Im Zuge der vergangenen und weiter fortschreitenden Globalisierung hat sich der Austausch von containerisierten Waren mit den Volkswirtschaften in Übersee stark entwickelt und hat so zu einem stetigem Wachstum des internationalen Güterverkehrs geführt. Die Containerschifffahrt kann dabei auf Wachstumsraten von durchschnittlich 10 % p.a. in den letzten 20 Jahren zurückblicken und bildet so den am stärksten wachsenden Schifffahrtsmarkt.[1]
Diese Entwicklung ist in den europäischen Seehäfen, insbesondere den Seehäfen Rotterdam, Antwerpen und den deutschen Seehäfen Hamburg und Bremerhaven zu spüren. Auch hier wurden in den letzten Jahren, analog zum weltweiten Wachstum, teils zweistellige Zuwachsraten erzielt. Das stellt die Seehäfen zunehmend vor Kapazitätsprobleme in Hinsicht auf den Flächenbedarf und die Koordination der beteiligten Schnittstellen. Hamburg und Bremerhaven, welche rund 97 % des Containerumschlags in Deutschland abfertigen[2], stehen dabei im direkten Wettbewerb zu den ARA-Häfen.[3]
Als bedeutende Schnittstelle zwischen See- und Landverkehren haben die Häfen die Abfertigung der immer größer werdenden Schiffe und dem damit verbundenen Mengenwachstum gerecht zu werden. Ihnen wird die Rolle als zentraler Knotenpunkt zwischen den internationalen Güterströmen und deren Verknüpfung mit den Hinterlandverkehren zu teil. Die Seehäfen beeinflussen durch ihre Leistungsfähigkeit somit direkt auch die Leistungsfähigkeit der internationalen Seeschifffahrt und der ansässigen Binnenwirtschaft. Für die Zukunft ist mit einer weiteren Zunahme der Containerschifffahrt zu rechnen. Auch wenn die Weltwirtschaft durch die vergangene Wirtschaftskrise einen Dämpfer bekommen hat, geht man aktuell von einem Wachstum des weltweiten Containerumschlags von durchschnittlich 7 % bis 8 % p.a. aus.[4] Diese Prognosen und die rasante Entwicklung des Containerverkehrs in der Vergangenheit unterstreichen die Bedeutung des Containers im internationalen Welthandel. Durch die Bündelung der Ware in standardisierte Ladeeinheiten konnte der erhebliche Arbeitsaufwand für die Behandlung von Stückgut verkürzt und damit die Liegezeit von Schiffen im Hafen deutlich reduziert werden.[5]
Die wachsende Nachfrage nach Kapazitäten auf den Containerschiffen hat als Reaktion eine Indienststellung immer größer werdender Containerschiffe zur Folge. Dies bedeutet für die Seehäfen, dass weniger Schiffe mit mehr Ladung abgefertigt werden müssen. Gleichzeitig steigen die Anforderungen an den Ausbau von Abstellflächen für die Container im Hafen und der benötigten Infrastruktur als Verbindung zwischen Seehafen und dem Seehafenhinterland.[6] Der seeseitige Transport stellt damit nicht das eigentliche Problemfeld dar. Vielmehr sind die wachsenden Anforderungen an die Seehäfen und die Nachfrage nach effizienten Transportlösungen für die Bedienung der Häfen der limitierende Faktor in den zukünftigen Transportnetzwerken.
Wie bereits erwähnt werden die Seehäfen in Zukunft vor große Herausforderungen gestellt um die prognostizierten Wachstumsraten der Containerschifffahrt abzufertigen. Da bereits heute ein erheblicher Teil des deutschen und europäischen Außenhandels über deutsche Seehäfen verschifft wird, übernehmen diese eine wichtige Transitfunktion.[7] Der direkte Wettbewerb zu den ARA-Häfen wird sich jedoch weiter verschärfen. Es erfordert daher große Anstrengungen in Bezug auf produktive Umschlagleistungen und die Anpassung des seeseitigen Zugangs im Hinblick auf die wachsende Anzahl von Großcontainerschiffen. Diesem Problem wird bereits durch Ausbaggerungen und der Bereitstellung neuer Terminalflächen begegnet, um langfristig die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Seehäfen, in diesem Fall Hamburg, zu sichern.[8]
Die Maßnahmen zur Kapazitätsausweitung in den deutschen Seehäfen können aber nur dann greifen, wenn im gleichen Zuge die Verbindungen ins europäische Hinterland dem Mengenwachstum standhalten. Diese sind im gleichen Maße von hoher Bedeutung, denn: „Um die Wachstumschancen der deutschen Seehäfen zu nutzen, müssen die seewärtigen Zufahrten und Hinterlandanbindungen der deutschen Seehäfen ausgebaut und die Wettbewerbsnachteile unserer Häfen beseitigt werden“.[9] Von den Gesamtkosten eines interkontinentalen Transportes entfallen circa 80 % der Kosten auf den Seehafenhinterlandverkehr bei lediglich 3 % der zurückgelegten Gesamtstrecke.[10] Daraus lässt sich eine überproportional hohe Bedeutung der Prozesse im Seehafenhinterlandverkehr am Gesamttransport erkennen. Schon heute sind Engpässe an den einzelnen Schnittstellen festzustellen, die den reibungslosen Ablauf des nationalen und internationalen Güterverkehrs von und zu den deutschen Seehäfen beeinträchtigen. Entsprechend ist es an der Zeit, neue Konzepte in der Verkehrslogistik zu entwickeln, die der Effizienzsteigerung und damit der Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Seehäfen dienen. In der vorliegenden Arbeit wird der containerisierte Seehafenhinterlandverkehr der Seehäfen Hamburg und Bremerhaven mit ihrem zugehörigem Hinterland untersucht. In Form einer Gegenüberstellung mit den Seehäfen Rotterdam und Antwerpen soll die Wettbewerbsstruktur erläutert werden.
