Unternehmen fügen Produkten Zugaben hinzu, um die Attraktivität des aktionierten Produktes zu erhöhen.[17] Zu diesem Zweck werden Zugaben in zahlreichen Varianten und Formen eingesetzt, welche sich anhand verschiedener Kriterien charakterisieren lassen.[18] Einen Überblick über mögliche Differenzierungsmerkmale von Zugaben mit Angabe beispielhafter Merkmalsausprägungen gibt Tabelle 1.
Tabelle 1: Differenzierungsmerkmale von Produktzugaben
Quelle: In Anlehnung an Hoffmann (2009), S. 36.
Produktzugaben lassen sich zunächst dahingehend unterscheiden, ob sie kostenlos (sog. Free Premium) oder gegen ein Entgelt (Self-Liquidating Premium) abgegeben werden.[19] Ein Entgelt wird zumeist verlangt, wenn es sich um eine, im Verhältnis zum Wert des Grundproduktes, relativ hochwertige Zugabe handelt.[20] Die in Deutschland eingesetzten Produktzugaben weisen dagegen im Allgemeinen einen relativ geringen finanziellen Wert auf und werden zumeist kostenlos abgegeben.[21] Auf Grund dieser größeren Relevanz konzentriert sich diese Arbeit im Folgenden auf den Einsatz von kostenlosen Zugaben.
Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal von Produktzugaben stellt die Art der Verpackung dar. Zugaben können außen an der Verpackung angebracht sein (On-Pack) oder sich in der Verpackung des Aktionsproduktes befinden (InPack). Des Weiteren besteht die Möglichkeit, dass die Verpackung an sich als Zugabe gestaltet (reusable container) ist, beispielsweise in Form einer wiederverwertbaren Metallbox.[22] Werden Zugaben hingegen vom Händler separat abgegeben oder in einem Display zur Mitnahme angeboten, spricht man von einer Near-Pack-Zugabe. In diesem Fall verursacht die Zugabe zwar geringere Verpackungskosten, birgt aber eine erhöhte Diebstahlgefahr.[23]
Zugaben lassen sich zudem danach differenzieren ob sie einen hohen oder niedrigen Bezug (Produkt-Zugaben-Fit) zum Grundprodukt aufweisen.[24] Ein hoher Bezug liegt beispielsweise vor, wenn einem Abonnement für ein Wirtschaftsmagazin eine Enzyklopädie beigefügt wird, allerdings nicht, wenn es sich bei der Zugabe um ein Schuhputzset handelt.[25] Eine spezielle Form von Zugaben stellen Warenproben dar. Damit soll sowohl ein zusätzlicher Kaufanreiz für das Aktionsprodukt geschaffen als auch die Bekanntheit des Warenproben-Produktes gesteigert werden.[26] Neben dem Einsatz von Warenproben aus dem eigenen Sortiment des Herstellers ist auch denkbar, dass diese von einem fremden Unternehmen zur Verfügung gestellt werden.[27] Auch Sammelzugaben nehmen eine Sonderstellung ein. Primäres Ziel einer Sammelzugabe ist es die Kunden zu Wiederholungskäufen zu animieren, indem mehrere Zugaben einem Aktionsprodukt als sich ergänzende Serie beigefügt werden. Dasselbe Ziel wird verfolgt, wenn die Zugabe nicht an den einmaligen, sondern an den mehrfachen Kauf eines Produktes gebunden ist. In diesem Fall erhält der Konsument die Zugabe nicht sofort, sondern nachdem er eine bestimmte Anzahl von Käufen, etwa durch Einsenden der Kaufbelege, nachgewiesen hat.[28]
Im Allgemeinen wird davon ausgegangen, dass Verkaufsförderungsaktionen, wie das Hinzufügen einer kostenlosen Produktzugabe, welche den Wert des Produktes nicht verringert und den Preis nicht erhöht, auf aggregierter Ebene zu einem Anstieg des Absatzes führt (oder diesen im schlechtesten Fall nicht verändert).[29] Begründet wird dies mit der Annahme, dass Konsumenten welche die Zugabe als attraktiv empfinden das Produkt stärker nachfragen, während sich die Kaufwahrscheinlichkeit der übrigen Konsumenten nicht verändert.[30]
Allerdings konnte in diversen empirischen Studien gezeigt werden, dass die Erweiterung eines Produktes mit einer (kostenlosen) Zugabe auch negative Effekte hervorrufen kann.[31] Diese Ergebnisse deuten daraufhin, dass die Wirkungen von Produktzugaben wesentlich komplexer sind.[32] Um den Effekt von Produktzugaben erklären zu können, ist es daher erforderlich den theoretischen Hintergrund zu verstehen. Grundsätzlich liefern sowohl ökonomische als auch verhaltenswissenschaftliche Theorien mögliche Erklärungen. Während sich ökonomische Theorien jedoch hauptsächlich mit dem optimalen Einsatz von Preis-Promotions befassen, liefern verhaltenswissenschaftliche Theorien detailliertere Informationen hinsichtlich der Reaktion der Konsumenten auf Preis- und Nicht-Preis-Promotions und sind daher von größerer Relevanz mit Blick auf das Zustandekommen des Nutzens, den Konsumenten aus einer Verkaufsförderungsaktion ziehen.[33] Im Folgenden sollen daher ausgewählte verhaltenswissenschaftliche Theorien aufgezeigt werden, die das Verhalten von Konsumenten in Reaktion auf Verkaufsförderungsinstrumente, insbesondere Produktzugaben, erläutern können.
