Hildegard Möller, geboren in Berlin, beschäftigt sich seit Jahren mit den Schicksalen der Familie Mann. Ihr Studium schloß sie mit der Promotion ab und arbeitete als Redakteurin, Übersetzerin von historisch-politischen Werken und als Dokumentarin, unter anderem als Mitarbeiterin am Projekt »Deutschsprachige Emigration nach 1933« am Institut für Zeitgeschichte in München.

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Einleitung


Der »Blaue Reiter« – seit fast hundert Jahren übt dieser magische Name auf Kunstinteressierte eine große Faszination aus. Dabei ist dies nur eine von vielen Künstlergruppen, die am Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Deutschland entstanden. Bereits 1889 begann sich in Worpswede eine Künstlerkolonie zu bilden, der Fritz Mackensen, Otto Modersohn, Paula Modersohn-Becker und andere angehörten. Die Dachauer Künstlergruppe gab es schon länger; sie wurde 1897 durch eine Gruppe »Neu-Dachau« abgelöst. 1899 entstand »Die Scholle«, eine Ausstellungsgemeinschaft Münchner Maler, der Erich und Fritz Erler, Leo Putz und andere angehörten, die vor allem Landschaftsbilder im Jugendstil malten. Bekannter war die 1905 in Dresden entstandene »Brücke«, zu der Expressionisten wie Ernst Ludwig Kirchner, Erich Heckel, Karl Schmidt-Rottluff und später noch weitere Maler zählten. Damals gärte es in der deutschen Kunstszene, denn viele Künstler waren unzufrieden mit den Kunstakademien, die auf das Traditionelle ausgerichtet waren und neuen Entwicklungen gegenüber verständnislos blieben. Ein neues Jahrhundert kündigte sich an, und wie so oft bei einer Zeitenwende waren auch die Künste im Aufbruch.

Überall in den größeren Städten bildeten sich Gruppen und Grüppchen, die eine neue Richtung vertraten und »Sezessionen« oder neue Künstlervereinigungen bildeten. Besonders der Münchner Stadtteil Schwabing entwickelte sich zu einem Eldorado der Avantgarde. Die Schwabinger Boheme mit ihren Faschingsbällen, Atelierfesten, esoterischen Zirkeln und florierenden Kabaretts zog damals viele bildende Künstler, Musiker, Dichter und Tänzer aus dem In- und Ausland an, darunter auch viele Russen, die der künstlerischen Enge des zaristischen Russland entkommen wollten und von der Münchner Bevölkerung als »Schlawiner« – eine Verballhornung von »Slawen« – bezeichnet wurden. Auch manchen jungen Frauen, die musisch begabt waren, gelang es, ihren Eltern eine künstlerische Ausbildung abzutrotzen. Da den Frauen damals das Studium an den Akademien noch verschlossen war, entstanden viele private Damenkurse. Die Künstlerinnen wurden abfällig »Malweiber« genannt. Man nahm ihre künstlerischen Bestrebungen nicht ernst und glaubte, sie warteten nur auf einen Ehemann. Die gesellschaftlichen Regeln waren damals selbst in höheren Kreisen noch sehr einengend. Frauen aus guter Familie wie Gabriele Münter und Maria Marc mussten noch im Alter von dreißig Jahren ihren Familien Rechenschaft über ihre Einkommens- und Lebensverhältnisse ablegen.

Obwohl es in der bayerischen Residenzstadt starke konservative Kräfte gab, herrschten andererseits traditionell auch eine große Liberalität und Aufgeschlossenheit. Nicht nur die berühmten Malerfürsten mit ihren großartigen Villen wie Kaulbach, Stuck und Lenbach prägten das künstlerische Leben der Stadt. Die sogenannte Boheme, die sich in und um München ansiedelte und eine ganz neue Kunstrichtung schuf, setzte ganz eigene Akzente.