Aus Sicht des Autors hat sich die Wissenschaft bis zum heutigen Zeitpunkt nicht ausreichend mit dem Thema Hafenhinterlandanbindungen als wichtigen Faktor zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Seehäfen auseinandergesetzt. Die Untersuchungen zum Thema der zukünftigen Entwicklung der Seehäfen beschränken sich auf Themen zur Anpassung der seeseitigen Zufahrtswege und der Schaffung zusätzlicher Umschlagskapazitäten und deren Produktivitätssteigerung. Erst Mitte der 1980er Jahre begannen anerkannte Wissenschafter sich diesem Thema zu widmen und die Hinterlandanbindungen der Seehäfen auf die Möglichkeit einer Integration der Binnenschifffahrt hin zu untersuchen.[11] Die Betrachtung hinsichtlich der Notwendigkeit einer parallelen Verwendung der Verkehrsträger Straße, Schiene und Binnenschifffahrt wird seit dem Jahr 2005 näher beleuchtet.[12]
Die Relevanz des Themas wurde in den letzten Jahren auch in der Verkehrs- und Wirtschaftspolitik erkannt. Der „Masterplan Güterverkehr und Logistik“ des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung des damals zuständigen Ministers Wolfgang Tiefensee versucht, ein Konzept zur Effizienzsteigerung des gesamten Verkehrssystems zu definieren.[13] Aus diesem Konzept geht primär eine Verlagerung des Straßentransportes auf die Verkehrsträger Schiene und Binnenschifffahrt und die Definition dazu geeigneter Maßnahmen hervor. Diese beschränken sich bisher jedoch auf Einzelmaßnahmen, die eine ganzheitlich-integrierte Betrachtung der Transportkette außer Acht lassen. Damit lässt sich auch das Fehlen von empirischen Befunden zur Lösung des Problems begründen.
Die geschilderte Problemstellung und die dargestellten Defizite in der wissenschaftlichen und politischen Aufarbeitung des Themas führen zur zentralen Forschungsfrage in der vorliegenden Arbeit:
Wie kann ein Konzept in der Seehafenhinterlandanbindung Deutschlandsaussehen, um zukünftige Containermengen effizient ins Hinterland zu transportieren und somit die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Seehäfen zu erhalten?
Zur Beantwortung der primären Frage, werden in der Arbeit hintergründige Fragen beantwortet, die folgende Ziele verfolgen:
Recherche der relevanten, jedoch spärlichen Literatur zur Schaffung des theoretischen Hintergrundwissens
Darstellung der Strukturen im System der Hafenhinterlandanbindungen
Feststellung der aktuellen und zukünftigen Seehafenentwicklung für containerisierte
Ladeeinheiten ausgewählter Seehäfen und der damit verbundenen Wettbewerbsstruktur
Klärung der Frage, inwieweit die aktuelle Infrastruktur im deutschen Hinterland ausreicht um den zukünftigen Anforderung zu entsprechen
Ermittlung der aktuellen Ablauforganisationen im kombinierten Verkehr und Klärung der Frage, ob diese zukünftigen Anforderung gerecht werden
Herauszufinden, ob der Einsatz intermodaler Verkehrskonzepte geeignet ist, um dass steigende Verkehrsaufkommen von der Straße auf andere Verkehrsträger zu verlagern
Abschließend sollen praxisbezogene Handlungsempfehlungen in Form eines Modells entwickelt werden, welche die Analyseergebnisse integrieren und somit zur Steigerung der Effizienz im Seehafenhinterlandverkehr in Deutschland beitragen können.
Im Vordergrund der vorliegenden Arbeit stehen das Aufzeigen der vorhandenen Strukturen und Rahmenbedingungen im Seehafenhinterlandverkehr, die Darstellung relevanter Zusammenhänge in der Transportkette und die Bildung eines neuen Ansatzes zu deren Effizienzsteigerung. Als Forschungsmethode wurde ein exploratives Vorgehen gewählt. Diese Methode ermöglicht es dem Autor aus vorliegenden Daten geeignete Hypothesen zu erstellen, anstatt im...