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Die Schere zwischen arm und gesund: Soziale Ursachen von Gesundheit und Krankheit in Deutschland

AutorThomas Peter
VerlagDiplomica Verlag GmbH
Erscheinungsjahr2012
Seitenanzahl95 Seiten
ISBN9783842822870
FormatPDF
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis19,99 EUR
Gesundheit ist ein hohes Gut, denn sie ist die Grundlage für das Funktionieren einer Gesellschaft, für Wohlbefinden, Teilhabe und Arbeitskraft. Aber Gesundheit ist ungleich verteilt, auch in Deutschland. Schon lange ist bekannt, dass Angehörige der unteren sozialen Schichten höhere Gesundheitsrisiken tragen. Was aber bedeutet 'soziale Schicht' genau? Auf welche Weise hängen Gesundheit und Sozialschicht zusammen? Handelt es sich um ein rein gesellschaftliches Problem, oder trägt jeder einzelne Verantwortung für sein Schicksal? Wie hat sich die Schere zwischen den Sozialschichten in den letzten Jahrzehnten entwickelt, und warum? Und nicht zuletzt: Was können Wissenschaft und Politik dafür tun, dass gesundheitliche Ungleichheit in Deutschland verringert wird? Diesen und anderen Fragen geht Thomas Peter in seinem Buch nach. Er scheut sich dabei auch nicht, politisch unbequeme Sichtweisen zu vertreten und über den Tellerrand der reinen Epidemiologie hinauszublicken. Schließlich werden die bisherigen Erkenntnisse anhand eines eigenen empirischen Modells auf Basis des Sozio-Ökonomischen Panels (SOEP) überprüft. Letztlich dreht sich alles um die Frage: Macht Armut krank, oder Krankheit arm?

Thomas Peter wurde 1978 in Mettmann geboren. Er studierte in Wuppertal Wirtschaftswissenschaften und eignete sich dabei auch das Handwerkszeug der empirischen Sozialforschung an, das schließlich in sein erstes Buch einfloss. Während seines Studiums reiste er viel durch Europa, lernte mehrere Sprachen und interessierte sich stets auch für andere wissenschaftliche Disziplinen, ohne dabei seine eigene zu vernachlässigen. Gegenwärtig arbeitet Thomas Peter an einer Laufbahn als Journalist. In seiner Freizeit baut er mit Leidenschaft Architekturmodelle.

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Leseprobe
Textprobe: Kapitel 6.1, Arbeitswelt: Westliche Industriegesellschaften sind auf Erwerbsarbeit aufgebaut. Aus Sicht des Arbeitnehmers dient Erwerbsarbeit nicht nur dazu, selbständig seinen Lebensunterhalt zu verdienen, sondern stellt ihm gleichzeitig eine sinnvolle Rolle in der Gesellschaft zur Verfügung und strukturiert seinen Tagesablauf. Sie ist in diesem Sinne also identitätsstiftend. Nicht zuletzt verbringt der erwerbstätige Mensch einen Großteil seiner verfügbaren Zeit bei der Arbeit, so dass dies der Ort ist, wo er möglichen gesundheitlichen Belastungen besonders lange ausgesetzt ist. 6.1.1 Körperliche Belastungen Bei der Erwerbsarbeit können vielfältige unterschiedliche körperliche Belastungen auftreten. Zum einen Belastungen mechanischer Art: Das Heben, Tragen und Bewegen von schweren Lasten beansprucht sowohl das Herz-Kreislaufsystem als auch Muskeln, Sehnen und Gelenke. Bei repetitiver Fließbandarbeit werden zwar oft nur kleine Teile des Bewegungsapparats gebraucht, diese verschleißen aber auch durch sehr häufige Wiederholung der immer gleichen Handgriffe. Bei Halte- und Haltungsarbeiten oder Über-Kopf-Arbeiten wird der Körper in unnatürlichen, zwanghaften Positionen gehalten, was zu Durchblutungsstörungen führen kann und ebenfalls Muskeln, Gelenke und die Wirbelsäule beansprucht. Auch eine sitzende Bürotätigkeit geht mit einseitiger Körperhaltung einher und der Bewegungsmangel schwächt das Herz-Kreislaufsystem. Beim Führen von Fahrzeugen und Maschinen können außerdem Vibrationen auf den Körper oder Teile davon einwirken und Wirbelsäule sowie innere Organe schädigen. Neben mechanischen Belastungen können am Arbeitsplatz physikalische und chemische Noxen auf den Körper einwirken. Nässe und Kälte können zu grippalen Infekten