Eine der bekanntesten Gruppen, die sich dezidiert von der etablierten Malerei absetzte und eine eigene Künstlervereinigung bildete, war der »Blaue Reiter«, dessen farbenprächtige Bilder heute millionenfach reproduziert werden. Zunächst jedoch stieß diese Art der Malerei vielfach auf Unverständnis. Die neue Malerei empörte das Publikum, man glaubte, es mit »Irrsinnigen« oder mit »schamlosen Bluffern« zu tun zu haben. Faszinierend ist zu verfolgen, wie sich die Revolution in der Malerei in Ursprung und Wirkung konstituierte: in der bayerischen Hauptstadt und in ihrem ländlichen Umland, zugleich aber auch in transnationalen Beziehungen und Einflüssen.

Die avantgardistischen jungen Künstler suchten intellektuellen Austausch und die künstlerische Auseinandersetzung. So entstanden immer neue Zeitschriften, Kabaretts, Malschulen und Kunstgalerien, die sich den neuen Strömungen widmeten. München übte neben Paris und Wien geradezu einen Sog auf die zeitgenössische Kunstszene aus. An die Impressionisten hatte man sich hier bereits gewöhnt, als der Jugendstil Mode wurde. Dieser war stark mit dem Kunsthandwerk verknüpft und strebte eine engere Verbindung zwischen Kunst und Alltag an. Auch die Künstler des »Blauen Reiters« waren vom Jugendstil oder der »Art Nouveau« beeinflusst, wobei den »Malweibern« häufig die Ausführung der von den Männern gezeichneten Entwürfe oblag. Die berühmte Zeitschrift Die Jugend erschien seit 1896 in München und verbreitete diesen Stil mit seiner floralen oder geometrischen Linienführung, der bald alle Bereiche der angewandten Kunst wie Architektur, Möbeldesign, Mode, Grafik und Buchkunst prägte; ähnliche Strömungen lassen sich auch im Tanz, in der Musik und der Dichtung nachweisen.

Jeder kennt den »Blauen Reiter« – aber wer stand hinter dem einprägsamen Namen dieser Künstlergruppe, wer waren die Protagonisten, die 1912 im Piper Verlag ihre Programmschrift veröffentlicht hatten, wie lebten sie, was wollten sie? Welche Beziehungen hatten sie untereinander, und welche Rolle spielten die Frauen in Leben und Werk der Maler? Als Herausgeber des Almanachs hatten Franz Marc und Wassily Kandinsky gezeichnet. Sie nannten sich »die Redaktion«, aber der Kreis um die beiden war größer und fluktuierte. Viele Künstler auf der Suche nach neuen Wegen schlossen sich ihnen an, manche auch nur vorübergehend. Die Lebensgefährtinnen der beiden Herausgeber, Gabriele Münter und Maria Marc, waren Malerinnen ebenso wie Marianne von Werefkin, die Lebensgefährtin von Alexej Jawlensky. August Macke und seine Frau Elisabeth, Paul Klee und seine Frau Lily waren Paare, bei denen nur die Männer malten, die Frauen aber außerordentlich musisch begabt bzw. Musikerin waren und ihre Männer stets unterstützten und künstlerisch anregten.

Ziel der Künstler des »Blauen Reiters« und seiner Vorgängerorganisationen in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg war es, eine neue »geistige Kunst« zu schaffen, die auch Musik, Volkskunst und »primitive Kunst« einbeziehen sollte. Damit wurde die Künstlergruppe zu einem Ausgangspunkt für die Entwicklung des Expressionismus und der Abstraktion in der Malerei. Kandinsky schuf bereits 1910 sein erstes abstraktes Aquarell, womöglich weltweit das erste abstrakte Bild überhaupt. Heute ist der Expressionismus aus der Kunstgeschichte nicht mehr wegzudenken. Die farbenfrohen Bilder des »Blauen Reiters« erzielen auf dem internationalen Kunstmarkt Höchstpreise.

