Kohlenhydrate sind nicht lebenswichtig
Es gibt Nährstoffe, die muss man mit der Nahrung zuführen, weil der Körper sie in seinem Stoffwechsel nicht selbst herstellen kann. Das sind die lebenswichtigen oder auch »essenziell« genannten Nährstoffe. Dazu gehören alle Vitamine und Mineralstoffe und die Spurenelemente wie auch zwei mehrfach ungesättigte Fettsäuren und neun Aminosäuren (Eiweißbausteine). Die Kohlenhydrate gehören nicht dazu! Alle anderen Aminosäuren und die vielen anderen Fettsäuren kann der Körper selbst herstellen. Auch die Glukose (auf Deutsch »Traubenzucker«) kann der Körper aus Aminosäuren und aus Milchsäure selbst herstellen.
Fast alle Gewebe und Zellen können ihre Energie aus Fett beziehen. Die Nervenzellen und das Gehirn können die notwendige Energie aus einem Abbauprodukt der Fette – den Ketosäuren – beziehen. Allein die roten Blutkörperchen und das Nierenmark sind auf Glukose angewiesen, da sie weder Fett noch Ketonkörper verwerten können. Und das bisschen Glukose für die roten Blutkörperchen und das Nierenmark können wir Tag für Tag völlig problemlos aus Eiweiß selbst herstellen.
Wir müssen also Kohlenhydrate zu keinem Zeitpunkt essen. Sie sind nicht essenziell. Allerdings sollte man immer genügend Eiweiß für diese »Verzuckerung«, das heißt für die Umwandlung von Eiweiß in Kohlenhydrate, mit der Nahrung aufnehmen, sonst werden die benötigten Eiweißbausteine (Aminosäuren) von den Muskeln abgezweigt. Und Muskeln sollte man auf keinen Fall abbauen!
Wann spricht man von Low-Carb?
Ausgewogen zu essen, heißt nicht, 60 Prozent der täglich benötigten Kalorien aus Kohlenhydraten, 30 Prozent aus Fett und 10 Prozent aus Eiweiß zuzuführen, wie es unsere Fachgesellschaften immer suggerieren. Was ist an diesem Ungleichgewicht »ausgewogen«? Ausgewogen im Sinne der Mengenlehre wäre in jedem Fall, von jedem Nährstoff ein Drittel aufzunehmen. Das wäre dann schon ein prima Low-Carb-Konzept.
Eine genaue und allgemein akzeptierte Definition von Low-Carb gibt es nicht. Viele Experten bezeichnen eine Ernährungsweise schon als Low-Carb, wenn weniger Kohlenhydrate gegessen werden, als heute üblicherweise empfohlen wird, die Kohlenhydrate also weniger als 50 Prozent der zugeführten Kalorien ausmachen. Führende Low-Carb-Forscher in den USA haben sich aber eine Definition ausgedacht, die sinnvoll ist und die mit diesem Buch auch bei uns Verbreitung finden soll:
| Kohlenhydratzufuhr (g/Tag) | Kohlenhydratanteil (% der kcal) |
Kohlenhydratarme ketogene Diät (Low-Carbohydrate Ketogenetic Diet, LCKD) | < 50 | < 10 |
Kohlenhydratarme Diät (Low-Carbohydrate Diet, LCD) | 50–<130 | 10–<25 |
Kohlenhydratreduzierte Diät (Moderate Carbohydrate Diet, MCD) | ? 130 | 26–45 |
Low-Carb ist vor allem durch die Atkins-Diät bekannt geworden. Der New Yorker Arzt Dr. Robert Atkins hat vor 30 Jahren mit seinen Büchern eine weltweite Diät-Welle ausgelöst. Und er konnte unzähligen Menschen helfen. Sein Prinzip: In den ersten ein oder zwei Wochen höchstens 20 Gramm Kohlenhydrate. Danach, in der zweiten Phase sollten es weniger als 50–60 Gramm Kohlenhydrate pro Tag sein. Auf diese Weise würde man sein Zielgewicht erreichen. Gleichzeitig durfte man so viel Eiweiß und Fett zu sich nehmen, wie man wollte. Mit diesem Kostmix konnte eine »Ketose« hervorgerufen werden (daher der Begriff »Low-Carbohydrate Ketogenic Diet« bzw. LCKD). Die Ketose ist eine Stoffwechselumstellung, bei der der Körper aus Fett Ketone bildet. Das sind energiereiche Verbindungen, die auch vom Hirn und den Nerven als Zuckerersatz verwertet werden können. Die Ketose hilft außerdem, Hunger zu unterdrücken.
Die Vorstellung, mit der Atkins-Diät nunmehr nur noch Sahne und Speck, fetten Käse und fette Wurst zu essen, war allerdings vielen befremdlich. Außerdem galt dies als gesundheitlich bedenklich, weshalb Atkins heftig angegriffen wurde.