und rheumatischen Erkrankungen führen. Häufige grippale Infekte erhöhen wiederum das Herzinfarktrisiko. Oft sind Arbeiter auch Stäuben ausgesetzt, die das Bronchialsystem schädigen können, wenn sie eingeatmet werden. Je nach Art der Stäube kommen noch Belastungen giftiger oder kanzerogener Art hinzu: Blei-, Zink- Chrom- und Cadmiumstäube wirken toxisch auf innere Organe, während Asbest-, Nickel- oder Chromat-Staub Krebs verursachen können. Auch verschiedene Gase können, wenn eingeatmet, oder über Hautkontakt toxisch, ätzend oder kanzerogen wirken, so z.B. Kohlenmonoxyd, Schwefeldioxyd, Ozon oder Phosgen. Selbst der krebserregenden Wirkung ionisierender Strahlen können Arbeiter ausgesetzt sein, etwa in einem Atomkraftwerk (vor oder nach einem GAU wie im japanischen Fukushima I) oder in Wiederaufbereitungsanlagen. Mit dem Wandel von der Industrie- zur Dienstleistungsgesellschaft, der fortschreitenden Automatisierung und einer Vielzahl von Arbeitsschutzgesetzen sind die körperlichen Belastungen am Arbeitsplatz stark zurückgegangen. Der soziale Gradient bleibt jedoch bestehen. Erwartungsgemäß sind Angehörige von statusniedrigen Berufsgruppen von nahezu allen körperlichen Belastungen stärker betroffen als die Mittel- und Oberschicht. Das Schlusslicht bilden an- und ungelernte Arbeiter. Von Statusinkonsistenzen abgesehen lässt sich diese Erkenntnis aufgrund der obenstehenden Überlegungen auf andere Statusdimensionen wie Bildung übertragen. 3.1.2 Psychosoziale Belastungen: Parallel zum Rückgang körperlicher Beanspruchungen ist davon auszugehen, dass die Prävalenz psychosozialer Belastungen in den letzten Jahren zugenommen hat. Die Verbreitung der Informationstechnologie, insbesondere des Internets, neue Arten von Arbeitsverträgen und das Ungleichgewicht zwischen offenen Stellen und verfügbaren Arbeitskräften haben die Anforderungen an Qualifikation, Leistungsbereitschaft und Belastbarkeit ansteigen lassen. Psychosoziale Belastungen am Arbeitsplatz gehören zu den chronischen Stressoren und sind damit zu trennen von den sog. lebensverändernden Lebensereignissen. Die sozialepidemiologische Erforschung von Verteilung und Auswirkungen psychosozialer Stressoren baut auf den Erkenntnissen der medizinischen Stressforschung auf. Folgende Belastungen sind zu unterscheiden: aufgabenbezogene Stressoren wie Über- und Unterforderung, Monotonie oder strenge Überwachung (Mikroebene); zeitliche Stressoren wie Nacht- und Schichtarbeit, Überstunden oder Zeitdruck; soziale Stressoren wie schlechtes Betriebsklima, Mobbing oder Konflikte mit Kollegen und Vorgesetzten (Mesoebene); dazu kommen strukturelle Stressoren auf der Makroebene wie z.B. Arbeitsplatzunsicherheit. Zur Erklärung des Zusammenhangs zwischen psychosozialer Belastung im Erwerbsleben und psychischer und somatischer Morbidität sind mehrere theoretische Modelle entwickelt worden, von denen die zwei bekanntesten hier kurz vorgestellt werden sollen. Das ältere ist das sog. Anforderungs-Kontroll-Modell (Job-Strain-Modell) des amerikanischen Soziologen Robert Karasek. Darin postuliert Karasek, dass es die Kombination von hohen Anforderungen einerseits und geringen Kontroll- und Einflussmöglichkeiten andererseits ist, die 'gesundheitlich besonders riskante psychosoziale Belastungskonstellationen' darstellt. Anforderungen werden dabei meist als Zeitdruck operationalisiert, Einflusschancen sind charakterisiert als die Möglichkeit, eigene Fähigkeiten zur Entfaltung zu bringen und bei der Arbeit neues hinzuzulernen. Anhand verschiedener Kombinationen von hoher/niedriger Autonomie mit hohen/niedrigen Anforderungen lassen sich verschiedene Szenarien klassifizieren, die als gesundheitsschädlich oder sogar -förderlich gelten können. Das Job-Strain-Modell ist seit den 1980er Jahren in vielen internationalen Studien genutzt und empirisch meist bestätigt worden. Das zweite Modell ist das Modell beruflicher Gratifikationskrisen