In diesem Buch wird – in Form einer kulturgeschichtlichen Gruppenbiografie – den individuellen Künstlerschicksalen nachgegangen, und zwar insbesondere unter dem Aspekt der Liebesbeziehungen und der Paarbildung. Die zentralen Paare – Gabriele Münter und Wassily Kandinsky, Marianne von Werefkin und Alexej Jawlensky, Maria Franck und Franz Marc – standen in wechselvollen, konfliktreichen, spannungsgeladenen Beziehungen zueinander, die freilich durchaus auch längere harmonische Phasen und tiefe Glücksmomente einschlossen. Die Münter, die Werefkin und bis zu einem gewissen Grad auch Maria Franck waren eigenständig arbeitende, talentierte Künstlerinnen, die dann zugunsten des Partners teilweise auf die Realisierung der eigenen Begabung verzichteten. Sie lebten nicht legalisiert in »wilden Ehen«, auch in Dreiecksbeziehungen, und hatten damit eine Lebenssituation, die in der Zeit ungebrochen herrschender Konventionen und bürgerlicher Wertvorstellungen vor dem Ersten Weltkrieg alles andere als unkompliziert war. Immerzu den Schein wahren zu müssen verlangte viel Anstrengung.

Die anderen bekannten Maler des »Blauen Reiters« wie Paul Klee und August Macke führten bürgerliche Ehen. Beide Paare hatten Kinder, während die anderen Malerfrauen zu ihrem Bedauern kinderlos blieben. Denn bei aller Boheme-Attitüde strebten sie doch ein recht bürgerliches Dasein an. Zwar praktizierten sie die freie Liebe – aber stets mit schlechtem Gewissen. Insbesondere Maria Franck und Gabriele Münter litten darunter, nicht verheiratet zu sein und keine Kinder zu haben. Die Frauen waren einerseits ihrer Zeit voraus, andererseits den gesellschaftlichen Konventionen verhaftet. Das betraf sowohl ihr Rollenverständnis in Liebe und Partnerschaft als auch in der Kunst. Für die Rechte der Frauen trat keine öffentlich ein; den Gedanken, dass Frauen weniger schöpferisch seien als Männer, hatten sich fast alle zu eigen gemacht.

Vielfach zogen die Künstlerpaare aufs Land. Die Mieten waren dort niedriger, und man entging eher dem Schwabinger Klatsch. Das wunderschöne Voralpenland, die blauen Berge und das südliche Licht inspirierten die Künstler zu vielen Landschaftsstudien. Außerdem betätigten sich Marc und Kandinsky gern im Garten, und besonders die Marcs malten Blumen und Tiere nach der Natur. Die Künstlerpaare wählten sich ihre Wohnungen und ihr Mobiliar aus, sie verschönerten ihre Häuser und Gärten, sie machten sich Gedanken über ihre Außendarstellung und den Verkauf ihrer Bilder. Sie reisten und lernten die Welt anderer Künstler kennen, sie versuchten, Geld zu verdienen und Besitz und Status zu erlangen. Sie strebten nach einer gewissen Sicherheit im Leben.

Der Erste Weltkrieg machte all diese Planungen und Lebensentwürfe zunichte. Die russischen Künstler mussten Deutschland verlassen, Jawlensky und von Werefkin gingen 1914 in die Schweiz, Kandinsky ging zunächst ebenfalls mit Münter in die Schweiz, dann kehrte er nach Russland zurück. Münter ging allein nach Schweden. Macke fiel, erst siebenundzwanzigjährig, gleich im zweiten Kriegsmonat, Marc 1916 im Alter von 36 Jahren fast zwei Jahre nach Kriegsbeginn. Obwohl die gemeinsamen Aktivitäten der Maler des »Blauen Reiters« mit dem Ersten Weltkrieg endeten, lebten ihre Visionen im »Bauhaus«...

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