Begriffliche Annäherung
2.1 Begriffsverwandtschaften: vom Ehrenamt zum Engagement
Über die unterschiedlichen Begriffe in diesem Feld herrscht Uneinigkeit, da sie jeweils mit unterschiedlichen Denkschulen und Werthaltungen in Verbindung gebracht werden. Der Begriff des „bürgerschaftlichen Engagements“ wurde durch die Enquete Kommission zur „Zukunft des Bürgerschaftlichen Engagements“ des deutschen Bundestags populär. Ziel war es, „den engen Zusammenhang von Engagement, Bürgerschaft und Bürgersinn deutlich zu machen“ (Zimmer & Vilain, 2005, S. 7). In diesem Verständnis steht im Vordergrund, dass die BürgerInnen sich auf „vielfältige Weise und selbstorganisiert in die Belange unseres Gemeinwesens einbringen und so die Zukunft von Staat und Gesellschaft wesentlich mitbestimmen und prägen“ (ebd.). Das Engagement „von unten“ soll eine kritische Haltung zu Staat und Verwaltung hervorheben und umfasst ein breitgefächertes Spektrum von Aktivitäten und Engagementformen, die auf den folgenden Seiten erläutert werden. Die Begriffswahl für die vorliegende Arbeit erfolgte in Anlehnung an diese Überlegungen.
Weitere gängige Begriffe sind „Freiwilligentätigkeit“, „freiwillige Arbeit“ oder „Ehrenamt“. Alle tragen unterschiedliche ideologische Färbungen in sich. Eine einheitliche Bezeichnung lässt sich für den deutschsprachigen Raum, im Gegensatz zum englischen Pendant des „Volunteering“, nicht festmachen (vgl. Klages, 2000, S. 155f). Das Ehrenamt ist der wohl bekannteste Ausdruck, wird auf Grund seiner Geschichte aber eher in Zusammenhang mit gewählten, ernannten und bestellten Personen verwendet und reicht daher für das heutige Konzept des Engagements nicht mehr aus (vgl. Zimmer & Vilain, 2005, S. 7f).
Da aufgrund der unterschiedlichen Begrifflichkeiten auch definitorische Unreinheiten herrschen, existiert ein sehr breit gefächerter gemeinsamer Nenner, der sich auf folgende Weise beschreiben lässt: Bürgerschaftliches Engagement meint freiwilliges Handeln, das unentgeltlich ist und zugunsten des Gemeinwohls stattfindet. Um eine Abgrenzung von klassischen Freizeitvereinen zu schaffen, die ebenfalls unter dieser Definition Platz finden würden, gilt es auch noch den sozialpolitischen Bereich hervorzuheben. Daraus ergeben sich die vier Elemente die etwas genauer unter Betracht gezogen werden: die Freiwilligkeit, die Unentgeltlichkeit, die Gemeinwohlorientierung und die sozialpolitischen Orientierung.
Das Prinzip der Freiwilligkeit stellt das deutsche Pendant des Begriffs des „Volunteering“ dar, das im internationalen Kontext Verbreitung gefunden hat. Zu sehen ist es aber nicht „im Gegensatzpaar von Freiwilligkeit und Zwang, sondern steht im Gegensatz zur Beruflichkeit einer Tätigkeit“ (Igl, 2002, S. 49). Demzufolge dient es nicht „der Schaffung einer Lebensgrundlage“ (ebd.), da die monetäre Entlohnung entfällt. In diesem Kontext wird evident, dass der Begriff des Ehrenamtes nicht mehr Aktualität hat. Ursprünglich diente es dazu BürgerInnen verpflichtend an eine Tätigkeit zu binden. Es handelte sich um ein Amt, das seinen TrägerInnen „zur ‚Ehre‘ gereichte und in seinen Anfängen ein Zugeständnis der Obrigkeit gegenüber bürgerlichen Partizipationsbestrebungen bei öffentlich-politischen Angelegenheiten darstellte“ (Schüll, 2003, S. 36). Das gilt beispielsweise für das Amt des Schöffen. Umgangssprachlich hat sich der Begriff jedoch auch außerhalb seiner ursprünglichen Bedeutung durchgesetzt und findet immer noch häufig Verwendung. So sprechen Menschen, die sich engagieren, von ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit, obwohl es mit einem Amt nichts zu tun hat (ebd.). Die hier gewählte Definition stützt sich an das Kriterium der Freiwilligkeit. Menschen in gewählten Ämtern wurden in der Erhebung nicht befragt, sondern lediglich Personen, die sich aus eigener Initiative engagierten.