Inzwischen haben kontrollierte Studien belegt: Alles nur Vorurteile. Es ist kein Risiko zu finden. Aber es müssen gar nicht so wenige Kohlenhydrate sein. Effektiv abnehmen und Stoffwechselstörungen beheben kann man auch mit einem Low-Carb-Programm, das zwischen 80 oder 100 oder gar 130 Gramm Kohlenhydrate pro Tag liefert bzw. das zwischen 10 und 25 Prozent der Kalorien aus Kohlenhydraten bezieht. Selbst mit »Moderate Low-Carb«, wenn also 26 bis 45 Prozent der Kalorien aus Kohlenhydraten stammen, nehmen die meisten noch gut ab. Blutdruck, Blutzucker und Blutfettwerte sowie ihr allgemeiner Gesundheitszustand bessern sich.
Je weniger Kohlenhydrate, desto größer der Gewichtsverlust!
Unzählige wissenschaftliche Untersuchungen der letzten Jahre haben belegt, dass die Gewichtsreduktion umso größer ausfällt, je weniger Kohlenhydrate verzehrt werden. Das lässt sich allerdings immer nur dann belegen, wenn man den Versuchspersonen keine Kalorienbeschränkung vorgibt, sondern sie »ad libitum«, also immer bis zur Sättigung essen dürfen. Es funktioniert tatsächlich: Wenn man nur die Kohlenhydrate beschränkt, aber sich sonst an Eiweiß und Fett frei bedient, schafft man es, weniger Kalorien zuzuführen, als der Körper benötigt. Dann zehrt er von seinen Reserven und man nimmt automatisch ab. Die Erklärung ist einfach. Durch die höhere Sättigung und Sattheit kommt man mit weniger Kalorien zufrieden und ohne Hungerattacken durch den Tag.
Wenn man aber Versuchspersonen genau berechnete Diätpläne oder eine fixe Kalorienmenge vorgibt, dann nimmt man mit jeder Diät vergleichbar viel ab – eben so viel, wie an Kalorien eingespart wurde. Egal ob Low-Fat oder Low-Carb oder sonst eine Diät.
Da die wenigsten Menschen auf Dauer Kalorien zählen wollen, favorisiert man immer mehr das unbeschränkte Konzept, das in der Fachsprache »ad libitum« genannt wird.
Je weniger Kohlenhydrate, desto schwieriger das Durchhalten
Die gute Nachricht war, dass man umso mehr abnimmt, je weniger Kohlenhydrate man isst. Die schlechte: Die meisten Menschen finden eine sehr stark kohlenhydratreduzierte Kost eintönig und langweilig, sodass das Verlangen nach anderen Nahrungsmitteln steigt. Da aber der Schlüssel zum erfolgreichen Abnehmen die dauerhafte Durchführbarkeit ist, muss man überlegen, wie viel Einschränkung man auf Dauer akzeptieren kann.
Durchhalten – das ist die Parole. Dafür muss jeder seinen eigenen Weg finden. Eine Kostumstellung muss so geartet sein, dass man immer noch mit Freude essen und genießen kann, damit sich nach dem Essen Sättigung und Befriedigung einstellen. Jede Ernährungsumstellung, die das nicht erfüllt, die nach einigen Tagen nur noch Widerwillen erzeugt, kann man sich sparen. Man wird sie sowieso nicht durchhalten.
Wir werden in diesem Buch deshalb keine radikale Low-Carb-Diät vorgeben. Es darf aber jeder, der schneller und effektiver abnehmen will, die Kohlenhydratportionen verringern oder auch gänzlich darauf verzichten. Jeder muss seinen eigenen Weg finden!
Satt essen – gewusst wie!
Mehr Eiweiß und weniger Kohlenhydrate zu essen, sättigt stärker und hält länger satt. Und es macht zufriedener, denn nach eiweißreichen Mahlzeiten mit üppigen Gemüsebeilagen kommt das Verlangen nach den unwiderstehlichen süßen und meist auch noch fettreichen kleinen Häppchen gar nicht erst auf, und unkontrollierbares Frustessen entfällt.
Um das zu erreichen, müssen Sie auf nichts verzichten, nur bei manchen Lebensmitteln sollten die Portionen schrumpfen. An erster Stelle bei den Sättigungsbeilagen. Wenn Sie das Gefühl haben, Sie müssen auf zu viel verzichten, dann gehen Sie es gemächlicher an. Sie müssen nicht gänzlich Kohlenhydrate streichen! Brot, Reis, Spaghetti und Kartoffeln sind per se keine ungesunden Dickmacher. Sie werden erst dazu, wenn wir zu viel davon essen und uns nicht körperlich anstrengen – und das passiert immer und immer wieder!
Früher hatten wir aus finanziellen Gründen diese Sättigungsbeilagen zur Basis unserer Hauptmahlzeiten erklärt, dabei geht es sehr wohl und sogar besser ohne sie und wir können uns das heute finanziell leisten! Besser geht es uns ohne die Kohlenhydratbomben, weil wir uns dann satt essen können, insgesamt über den Tag verteilt aber weniger und auch seltener zwischendurch essen. Wer...