von Johannes Siegrist. Man kann es als Weiterentwicklung des Job-Strain-Modells betrachten. Eine Gratifikationskrise ist dadurch gekennzeichnet, dass hohe berufliche Verausgabung zusammen mit unangemessen niedriger Belohnung auftritt. Dieses Ungleichgewicht wird als spezifischer Risikofaktor für Herz-Kreislauferkrankungen, Depressionen, Alkoholabhängigkeit usw. definiert. Das Wort 'Belohnung' bezieht sich dabei nicht nur auf den monetären Lohn - Belohnung kann auch als Wertschätzung/Anerkennung durch Kollegen und Vorgesetzte erfolgen, oder in Form von Aufstiegschancen und Arbeitsplatzsicherheit. Verausgabung wiederum setzt sich zusammen aus den objektiven, von außen an den Arbeitnehmer herangetragenen Anforderungen und seinem individuellen Bewältigungsstil. Berufliche Gratifikationskrisen besitzen dann ein besonders hohes Risikopotenzial, wenn letzterer durch 'übersteigerte Verausgabungsneigung' gekennzeichnet ist. Auch dieses Modell ist in zahlreichen Studien getestet und empirisch bestätigt worden. Das gilt vor allem für seine Vorhersagekraft für Herz-Kreislauferkrankungen, aber auch für etwa die Prävalenz von Depressionen bei Führungskräften. Gratifikationskrisen besitzen übrigens auch dann eine eigene Erklärkraft für chronische Erkrankungen, wenn für andere Risikofaktoren kontrolliert wird. Für beide Modelle bleibt zunächst allerdings offen, on das Vorliegen von Job-Strain bzw. beruflichen Gratifikationskrisen auch mit der sozialen Schicht korreliert ist, denn die meisten (deutschen) Studien beschränken sich auf die Erklärung von Morbidität durch eben diese Faktoren. Zwar ist einerseits davon auszugehen, dass hohe Verausgabung in Form von Zeitdruck, Entscheidungsdruck und intellektuellen Anforderungen besonders bei den statushöheren Berufsgruppen vorkommen. Auf der anderen Seite sind höhere Berufe auch durch größere Autonomie und höhere Belohnungen gekennzeichnet, so dass unter dem Strich die unteren Sozialschichten stärker von Job-Strain und Gratifikationskrisen betroffen sein dürften. Die wenigen Studien, die diesen Mediatoreffekt untersuchen, z.B. die englische Whitehall-II-Studie und eine von Peter nicht näher spezifizierte finnische Untersuchung, bestätigen diese Vermutung zumindest für männliche Arbeitnehmer. Bezüglich des sozio-ökonomischen Status können Statusinkonsistenzen einen eigenen Risikofaktor für psychosoziale Belastungen darstellen. Wenn sich nach dem Abitur die Karriereträume nicht erfüllen und die berufliche Position unterhalb des Qualifikationsniveaus liegt, kann das Selbstwertgefühl leiden, was mittelfristig wiederum das Risiko einer Depression und ähnlichen chronischen Erkrankungen erhöht.
Blick ins Buch
Inhaltsverzeichnis
Inhalt3
Tabellen5
Abbildungen5
Abkürzungen6
1 Einleitung9
2 Geschichte der Gesundheitssoziologie11
3 Versorgungsungleichheit16
3.1 Die Gesetzliche Krankenversicherung16
3.2 Die Private Krankenversicherung22
3.3 Versorgungsungleichheit: Der Stand der Forschung24
4 Soziale Ungleichheit27
4.1 Schulbildung27
4.2 Berufsstatus29
4.3 Einkommen30
4.4 Lebensstil32
4.5 Ethnische Gruppe34
5 Morbidität und Mortalität nach Sozialstatus38
5.1 Mortalität38
5.2 Herz-Kreislauf-Erkrankungen41
5.3 Subjektiver Gesundheitszustand43
5.4 Psychische Morbidität46
6 Belastungen und Ressourcen49
6.1 Arbeitswelt49
6.1.1 Körperliche Belastungen49
6.1.2 Psychosoziale Belastungen51
6.1.3 Arbeitslosigkeit53
6.2 Haushalt, Familie und Wohnumfeld55
6.2.1 Körperliche Belastungen55
6.2.2 Psychosoziale Belastungen56
6.3 Individuelles Fehlverhalten58
6.4 Ressourcen61
7 Prävention65
7.1 Bedeutung von Prävention65
7.2 Systematik und Akteure66
7.3 Primärprävention68
7.3.1 Verhältnisprävention68
7.3.2 Verhaltensprävention70
7.3.3 Moderne Ansätze der Primärprävention71
8 Empirische Studie74
8.1 Datenbasis74
8.2 Methoden76
8.3 Ergebnisse78
8.4 Diskussion83
9 Fazit84
Literatur89
Autorenprofil94

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