Ursprünglich, im Verständnis des Ehrenamtsbegriffes, war die Vergeltung der Tätigkeit die Ehre, die einer Person zukam. Die Honorierung war die gesellschaftliche Anerkennung, im Gegensatz zu der sonst üblichen monetären Entlohnung. Daraus resultiert das Kriterium der Unentgeltlichkeit (vgl. Igl, 2002, S. 52). Dennoch wird Engagement häufig in Form von Anerkennungen vergolten, was der Tätigkeit den unentgeltlichen Charakter aber nicht abträglich macht (vgl. Schüll, 2003, S. 31ff auch Igl, 2002, S. 52). Diese Anerkennungen können unterschiedliche Formen annehmen. Beispiele in monetärer Form sind die Erstattung nachgewiesener tätigkeitsbezogener Auslagen oder geringe Aufwandsentschädigungen. Der Kern des Prinzips der Unentgeltlichkeit ist aber darin zu sehen, dass „die eigentliche Arbeitsleistung (in der Regel also: die Arbeitszeit) nicht direkt vergütet wird“ (Schüll, 2003, S. 32).
Das Gemeinwohl bezeichnet „moralisch akzentuierte Handlungsdispositionen (Tugend, Solidarität, Verantwortungsbewusstsein)“, dem „ein normatives Ideal“ zugeschreiben ist. Daran sind „die Resultate politischer Prozesse zu bemessen“ (Corsten & Kauppert, 2007, S. 348). Wenn also dem Handeln „eine objektive gemeinnützig orientierte Tendenz innewohnt“ (Igl, 2002, S. 50) kann von Gemeinwohlorientierung gesprochen werden. In der Literatur (vgl. Schüll, 2003, S. 45f, später empirisch widerlegt auf S. 277) wird hier teils eine Abgrenzung zum Eigennutz getroffen, wogegen sich aber sinnvolle Argumente finden lassen: Als Interessensvertretungen von Gruppen eignen sich gruppenzugehörige Menschen am besten, aufgrund der Kenntnisse, die aus eben dieser Gruppenzugehörigkeit resultieren. Dem Handeln kann dann ein Eigennutz zugeschrieben werden, der aber keinesfalls einen Bedeutungsverlust dieses Engagements für Dritte heißen muss. Die eigennützliche „Nebenwirkung“ des Engagements ist hier also kein Ausschlusskriterium. Der Fokus liegt viel mehr auf der objektiven Außensicht. In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass familiäre Tätigkeiten nicht als gemeinwohlorientierte Tätigkeiten gelten. Grund dafür ist, dass „Kindererziehung [noch] nicht primär als Engagement für die Gesellschaft gedeutet“ wird. „Ähnliches gilt für pflegerische Tätigkeiten“ (Igl, 2002, S. 51).
Die Engagementbereiche sind vielseitig und schwer abgrenzbar. Bei einer österreichweiten Untersuchung der Statistik Austria (2008) wurde zwischen zehn Bereichen unterschieden:
Katastrophenhilfs- und Rettungsdienste
Kunst, Kultur, Unterhaltung und Freizeit
Umwelt, Natur und Tierschutz
Kirchlicher oder religiöser Bereich
Sozial- und Gesundheitsbereich
Politische Arbeit und Interessensvertretung
Bürgerliche Aktivitäten und Gemeinwesen
Bildung
Sport und Bewegung
Nachbarschaftshilfe und informeller Bereich
Diese Aufzählung ist nicht trennscharf, denn viele Tätigkeiten im freiwilligen Engagement lassen sich mehreren Bereichen zuordnen. Es ist auch offensichtlich, dass die Betätigung je nach Bereich nicht aufgrund gleicher Motive erfolgen und den gleichen sozialen Nutzen mit sich bringen kann. Es gibt beispielsweise wohl einen motivationalen Unterschied, ob man nun in einer Musikkapelle oder in einem Sportverein spielt, oder ob man sich in einer Bürgerinitiative engagiert. Sozialpolitisches Engagement ist ein direkter Beitrag zur Demokratie, wobei soziales Kapital genauso in Bereichen gewonnen wird, die dem einfachen Freizeitvergnügen dienlich sind (vgl. Putnam, 2000, S. 411, zur Erläuterung s. Kap. 3.3). Daher ist die Bedeutsamkeit für eine funktionierende Gesellschaft gleichrangig, jedoch das direkte Verhältnis zu hinterfragen[1].
Im Zentrum der Arbeit steht das sozialpolitische Engagement. Daher wurde der Fokus auf den Engagementcharakter, an Stelle des Engagementbereiches (wie z.B. Kultur, Natur, Sport) gelegt. Für die Untersuchung wurden Personen ausgewählt, die unterschiedlichen und zum Teil auch mehreren Bereichen zuordenbar sind, aber deren Engagementcharakter ausnahmslos sozialpolitisch ist. Das entscheidende Element, das als Abgrenzungsmerkmal dienen soll, ist bürgerschaftliches Engagement in dem Sinne zu verstehen, als dass es stattfindet um andere Strukturen zu erreichen. Die getroffene Abgrenzung schließt Engagement im religiösen Bereich...