Nutzenkonzepte beschäftigen sich mit unterschiedlichen Arten von Nutzen, der für Konsumenten aus Verkaufsförderungsaktionen resultiert sowie mit dem Verlauf von Nutzenfunktionen.[34] Eines der bedeutendsten Nutzenkonzepte in der betriebswirtschaftlichen Forschung ist die Prospect-Theorie. Diese postuliert, dass Konsumentenentscheidungen darauf zurückzuführen sind wie potenzielle Gewinne und Verluste bewertet werden. Im Zentrum der Theorie steht dabei die Wertfunktion, welche folgende Eigenschaften besitzt:
Konsumenten unterscheiden Ergebnisse von Entscheidungen in Gewinne und Verluste relativ zu einem Referenzpunkt.
Die Wertfunktion verläuft konkav für Gewinne und konvex für Verluste.
Die Wertfunktion verläuft bei Verlusten steiler als bei Gewinnen.[35]
Wendet man die Erkenntnisse der Prospect-Theorie auf den Einsatz von Verkaufsförderung an, dann besagt das „Silver-Lining“-Prinzip, dass ein großer Verlust und ein kleiner Gewinn getrennt abgebildet werden sollten, um den Wert für Konsumenten zu erhöhen.[36] Dies sei anhand von Abbildung 1 erläutert.
Abbildung 1: Wertfunktion der Prospect-Theorie und Silver-Lining-Prinzip Quelle: Thaler (1985), S. 203.
Betrachtet man ein Produkt mit dem Preis Y €, beträgt der Verlust durch den Kauf des Produktes entsprechend -Y. Nun wird für dieses Produkt eine PreisPromotion mit einer Preisreduzierung in Höhe von X € eingesetzt. Wird der reguläre Preis des Produktes und der Preisnachlass vom Konsumenten gemeinsam bewertet, ergibt sich ein Wert V in Höhe von V(X-Y). Werden die beiden Zahlungen jedoch getrennt bewertet, ergibt sich der Wert V(X) + V(-Y). Der Wert bei getrennter Betrachtung ist auf Grund des steileren Verlaufs der Wertfunktion im Bereich für Verluste höher als bei gemeinsamer Betrachtung.[37]Konsequenterweise sollte eine Verkaufsförderungsaktion positivere Wirkungen erzielen, wenn Konsumenten Gewinne und Verluste getrennt bewerten. Dies ist vermutlich eher bei Produktzugaben der Fall, als bei einem vergleichbaren Sonderangebot. Bei einem Sonderangebot wird sowohl der Preisnachlass als auch der reguläre Preis in monetären Werten angegeben, wodurch die Wahrscheinlichkeit steigt, dass der Preisnachlass nur als Reduktion des „Verlustes“ angesehen wird.[38] Im Gegensatz dazu wird eine Produktzugabe eher als ein „Gewinn“ wahrgenommen, da der monetäre Wert oft nicht explizit angegeben ist (oder sich leicht ignorieren lässt) und es den Konsumenten somit schwerer fällt, diesen mit dem Produktpreis in Verbindung zu bringen.[39] Dementsprechend werden Zugaben eher absolut und qualitativ betrachtet, während Sonderangebote mit größerer Wahrscheinlichkeit zu einer relativen und quantitativen Bewertung des Angebots führen, da sie den Focus auf den Preis legen.[40]
Auf Basis der Prospect-Theorie lässt sich zudem die Empfehlung ableiten, Gewinne separat anzugeben.[41] Begründet wird dies mit dem konkaven Verlauf der Wertfunktion im Bereich der Gewinne, weshalb die Summe der Werte zweier Gewinne immer größer ist als der Wert der Summe der beiden Gewinne. Daher sollte statt einer großen Verkaufsförderungsaktion bevorzugt eine Reihe von kleinen Aktionen durchgeführt werden oder wie Thaler formuliert: „Don´t wrap all your Christmas presents in one box.“[42] Die Kombination einer Zugabe im Wert von 1 € mit einem Sonderangebot in Höhe von 1 € sollte demnach vorteilhaftere Wirkungen erzielen, als der alleinige Einsatz einer Zugabe bzw. eines Sonderangebots in Höhe von 2 €.[43] Auf Basis dieser Argumentation sollten zudem Produktzugaben, die als selbständiges Produkt mit einem eigenen Wert angesehen werden, einen höheren Nutzen stiften, als Produktzugaben die lediglich als integraler Bestandteil des Grundproduktes aufgefasst werden.[44]
Ein weiteres Konzept, das zur Erklärung von Konsumentenverhalten herangezogen werden kann, ist das Transaktionsnutzenkonzept. Demnach ergibt sich für einen Konsumenten der Wert eines Angebots beim Kauf eines Produktes aus der Summe des Akquisitions- und des Transaktionsnutzens.[45] Der Akquisitionsnutzen ergibt sich dabei aus der...